Stellungnahme zum Solidaritätszuschlag 1995/2021
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich u.a. an den Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) und den Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) gewandt und eine Einschätzung zur Verfassungsbeschwerde mit dem Az. 2 BvR 1505/20 erbeten. Den Argumenten des BFH in seinem Urteil v. 17.1.2023, IX R 15/20, sollte hierbei besondere Aufmerksamkeit zukommen. Zu diesem Zweck haben die beiden Verbände Prof. Kirchhof mit der Stellungnahme beauftragt.
In der Stellungnahme S 02/24 kommt Kirchhof zu dem Ergebnis, dass der Solidaritätszuschlag 1995/2021 das Grundgesetz verletzt. Er sei realitäts-, bedarfs- und verfassungsvergessen.
Sonderbedarf des Bundes
In der Stellungnahme weist er u.a. darauf hin, dass der Solidaritätszuschlag als subsidiärer Zuschlag nicht den allgemeinen Haushalt, sondern einen vorübergehenden besonderen Finanzbedarf der öffentlichen Hand finanziere, wobei der rechtfertigende Sonderbedarf beim Bund liegen müsse. Dieser Zuschlag, so Kirchhof weiter, "…ist außer Kraft zu setzen, wenn der Sonderbedarf des Bundes ersichtlich nicht mehr besteht oder eindeutig zu einem dauerhaften Finanzanliegen geworden ist."
Ein wiedervereinigungsbedingter Sonderbedarf des Bundes liege 30 Jahre nach dem Ereignis ersichtlich nicht mehr vor. Zwar könne keine starre und punktgenaue Zeitgrenze gezogen werden, wann ein längerer Sonderbedarf zu einem dauerhaften Posten im Haushalt wird. Vergleichbar ließe sich auch der Zeitpunkt, wann der Tag zur Nacht wird, nicht minutengenau bestimmen. Doch sei auch diese Unterscheidung außerhalb des Morgengrauens und der Dämmerung offensichtlich. "Eine Abgabe, die über ein Vierteljahrhundert erhoben wird, ist allein durch den Zeitablauf zu einem gängigen Finanzinstrument geworden und daher keine Ergänzungsabgabe […] mehr. Der Solidaritätszuschlag befindet sich nunmehr ersichtlich in der verfassungsrechtlichen Finsternis", so Kirchhof metaphorisch.
Ausdrückliche Entscheidung des Parlaments notwendig
Der Bundestag könne zwar eine weitere Ergänzungsabgabe oder auch den Solidaritätszuschlag verfassungsrechtlich neu begründen. Hierfür bedürfe es aber einer ausdrücklichen Entscheidung des Parlaments.
Allein auch aufgrund der Tatsache, dass der Solidaritätszuschlag 1995/2021 nur noch rund 10% der Abgabenpflichtigen belaste, verlasse er den verfassungsrechtlichen Typus der Ergänzungsabgabe und sei nur noch ein "gleichheitswidriger Torso des Ursprungszuschlags".
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