Verspätungsgeld für nicht fristgerecht übermittelte Rentenbezugsmitteilungen
Hintergrund: Verspätete Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen an die zentrale Stelle nach § 22a EStG
Der Pensionsfonds P hat die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter eines Unternehmens übernommen. Den Geschäftsbetrieb hat P auf die X-GmbH (zugelassene Rentenberaterin und Expertin für betriebliche Altersversorgung) ausgelagert. Am 23.01.2013 (also innerhalb der Frist zum 01.03. des Folgejahrs nach § 22a Abs. 1 EStG a.F. (jetzt § 22a Abs. 5 EStG i.V.m. § 93c AO) übermittelte die X-GmbH an die ZfA (Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen) Rentenbezugsmitteilungen für 2012, die zum Teil unzutreffende Angaben enthielten (Bezeichnung der X-GmbH statt des P als mitteilungspflichtig, Angabe der Kundennummer des beauftragten Rechenzentrums statt der Nummer des P). Am 19.03.2014 (somit erst nach Fristablauf) übermittelte die X-GmbH diese Datensätze (betreffend 2012) erneut an die ZfA. Anders als bei der ersten Übermittlung wurde hier korrekt P als Mitteilungspflichtiger genannt und auch dessen Anschrift und Kundennummer angegeben.
Die ZfA ging davon aus, die Mitteilungen seien teils verspätet, teils gar nicht übermittelt worden. Die Mitteilungen vom Januar 2013 seien wegen fehlender Angaben nicht rechtzeitig gewesen. Die ZfA setzte gegen P ein Verspätungsgeld von 50.000 EUR fest. Die von P dagegen erhobene Klage, die sich im Wesentlichen auf verfassungsrechtliche Erwägungen stützte, blieb ohne Erfolg.
Entscheidung: Die Erhebung des Verspätungsgelds durch die ZfA ist verfassungsrechtlich zulässig
Die Übertragung der Zuständigkeit zur Erhebung des Verspätungsgeldes nach § 22a Abs. 5 EStG zunächst auf das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. d FVG und im Wege der Organleihe nach Satz 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber konnte dem BZSt als Bundesoberbehörde ohne Verstoß gegen Art. 87 Abs. 3 GG die Aufgabe übertragen, nicht nur zu prüfen, ob die Mitteilungspflichtigen ihre Pflichten gemäß § 22a Abs. 1 EStG erfüllt haben, sondern auch das Verspätungsgeld gemäß § 22a Abs. 5 EStG zu erheben. Die Tätigkeit der DRV Bund im Rahmen des § 22a EStG stellt sich als eine vor allem technische Abwicklung der Übermittlung der Rentenbezugsmitteilungen dar, die nicht so weitgehend ist, dass die DRV Bund hierdurch ihr "Gepräge", die für die Rentenversicherung maßgebliche Stelle zu sein, verlieren würde,
Keine unzulässige Doppelbestrafung
Das Zusammenwirken von § 22a Abs. 5 EStG (Verspätungsgeld) mit § 50f EStG (Bußgeld) stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der doppelten Sanktion dar. Zum einen ist mit dem Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG nur das Kriminalstrafrecht gemeint. Zum anderen ist gegen P bisher noch nie ein zweites Verfahren – insbesondere kein Bußgeldverfahren nach § 50f EStG - eingeleitet worden. Es kann für den Streitfall daher offen bleiben, ob doppelte nichtstrafstrafrechtliche Sanktionen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kann sich P schon deshalb nicht berufen, weil die Art. 103 Abs. 3 GG entsprechende Vorschrift nicht in der EMRK, sondern im 7. Zusatzprotokoll enthalten ist. Dieses ist von Deutschland zwar unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert worden. Dem Verspätungsgeld steht auch Art. 50 der Charta der Grundrechte der EU (EUGrdRCH) nicht entgegen. Denn diese Regelung verbietet die erneute Verfolgung oder Verurteilung wegen einer Straftat nachdem bereits eine Verurteilung oder ein Freispruch erfolgt ist. Im Streitfall wendet sich P indes nicht gegen eine erneute Sanktionierung, sondern gegen die erste und einzige Verwaltungssanktion.
Kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Weder das Meldeverfahren noch die Belastung mit einem Verspätungsgeld sind unangemessen. Die Inanspruchnahme der mitteilungspflichtigen Stellen als Dritte zur Erreichung der Besteuerungsgleichheit stellt keine übermäßige Belastung dar. Denn die mitteilungspflichtigen Stellen übersenden bereits ihren Leistungsempfängern jährliche Informationen. Diese müssen lediglich nach den Vorgaben der Finanzverwaltung aufbereitet werden. Im Hinblick auf die verfolgten Zwecke erscheint das Verspätungsgeld ein sachgerechtes und angemessenes Mittel, um das Verwaltungsverfahren als Massenverfahren praktikabel zu halten.
Kein Verspätungsgeld bei lediglich fehlerhafter Meldung
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut wird das Verspätungsgeld nur erhoben, wenn die Mitteilung verspätet oder gar nicht übermittelt wurde. Eine lediglich fehlerhafte Mitteilung wird folglich von der Vorschrift nicht erfasst. Aber nicht jede Übermittlung einer fehlerhaften Rentenbezugsmitteilung kann als fristwahrend angesehen werden. Entsprechend der Grundsätze zur fristgerechten Abgabe einer unvollständigen oder unrichtigen Steuererklärung kann eine Rentenmitteilung dann nicht als übermittelt gelten, wenn sie derart lückenhaft ist, dass dies praktisch einer Nichtübermittlung gleichkäme. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, war im Streitfall allerdings ungeklärt. Der BFH verwies den Fall daher an das FG zurück, um insoweit den Sachverhalt weiter aufzuklären. Das FG wird gegebenenfalls auch festzustellen haben, ob P die Fristversäumnis zu vertreten hatte. Bei dieser Prüfung ist ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiver Sorgfaltsbegriff zugrunde zu legen.
Hinweis: Parallelurteile vom 20.02.2019
In dem Parallelurteil vom 20.02.2019 - X R 29/16, legt der BFH ausführlich die Gründe dar, die für die Zugrundlegung eines objektiven Sorgfaltsbegriff im Rahmen des § 22a Abs. 5 EStG sprechen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 22a Abs. 5 Satz 3 EStG, aber aus der Ähnlichkeit mit dem zivilrechtlichen Vertretenmüssen nach § 276 Abs. 1 BGB, das auf dem Vertrauensgedanken beruht. Die ZfA kann und muss sich darauf verlassen können, dass P als Mitteilungspflichtiger mit der gebotenen, von ihm als Versorgungswerk zu erwartenden Sorgfalt seinen Pflichten zur rechtzeitigen Datenübermittlung nachkommt.
Kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung
In der weiteren Parallelentscheidung vom 20.02.2019 - X R 32/17, begründet der BFH, dass für die Klage des Versorgungsträgers der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet ist. In Ergänzung des Urteils X R 28/17 legt der BFH sodann ausführlich dar, dass die Regelung in § 22a Abs. 5 Satz 3 EStG, wonach den Mitteilungspflichtigen die Darlegungslast für ein fehlendes Vertretenmüssen trifft, nicht gegen die Unschuldsvermutung verstößt. Diese Vermutung ist im nationalen Recht nicht anerkannt. Sie wirkt für den Streitfall auch nicht nach der europäischen Menschenrechtskonvention. Selbst wenn man den Begriff "Strafrecht" i.S.v. Art. 6 Abs. 2 EMRK entsprechend weit auslegen würde, wäre nach der Rechtsprechung des EMRK davon auszugehen, dass selbst im Strafrecht Tatsachen- und Rechtsvermutungen nicht untersagt sind.
BFH Urteil vom 20.02.2019 - X R 28/17 (veröffentlicht am 04.07.2019)
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