Entfernungspauschale bei Hin- und Rückweg an unterschiedlichen Arbeitstagen
Hintergrund: Hin- und Rückfahrt an zwei Arbeitstagen
A war als Flugbegleiter am Flughafen in X beschäftigt. In 2014 fuhr er an 12 Arbeitstagen von seiner Wohnung zum Flughafen und zurück. An 31 Tagen trat er – bei mehrtägigen Flugeinsätzen - erst nach mindestens einem weiteren Arbeitstag die Rückfahrt an.
A beantragte, nicht nur die 12 arbeitstäglichen Hin- und Rückfahrten mit der Entfernungspauschale (0,30 EUR je Entfernungs-km) abzusetzen, sondern auch die 31 am jeweiligen Arbeitstag nur in einer Richtung - also nur einfach - ausgeführten Fahrten mit der vollen Entfernungspauschale von 0,30 EUR, nicht mit nur 0,15 EUR, zu berücksichtigen. Das FA und ihm folgend das FG lehnten das ab.
Entscheidung: Hälftige Entfernungspauschale bei Fahrten an zwei Tagen
Der BFH folgt dem FA und dem FG und wies die Revision des A zurück. Der Abzug der (vollen) Entfernungspauschale (0,30 EUR) setzt voraus, dass der Steuerpflichtige an einem Arbeitstag den Weg von der Wohnung zu seiner ersten Tätigkeitsstätte und von dort wieder zurück zu seiner Wohnung zurücklegt. Fährt er diese Wege an unterschiedlichen Arbeitstagen, kann er die Entfernungspauschale für diese Fahrten nur zur Hälfte (d.h. mit 0,15 EUR) geltend machen.
Rechtsprechung zum früheren km-Pauschbetrag
Der BFH verweist auf die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einführung der Entfernungspauschale. Mit dem früher abzusetzenden km-Pauschbetrag (0,36 DM) waren zwei Fahrten (eine Hin- und eine Rückfahrt) abgegolten. Dementsprechend waren bei einem Arbeitnehmer, der nur eine Fahrt zurücklegt, nur die Hälfte des km-Pauschbetrags (0,18 DM je Entfernungs-km und Arbeitstag) als WK abzuziehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte nur die Hälfte des Pauschbetrags je Entfernungs-km pro Fahrt berücksichtigt werden. Lediglich aus Vereinfachungsgründen wurde nicht auf die tatsächlich für die Hinfahrt und Rückfahrt gefahrenen km abgestellt, sondern auf die kürzeste benutzbare Straßenverbindung (BFH, Urteil v. 26.7.1978, VI R 16/76, BStBl II 1978, 661, zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F.).
Die Gesetzesänderungen ließen die Rechtslage bestehen
An dieser Rechtslage hat sich im Grundsatz weder mit der Einführung der Entfernungspauschale ab 2001 (EntfPauschG v. 21.12.2000, BGBl I 2000, 1918) noch durch das ab 2014 geltende (neue) steuerliche Reisekostenrecht etwas geändert (G. v. 20.2.2013, BGBl I 2013, 285). Der BFH hält daher auch für das (neue) Reisekostenrecht daran fest, dass die Entfernungspauschale für "Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte" (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG) die Kosten für zwei Wege (einen Hin- und einen Rückweg) abgilt. Ein Arbeitnehmer, der an einem Arbeitstag nur einen Weg zurücklegt, kann folglich nur die Hälfte der Entfernungspauschale von 0,30 EUR - also 0,15 EUR je Entfernungs-km und Arbeitstag - als WK abziehen.
Der Gesetzeswortlaut steht nicht entgegen
Dem steht § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht entgegen, soweit danach die Entfernungspauschale "für jeden Arbeitstag" angesetzt wird, "an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht". Diese Formulierung verdeutlicht, dass die Entfernungspauschale nur einmal für jeden Arbeitstag berücksichtigt werden kann (BFH, Urteil v. 11.9.2003, VI B 101/03, BStBl II 2003, 893). Das Gesetz zwingt aber nicht dazu, die Entfernungspauschale für jeden Arbeitstag in voller Höhe anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer den Weg nicht am selben Tag, sondern an verschiedenen Tagen zurücklegt. Ausgehend von der Typisierung (0,30 EUR bei Hin- und Rückfahrt an einem Tag) ist bei nur einer Fahrt an einem Tag nur die Hälfte der Pauschale (0,15 EUR) zu berücksichtigen.
Umsetzung der Typisierung
Mit dieser Wertung wird die dem WK-Abzug von 0,30 EUR/km zugrunde liegende Typisierung (ein Hin- und ein Rückweg je Arbeitstag) folgerichtig umgesetzt. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Hin- und Rückweg an verschiedenen Arbeitstagen durchgeführt wird oder der Steuerpflichtige z.B. nach einer Fahrt von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte eine Auswärtstätigkeit antritt und von dieser unmittelbar nach Hause zurückkehrt oder eine Auswärtstätigkeit von zu Hause aus antritt, anschließend seine erste Tätigkeitsstätte aufsucht und von dort wieder nach Hause fährt.
Die Entfernungspauschale ist in diesen Fällen - in teleologischer Reduktion der Regelung – so anzusetzen, dass die Fahrt aufgrund einer Einzelbewertung mit 0,15 EUR angesetzt wird. Eine solche Einzelbewertung lässt die typisierte Ermittlung der Entfernungspauschale auf der Grundlage der Entfernungs-km unberührt. Gleichzeitig knüpft sie an die Angaben des Steuerpflichtigen zur Anzahl der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an, so dass auch der Vereinfachungszweck erhalten bleibt.
Hinweis: Bestätigung der Verwaltungsauffassung
Die Auffassung des BFH deckt sich mit der ganz herrschenden Literatur-Meinung und auch mit der der Verwaltungspraxis (LSt-Handbuch 2019 H 9.10 "Fahrtkosten bei einfacher Fahrt").
Das FG ging aufgrund des Gesetzeswortlauts (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG "Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte") davon aus, der Gesetzgeber habe die Richtung der Wegstrecke festgelegt, nämlich von der Wohnung zur Tätigkeitsstätte. Deshalb seien – mit gleichem rechnerischem Ergebnis – nur die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte mit der (vollen) Entfernungspauschale zu berücksichtigen und die Fahrten zurück zur Wohnung müssten ganz außen vor bleiben. Nach dieser FG-Auffassung müssten, wenn der Arbeitnehmer z.B. von der Wohnung aus eine Dienstreise antritt, anschließend seine erste Tätigkeitsstätte aufsucht und danach nach Hause fährt, die Fahrtkosten unberücksichtigt bleiben. Dem widerspricht der BFH. In all diesen Konstellationen ist es sachgerecht, die Entfernungspauschale hälftig (mit 0,15 EUR) abzusetzen.
BFH Urteil vom 12.02.2020 - VI R 42/17 (veröffentlicht am 12.06.2020)
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