Pauschalbesteuerung der Erträge aus sog. "schwarzen Fonds"
Begründet wurde dies – wie nach dem Schlussantrag des Generalanwaltes beim EuGH zu erwarten war – mit der sog. "Stillhalteklausel" in Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV), welche die Pauschalbesteuerung vom Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ausnimmt.
Hintergrund
Hintergrund ist ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH (BFH-Beschluss vom 6.8.2013, VIII R 39/12, DB 2013, 2600) zu der Frage, ob die bis 2003 geltende Regelung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG in Bezug auf Fonds aus Drittstaaten unter den Art. 57 Abs. 1 EG / Art. 64 Abs. 1 AEUV fällt und damit trotz eines offensichtlichen und auch nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigten Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit eine "Stillhalteklausel" ("standstill clause") im Sinne eines Bestandschutzes gilt.
Mit Beschluss vom 6.8.2013 hatte der BFH den EuGH im Hinblick auf die Besonderheiten der Kapitalverkehrsfreiheit im Zusammenhang mit der Beteiligung an – auf den Cayman Islands domizilierenden – Drittstaatenfonds ohne Nachweis der Besteuerungsgrundlagen, die inländische Investoren über ein Liechtensteinisches Depot hielten, um Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersucht.
Der BFH hatte dem EuGH somit die Frage vorgelegt, ob die bis Ende 2003 geltende deutsche Regelung im AuslInvestmG zur Besteuerung von Erträgen aus ausländischen sog. "schwarzen Fonds", die Pauschalbesteuerung von sog. "schwarzen Fonds" nach dem AuslInvestmG, in einem Drittstaatenfall unionsrechtswidrig sei.
§ 18 Abs. 3 AuslInvestmG ist die Vorgängerregelung des § 6 InvStG; diese Regelung sah eine Pauschalbesteuerung bei (ausländischen) sog. "schwarzen Fonds" (also Investmentfonds, die keine Besteuerungsgrundlagen nachweisen) vor. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG regelte die Besteuerung der Anteilseigner ausländischer Fonds, wenn die Fonds weder einen steuerlichen Vertreter in Deutschland bestimmt hatten noch zum Vertrieb in Deutschland zugelassen waren und daher keine Besteuerungsgrundlagen veröffentlicht wurden. Die steuerlichen Folgen sind gravierend: Steuerpflichtig sind die Ausschüttungen und 90% des Wertzuwachses im Kalenderjahr, mindestens aber 10% des letzten im Kalenderjahr veröffentlichten Rücknahmepreises. Bei Verkauf eines schwarzen Fondsanteils wird zudem ein pauschaler Zwischengewinn von 20% des Rücknahmepreises. besteuert. Gemäß dem Gesetzeswortlaut ermittelt sich der pauschale Zwischengewinn nicht jahresanteilig.
Für die Entscheidung kam es entscheidend darauf an, ob die sog. "stand still"-Klausel in Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) die Pauschalbesteuerung vom Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ausnimmt, also ob die angegriffene Vorschrift im AuslInvestmG überhaupt am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit überprüft werden kann oder Bestandsschutz genießt.
Für die Anwendung dieser Vorschrift, die den Mitgliedstaaten erlaubt, Beschränkungen des Kapitalverkehrs beizubehalten, müssen somit drei Kriterien kumulativ erfüllt sein:
- ein Kriterium persönlicher Art, d.h., die in Rede stehende nationale Maßnahme betrifft ein Drittland oder mehrere Drittländer oder ist auf diese anwendbar;
- ein zeitliches Kriterium, d.h., die in Rede stehenden Beschränkungen bestanden am 31.12.1993; und
- ein sachliches Kriterium, d.h., dass die betroffenen Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit einem der abschließend in Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG aufgezählten Geschäfte stehen.
Entscheidung
Im Ergebnis bejaht somit der EuGH die (sachliche) Anwendung der Stillhalteklausel.
