Entfernungspauschale bei Fahrt und Arbeitsbeginn an unterschiedlichen Tagen
Als Ausgangspunkt für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kommt jede Wohnung des Arbeitnehmers in Betracht, die er regelmäßig zur Übernachtung nutzt und von der aus er seine erste Tätigkeitsstätte aufsucht. Als Wohnung gilt z. B. auch ein möbliertes Zimmer (R 9.10 Satz 2 LStR).
Beispiel: A ist 23 Jahre alt und bewohnt im Haus seiner Eltern in B unentgeltlich ein Zimmer (Ausschluss doppelte Haushaltsführung), wo er auch mit erstem Wohnsitz gemeldet ist. Sein gesamter Freundes- und Bekanntenkreis stammt aus B und hier geht er auch sportlichen Aktivitäten nach. In der Woche bewohnt A im 150 km entfernten C eine Wohnung, weil sich dort seine erste Tätigkeitsstätte befindet.
Sowohl das Zimmer im Wohnhaus der Eltern, als auch die Wohnung in C erfüllen hier den Wohnungsbegriff für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei A in B, weil dieser bei ledigen Arbeitnehmern an dem Wohnort anzunehmen ist, zu dem die engeren persönlichen Beziehungen bestehen (Eltern, Freunde, Aktivitäten in Vereinen) und hierfür ausreichend ist, dass diese Wohnung durchschnittlich zweimal monatlich aufgesucht wird (R 9.10 Satz 6-8 LStR). Daher kann A die Entfernungspauschale auch für die tatsächlichen Fahrten von B als Werbungskosten geltend machen.
Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 20.12.1991, VI R 42/89) (für die kürzeste benutzbare Straßenverbindung für den Weg zwischen der Wohnung am Lebensmittelpunkt und der ersten Tätigkeitsstätte) selbst dann, wenn die Fahrt an der näher zur ersten Tätigkeitsstätte liegenden Wohnung unterbrochen wird, weil auch in diesem Fall die Fahrt der Arbeitsaufnahme dient und damit beruflich veranlasst ist. Aus der Rechtsprechung nicht ganz eindeutig zu beantworten ist aber, ob die Entfernungspauschale von der weiter entfernt liegenden Wohnung auch dann angesetzt werden kann, wenn die Unterbrechung an der näher zur ersten Tätigkeitsstätte liegenden Wohnung am Vortag erfolgt.
Fortführung Beispiel: Arbeitsbeginn ist Montag, wobei die Wohnung in C schon Sonntagabend (zur Übernachtung) angefahren wird. Freitags nach Dienstschluss erfolgt die Rückfahrt nach B. Im Jahr 2014 fuhr A insgesamt 40-mal von und nach B.
Praxis-Tipp: Das FG Baden-Württemberg vertritt hierzu in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 24.6.2014, 4 K 3997/11) die Auffassung, dass es unerheblich ist, ob die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte am Vortag oder am Arbeitstag selbst an der näher zur ersten Tätigkeitsstätte gelegenen Wohnung unterbrochen wird.
Die Finanzverwaltung ist hier anderer Meinung, weil aus der gesetzlichen Regelung "für jeden Arbeitstag" zu schließen sei, dass die Entfernungspauschale nur für den Weg gewährt werden kann, der am Arbeitstag selbst (arbeitstägliche Fahrten) zwischen der jeweiligen Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte zurückgelegt wird. Dies führt die Verwaltung zurück auf eine andere Entscheidung des FG Baden-Württemberg (Urteil v. 20.6.2012, 7 K 4440/10), nach der die Entfernungspauschale nur zur Hälfte geltend gemacht werden kann, wenn der Weg zur Arbeit (und zurück) an unterschiedlichen Tagen zurückgelegt werde.
Nach dem Verständnis des 4. Senats des FG Baden-Württemberg besagt der Begriff "für jeden Arbeitstag" aber lediglich, dass der Arbeitnehmer die Entfernungspauschale nur einmal je Arbeitstag (nicht mehrfach) in Anspruch nehmen kann. Der Gesetzgeber gehe dabei von "einem" arbeitstäglichen Hin- und Rückweg aus. Legt der Arbeitnehmer den Hin- und Rückweg z. B. an unterschiedlichen Tagen zurück, kann er die Entfernungspauschale für jeden Tag nur zur Hälfte geltend machen. Entsprechend sind deshalb unterschiedliche halbe Entfernungspauschalen maßgebend, wenn die arbeitstägliche Hin- und Rückfahrt zwei verschiedene Wohnungen betrifft.
Dies gilt auch bei A, sodass er für montags (Hinweg von A mit Unterbrechung in B) und freitags (Rückweg nach B) zwei unterschiedliche halbe Entfernungspauschalen geltend machen könnte, sodass im Ergebnis für 40 Fahrten von und nach B die volle Entfernungspauschale von 0,30 EUR (bzw. 80 x 0,15 EUR) zu berücksichtigen ist.
Dem ist m. E. zuzustimmen, weil es kein Unterschied machen kann, ob die Fahrt am Vortag oder am Arbeitstag selbst durchgeführt wird, denn in beiden Fällen dient die Fahrt vom Lebensmittelpunkt der Arbeitsaufnahme und ist somit beruflich veranlasst (auch der BFH hat in einem älteren Urteil v. 13.12.1985, VI R 136/83, das FG bestätigt, welches einem Zeitsoldaten die sonntäglichen Fahrten von der Wohnung am Lebensmittelpunkt zur Kaserne, bei Arbeitsbeginn Montag, als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte anerkannt hat ohne aber näher auf die Fahrt am Vortag einzugehen). Auch eventuelle private Motive (z. B. Begleitung von Familienangehörigen) für die Fahrt am Vortag dürften m. E. keine Rolle spielen, weil die Aufwendungen so stark durch die berufliche Situation geprägt sind, dass die privaten Gründe überlagert werden. Dies wird aber auch Gegenstand des Revisionsverfahrens (Az. des BFH: VI R 76/14) sein, auf welches sich bei ablehnender Haltung durch die Finanzverwaltung bezogen werden sollte. Einsprüche ruhen nach § 363 Abs. 2 AO kraft Gesetzes.
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