Steuerfreiheit von Zinsvergünstigungen für Arbeitgeber-Wohnbaudarlehen nach § 3 Nr. 58 EStG

Hintergrund: Zinsvergünstigtes Wohnbaudarlehen einer Handwerkskammer
Zu entscheiden war, ob Zinsvergünstigungen aus einem dem Arbeitnehmer (A) und seiner Ehefrau gewährten Arbeitgeber-Wohnbaudarlehen nach § 3 Nr. 58 EStG steuerfrei sind. A war in den Streitjahren 2006 bis 2009 bei einer Handwerkskammer beschäftigt. Die Handwerkskammer hatte ihm (wie auch weiteren Arbeitnehmern) in 1999 ein zinsvergünstigtes Arbeitgeber-Wohnbaudarlehen über 18.000 EUR zur Finanzierung des gemeinschaftlich erworbenen Familienheims gewährt.
Das FA ging davon aus, die Zinszuschüsse seien steuerpflichtiger Arbeitslohn, da das Darlehen nicht aus einem öffentlichen Haushalt gewährt worden sei. Die von A dagegen erhobene Klage wurde vom FG im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Haushalt einer Handwerkskammer stelle keinen öffentlichen Haushalt i.S. von § 3 Nr. 58 EStG dar.
Entscheidung: Die Handwerkskammer führt einen öffentlichen Haushalt
Nach § 3 Nr. 58 EStG sind (u.a.) Zinsvorteile bei Darlehen, die aus öffentlichen Haushalten gewährt werden, für eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung steuerfrei, soweit die Zuschüsse und Zinsvorteile die Vorteile aus einer entsprechenden Förderung mit öffentlichen Mitteln nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG), dem Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) oder einem Landesgesetz zur Wohnraumförderung nicht überschreiten.
Die Handwerkskammer erstellt einen Haushaltsplan
Der BFH widerspricht der Auffassung des FG, der Haushalt der Handwerkskammer stelle keinen öffentlichen Haushalt dar. Denn bei der Handwerkskammer handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die einen öffentlichen Haushalt führt. Die Satzung muss Bestimmungen über die Aufstellung und Genehmigung eines Haushaltsplans enthalten. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung unterliegt der Prüfung durch den Landesrechnungshof. Damit ist die haushaltsmäßige Erfassung der Mittel und die öffentliche Kontrolle ihrer Verwendung gegeben (BFH vom 10.07.1972 - I R 109/70, BStBl II 72, 839). Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Keine Auslegung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz
Dem steht nicht entgegen, dass § 6 II. WoBauG öffentliche Mittel als Mittel des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände definierte. Mit der Einführung des WoFG in 2001 und der entsprechenden Bezugnahme darauf in § 3 Nr. 58 EStG ("oder dem WoFG") sollten Leistungen nach dem WoFG in die Steuerbefreiung einbezogen werden. Die Steuerfreiheit der Zuschüsse und Zinsvorteile nach dem WoFG ergibt sich somit aus der Befreiung von "öffentlichen Zuschüssen" und "Zinsvorteilen". Entgegen der Auffassung des FG kann zur Auslegung von § 3 Nr. 58 EStG nicht mehr ausschließlich auf die Formulierungen des II. WoBauG abgestellt werden.
Die Einkommensgrenzen sind überschritten
Der Steuerbefreiung stehen im Streitfall jedoch die Einkommensgrenzen des WoFG bzw. des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land NRW entgegen. § 3 Nr. 58 EStG bezieht sich nicht lediglich auf die Höhe bestimmter Förderbeträge, sondern spricht allgemein von "Vorteilen" und erfasst damit auch die in den genannten Fördergesetzen festgelegten Einkommensgrenzen. Diese Grenzen sind im Streitfall deutlich überschritten. A erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit jeweils von knapp 50.000 EUR. Demgegenüber beträgt die Grenze für einen Zweipersonenhaushalt 18.000 EUR pro Jahr. Sie erhöht sich für jedes Kind um 500 EUR.
Hinweis: Anfechtung des Haftungsbescheids durch den Arbeitnehmer
Das FA nahm im Anschluss an eine LSt-Außenprüfung die Handwerkskammer mit Haftungs- und Nachforderungsbescheid in Anspruch. Der Haftungsbescheid wurde gegenüber der Handwerkskammer bestandskräftig. Diese beglich die Steuerschuld und kündigte gegenüber A die Rückforderung durch Verrechnung mit dem Gehalt an. Erst dadurch erfuhr A von der Haftungsinanspruchnahme und wandte sich mit Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid.
Der BFH bestätigt die Rechtsprechung, nach der dem Arbeitnehmer gegen den an den Arbeitgeber gerichteten Haftungsbescheid ein eigenes Anfechtungsrecht zusteht (BFH vom 07.12.1084 - VI R 72/82, BStBl II 1985, 170). Da der Haftungsbescheid A nicht bekannt gegeben wurde, konnte er ihn jedenfalls innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO nach Kenntnis anfechten. Zum Teil wird vertreten, der Bescheid könne noch bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung angefochten werden (FG Münster vom 26.02.1997 - 8 K 5883/94 L, EFG 1997, 783).
BFH Urteil vom 03.07.2019 - VI R 37/16 (veröffentlicht am 21.11.2019)
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