Nachträgliche Anschaffungskosten eines unternehmerisch beteiligten Aktionärs
Hintergrund: Aktionär gewährt der AG ein Darlehen
Zu entscheiden war, ob ein ausgefallenes Darlehen, das A in 1999 einer AG als Aktionär gewährt hatte, als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist. Der Fall betrifft das Streitjahr 2001, d.h. § 17 in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen - MoMiG - v. 23.10.2008, BGBl I 2008, 2026). A war Gesellschafter einer GmbH, die in 1999 in eine AG formgewechselt wurde. A wurde zum Vorstand bestellt. Am Grundkapital der AG war A mit 32 % beteiligt. In 1999 veräußerte er einen Teil seiner Aktien. Sein Anteil verringerte sich auf 27 %. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der AG kam es zu Kapitalerhöhungen und die Beteiligung des A sank bis zum 1.2.2001 auf 10 %. In 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet. Nach einer Bestätigung des Insolvenzverwalters stand spätestens am 31.12.2001 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es für die Aktionäre weder eine Ausschüttung noch einen Zwangsvergleich geben wird.
A begehrte für 2001 die steuerliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts. Dieser sei u.a. durch den Ausfall des Gesellschafterdarlehens von 500.000 DM (= 255.646 EUR) entstanden. Das FA berücksichtigte im Bescheid zum 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbliebenden Verlustvortrags den Verlust nicht. Das FG wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, das Gesellschafterdarlehen sei nicht als eigenkapitalersetzendes Finanzplandarlehen anzuerkennen.
Entscheidung: Unternehmerische Beteiligung eines Aktionärs
Ein krisenbestimmtes Darlehen führt zu Anschaffungskosten, wobei auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist, verzichtet werden kann, wenn der Gesellschafter schon zu einem früheren Zeitpunkt erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde. Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht Gesellschafter ist, nicht bereit. Ist der Gesellschafter - wie hier A - Aktionär, sind die Grundsätze des Eigenkapitalrechts auf seine Finanzierungshilfen in der Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn er zu mehr als 25 % beteiligt ist oder über fundierte Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft verfügt. Eine Mitgliedschaft im Vorstand oder Aufsichtsrat genügen nicht. Finanzierungsmaßnahmen sind nur unter diesen Voraussetzungen als funktionelles Eigenkapital zu beurteilen und führen nur dann zu nachträglichen Anschaffungskosten, wenn der Aktionär in diesem Sinne unternehmerisch beteiligt ist. Hiervon ausgehend, war der Darlehensverlust des A durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Das Darlehen hatte eigenkapitalersetzenden Charakter. A war bei der Darlehensgewährung mit rund 27 % an der AG beteiligt und hatte bindend erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehen lasse und seine Forderung hinter alle anderen Gläubiger zurückfalle. Zudem wurde die Vereinbarung in 2000 dahin konkretisiert, dass er auf seine Forderung verzichtet, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet wird. Das Darlehen ist damit als haftendes Kapital einzustufen.
Absinken der Beteiligung unerheblich
Unerheblich ist, dass die Beteiligung des A bei Insolvenzeröffnung auf 10 % abgesunken war. Denn bereits mit der in der unternehmerischen Entscheidung in 1999 enthaltenen bindenden Abrede der Krisenbestimmung und dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung übernahm das Darlehen die Funktion als Eigenkapital. Der Darlehensvertrag ist - entgegen der Auslegung des FG - dahin zu verstehen, dass jedes Kündigungsrecht des A, das den Darlehenszweck vereiteln würde, bis 2004 ausgeschlossen war. Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Hinweis: Änderung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG
Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht und im Anfechtungsgesetz neu geordnet. Für die Frage nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG ist auf die gesellschaftsrechtliche Veranlassung abzustellen. Unbeschadet der Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG orientiert sich deshalb die Auslegung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach wie vor an der bereits bisher herangezogenen Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers, so dass bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung auch künftig nachträgliche Anschaffungskosten bei uneinbringlichen Rückzahlungsansprüchen des Gesellschafters anzunehmen sind. Zu den Auswirkungen des MoMiG auf nachträgliche Anschaffungskosten nimmt das BMF-Schreiben v. 21.10.2010 (BStBl I 2010, 545) im Einzelnen Stellung.
Ausnahmsweise Vertragsauslegung durch den BFH
Das FG hat seine Klagabweisung u.a. darauf gestützt, das außerordentliche Kündigungsrecht des A aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 BGB sei nicht ausgeschlossen gewesen, so dass A z.B. bei Einstellung der Zinszahlungen hätte kündigen können. Dem widerspricht der BFH. Er legt den Vertrag dahin aus, dass jedes Kündigungsrecht ausgeschlossen war. Zwar gehört die Auslegung von Willenserklärungen grundsätzlich zu der dem FG obliegenden Tatsachenfeststellung. Dem BFH steht jedoch die Befugnis zur eigenständigen Auslegung zu, wenn das FG gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln oder die Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Davon geht der BFH im Streitfall aus. Denn nach dem insoweit eindeutigen Vertrag war jedes Kündigungsrecht des A bis 2004 und darüber hinaus bis zur Beendigung einer Unternehmenskrise ausgeschlossen.
BFH, Urteil v. 6.12.2016, IX R 12/15, veröffentlicht am 1.3.2017
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