Keine gewerbliche Prägung einer GbR bei Beteiligung einer natürlichen Person
Hintergrund
An einer im Jahr 2002 gegründeten GbR, deren Zweck der Aufbau, die Verwaltung , die Nutzung und die laufende Umschichtung eines Wertpapier-Portfolios ist, waren die X-AG (ohne vermögensmäßige Beteiligung) sowie die Herren A und B (mit je einer Bareinlage) beteiligt. Die Geschäfte sollten ausschließlich durch die AG geführt werden. Die AG haftete unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der GbR, für A und B war die Haftung auf das Gesellschaftvermögen beschränkt. Die AG war verpflichtet, bei allen Rechtsgeschäften mit Dritten für A und B eine Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen durch entsprechende Individualvereinbarungen sicherzustellen.
In der Feststellungserklärung für 2002 erklärte die GbR einen Verlust aus Gewerbebetrieb, der im Wesentlichen aus der Anschaffung von Wertpapieren resultierte. Nach einer Betriebsprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei der GbR nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG handelte. Es änderte den Feststellungsbescheid und stellte positive Einkünfte aus Kapitalvermögen fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Entscheidung
Der BFH ging ebenfalls davon aus, dass es sich bei der GbR nicht um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handelte und wies die Revision der GbR als unbegründet zurück.
Voraussetzung für das Vorliegen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft ist nach § 15 Abs. 3 Nr 2 Satz 1 EStG, dass ausschließlich Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und zur Geschäftsführung befugt sind. Das war hier jedoch nicht der Fall, weil auch A und B persönlich haftende Gesellschafter der GbR waren.
Da § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG auf das Gesellschaftsrecht Bezug nimmt, bestimmt sich auch die Frage, wer persönlich haftender Gesellschafter i.S. dieser Vorschrift ist, nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Nach der geänderten Rechtsprechung des BGH kann aber gesellschaftsrechtlich die persönliche Haftung des Gesellschafters einer GbR nicht ausgeschlossen werden (BGH, Urteil v. 27.9.1999, II ZR 371/98). Ein Haftungsausschluss kann nur beim einzelnen Vertragsabschluss mit der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners vereinbart werden und wirkt allein für den betreffenden Vertragsabschluss. Die Rechtsstellung als persönlich haftender Gesellschafter wird davon nicht berührt. Sie ist vielmehr gerade der Grund dafür, dass es im Einzelfall der Vereinbarung eines Haftungsausschlusses bedarf.
Hinweis
Bis zur Änderung seiner Rechtsprechung durch den BGH war herrschende gesellschaftsrechtliche Auffassung, dass die Haftung eines BGB-Gesellschafters unter bestimmten Voraussetzungen auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden könne (vgl. z. B. BGH, Urteil v. 12.3.1990, II ZR 312/88, BB 1990 S. 1085). Dementsprechend hatte auch der BFH eine GbR, bei der die Haftung der übrigen Gesellschafter entsprechend beschränkt worden war, als gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG angesehen (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 11.12.1986, IV R 222/84, BStBl 1987 II S. 553). Möglicherweise haben die Finanzämter noch nicht allen Gesellschaften, die nach der geänderten Rechtsprechung nicht mehr die Voraussetzungen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erfüllen, die Gewerblichkeit aberkannt. Jedenfalls hat sich die Klägerin des Besprechungsfalls darauf berufen und insoweit - vergeblich - eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 GG gerügt. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und gebietet keine "Gleichheit im Unrecht" (BFH, Urteil v. 4.7.2012, II R 38/10, BStBl 2012 II S. 782, m.w.N.).
Beachte: Kann - entsprechend der geänderten Rechtsprechung - die persönliche Haftung eines BGB-Gesellschafters gesellschaftsrechtlich nicht beschränkt werden, ergibt sich daraus zwangsläufig, dass eine GbR, an der mindestens eine natürliche Person beteiligt ist, keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG sein kann. Ob und ggf. in welchem Umfang die Haftung der natürlichen Personen individualvertraglich im Einzelfall ausgeschlossen wurde, ist insoweit unerheblich.
BFH, Beschluss v. 22.9.2016, IV R 35/13, veröffentlicht am 16.11.2016
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