Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm
Hintergrund: Verbilligte Mitgliedschaft im Fitness-Studio
Die Arbeitgeberin (A) schloss mit dem Betreiber verschiedener Fitness-Studios (X-Fitness) eine "Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung". Danach erwarb A zu einem ermäßigten Preis Lizenzen mit dem Recht, ihren Arbeitnehmern das Training bei sämtlichen Partnern der X-Fitness einzuräumen.
Die Laufzeit des Vertrags betrug zunächst zwölf Monate und verlängerte sich bei Nichtkündigung für weitere zwölf Monate. Für die von ihr erworbenen 20 Lizenzen hatte A pro Monat jeweils 50,28 EUR (einschließlich USt) zu zahlen. Die Arbeitnehmer zahlten monatlich einen Eigenanteil an A (zunächst 16 EUR, später 20 EUR). Sie erhielten eine Teilnahmeberechtigung und einen Mitgliederausweis ausgehändigt.
A ging davon aus, wegen des Eigenanteils der Arbeitnehmer sei die 44 EUR-Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG nicht überschritten, so dass ein geldwerter Vorteil nicht zu versteuern sei.
Das FA vertrat dagegen die Auffassung, aufgrund der einjährigen Vertragsbindung sei der Vorteil im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung in Höhe der Jahressumme (50,28 EUR x 12 = 603 EUR) zugeflossen. Damit sei die Freigrenze überschritten. Das FG teilte die Ansicht der A und gab der Klage statt.
Entscheidung: Monatlicher Zufluss unterhalb der 44 EUR Grenze
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. A hat ihren Arbeitnehmern durch die vergünstigten Trainingsbedingungen steuerbare Sachbezüge i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zugewandt. Die Arbeitnehmer hatten gegenüber A einen fortlaufend (nicht einmalig) zu erfüllenden Anspruch auf (verbilligte) Nutzung der Fitness-Anlagen.
Zufluss als laufender Arbeitslohn
Die Zuwendung bestand in der Einräumung eines verbilligten Rechts seitens der A zur Nutzung der Anlagen. Die Arbeitnehmer hatten – trotz der schriftlichen Trainingsberechtigung und des Mitgliedsausweises – keinen verbrieften Anspruch gegen X-Fitness. Sie hatten (lediglich) gegenüber A einen fortlaufend zu erfüllenden Anspruch darauf, dass sie die Anlagen (verbilligt) nutzen konnten. Dieser Vorteil ist den Arbeitnehmern als laufender Arbeitslohn monatlich zugeflossen. Denn für den Zufluss von Arbeitslohn kommt es nicht auf das Innehaben von Ansprüchen (gegen den Arbeitgeber) an, sondern auf die Erfüllung dieser Ansprüche.
Zufluss bei Erlangung der Verfügungsmacht
Zuflusszeitpunkt ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer durch die Erfüllung seines Anspruchs die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt (BFH v. 23.8.2017, VI R 4/16, BStBl II 2018, 208), also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt (BFH v. 25.11.1993, VI R 45/93, BStBl II 1994, 254). A erfüllte daher ihr Leistungsversprechen nicht bereits mit der Aushändigung der Teilnahmeberechtigung oder des Mitgliedsausweises, sondern erst mit der laufenden Gewährung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit (BFH v. 19.8.2004, VI R 33/97, BStBl II 2004, 1076).
Unterschied zum Erwerb eines Jobtickets
Anders ist es beim vergünstigten Erwerbe einer Jahrdesnetzkarte (Jobticket) oder einer Fahrtberechtigung (BFH v. 26.9.2019, VI R 23/17, BStBl II 2020, 162, Rz 15 und 16). In diesen Fällen hat der Arbeitgeber in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht ausübt, seinen Anspruch auf den verbilligten Erwerb (vollständig) erfüllt. Damit ist der Arbeitslohn als sonstiger Bezug bereits zugeflossen. Denn der Arbeitnehmer, der das Jobticket (vergünstigt) erworben hat, hat keine Ansprüche mehr gegen seinen Arbeitgeber, sondern nur noch gegenüber dem Verkehrsunternehmen. Durch die Aushändigung des Fahrscheins hat der Arbeitgeber sein (tarifvertraglich geregeltes) Leistungsversprechen erfüllt.
Bewertung anhand der Kosten
Für die Bewertung des Sachbezugs ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG der (um übliche Preisnachlässe geminderte) übliche Endpreis am Abgabeort, d.h. grundsätzlich der günstigste Einzelhandelspreis am Markt, anzusetzen BFH v. 12.4.2007, VI r 36/04, BFH/NV 2007, 1851). Wird die Ware oder Dienstleistung jedoch an Endverbraucher überhaupt nicht vertrieben, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Wert eines Sachbezugs anhand der Kosten bemessen wird, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat.
So liegt der Fall hier. Denn eine identische oder gleichartige Dienstleistung, wie sie die A ihren Arbeitnehmern verbilligt zugewandt hat, wurde fremden Endverbrauchern am Markt überhaupt nicht angeboten. Die Nutzung der X-Fitness-Anlagen wurde nur gegenüber Unternehmen angeboten, die eine bestimmte Anzahl von Nutzungslizenzen erwarben. Endverbraucher wie die Arbeitnehmer der A hatten gar keine Möglichkeit, eine solche Trainingsberechtigung zu erwerben. Die Trainingsberechtigung war nicht mit einer üblichen Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio vergleichbar. Da somit eine identische oder vergleichbare Leistung fremden Endverbrauchern am Markt nicht angeboten wurde, ist eine Schätzung des geldwerten Vorteils anhand der Kosten des Arbeitgebers grundsätzlich zulässig. Dementsprechend war aufgrund der monatlichen Kosten der A pro Lizenz (50,28 EUR) und der Zuzahlungen der Arbeitnehmer (16 EUR bis 20 EUR) die 44 EUR-Grenze nicht überschritten.
Hinweis: Einwendungen gegen die Schätzung des FA
Für die Einhaltung der 44 EUR-Grenze ist darauf zu achten, dass der geldwerte Vorteil als laufender (nicht einmaliger) Zufluss ausgestaltet ist. Im Übrigen bemerkt der BFH, dass die Schätzung des üblichen Endpreises anhand der Kosten des Arbeitgebers in Betracht kommt, wenn eine Ware oder Dienstleistung an den Endverbraucher in der Regel nicht vertrieben wird. Wenn sich ein Beteiligter dagegen auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert des Sachbezugs nicht entspricht (BFH v. 6.6.2018, VI R 32/16, BStBl II 2018, 764, Rz 23).
BFH Urteil vom 07.07.2020 - VI R 14/18 (veröffentlicht am 17.12.2020)
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