Der BFH ist der Auffassung, die Stillhalteklausel des Art. 57 Abs. 1 EG (Art. 64 Abs. 1 AEUV) sei eng auszulegen, da nur solche Normen im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen stehen würden, die sich an den Finanzdienstleister selbst richten und die Voraussetzungen oder die Art und Weise der Leistungserbringung regeln. Rechtsvorschriften, die die Besteuerung der Anleger an solchen Finanzprodukten zum Gegenstand haben, werden nach Ansicht des BFH davon nicht erfasst.
Der EuGH ist der Auffassung, dass zum einen der Begriff der Erbringung von Finanzdienstleistungen Maßnahmen umfassen könne, die sich an den Empfänger der genannten Leistung richteten, und dass zum anderen im vorliegenden Fall ein enger Zusammenhang zwischen dem Gegenstand der nationalen Maßnahme, nämlich der Besteuerung der Inhaber von Beteiligungen an ausländischen Investmentfonds, und dem Verhalten der Fonds, die die Anforderungen der §§ 17 Abs. 3 und 18 Abs. 2 AuslInvestmG nicht erfüllten, bestehe. Mit anderen Worten beträfen die nationalen Steuervorschriften die Erbringung von Finanzdienstleistungen, da für die Investmentfonds zumindest indirekt ein Anreiz geschaffen werde, die in den genannten Rechtsvorschriften festgesetzten nationalen Transparenzregeln einzuhalten. In der vorliegenden Rechtssache ziehen die in Rede stehenden Kapitalbewegungen, nämlich der Erwerb von Anteilen an in Drittstaaten ansässigen Investmentfonds, von denen der Anleger Dividenden bezieht, die der streitigen pauschalen Besteuerung unterliegen, zwangsläufig die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch die betreffenden Investmentfonds zugunsten des Anlegers nach sich. Ohne diese Dienstleistungen hätte der Erwerb dieser Beteiligungen ganz einfach keinen Sinn, insbesondere im Fall eines nicht institutionellen Anlegers, dem auf diese Art und Weise eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten zur Verfügung steht, die ihm im Allgemeinen nicht zur Verfügung stünden, wenn er sich entschlösse, direkt auf dem Kapitalmarkt zu investieren. Im Übrigen optimieren und erhöhen gerade diese Finanzdienstleistungen den Gewinn, der der nationalen Besteuerung unterliegt.
Hinweise
Auf keinen Fall sollten eingelegte Einsprüche voreilig zurückgezogen werden. Dies vor allem deshalb, weil aktuell ein Verfahren beim BFH (Az. VIII R 2/09) anhängig ist, in dem die Frage geprüft wird, ob die Besteuerung von schwarzen Fonds nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen Verfassungsrecht verstößt. Zum einen wird hierbei geprüft, ob die Pauschalbesteuerung den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Dieser Grundsatz gebietet es dem Gesetzgeber wesentlich Gleiches ebenfalls gleich zu behandeln, was bedeutet, dass Steuerpflichtigen rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden sollen. Zum anderen wird geprüft, ob die Besteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG verstößt, da dem Steuerpflichtigen prinzipiell nicht mehr als 50% Steuerbelastung entstehen soll. Dieses Verfahren wurde bis zur Entscheidung des EuGH im Fall "Wagner-Raith" ausgesetzt. Da die Entscheidung des EuGH nun vorliegt, wird das Verfahren vor dem BFH wieder aufgenommen. Es ist daher anzuraten, zunächst abzuwarten, wie beide Verfahren vom BFH (Az. VIII R 39/12 und Az. VIII R 2/09) final entschieden werden.
Zudem ist zu überlegen, wie eine Nacherklärung zu beurteilen wäre, wenn statt der überhöhten Werte nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG die tatsächlichen Fondserträge im Rahmen der Nacherklärung angesetzt werden (Ausfluss aus dem EuGH-Urteil vom 9.10.2014, C-326/12, "van Caster", zu § 6 InvStG). In Fällen, in denen die Finanzämter bisher eine Aussetzung der Vollziehung der strittigen Steuerbeträge gewährt haben, muss geprüft werden, ob das Risiko von (weiteren) Aussetzungszinsen durch eine Zahlung der ausgesetzten Beträge beendet werden soll.
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