Teilnahme der Gemeinde an Außenprüfungen
Hintergrund: Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer Außenprüfung
Das FA erließ gegenüber der Steuerpflichtigen (S) eine Außenprüfungsanordnung u.a. für GewSt. Die Prüfungsanordnung enthielt die Mitteilung, dass die Stadt von ihrem Recht auf Teilnahme an der Außenprüfung (Ap) nach § 21 Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) Gebrauch mache und ihre Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der GewSt geltend mache.
Die Klage gegen die Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten blieb ohne Erfolg. Mit der Revision rügte S, für die Teilnahme eines Gemeindebediensteten bestehe keine Ermächtigungsgrundlage. Jedenfalls könne nur die Gemeinde (nicht das FA) eine Teilnahme anordnen. Außerdem sei aufgrund von Besonderheiten des Streitfalls zum Schutz des Steuergeheimnisses eine Einschränkung des Teilnahmerechts erforderlich. Zudem sei die Prüfungsanordnung auch mangels Begründung der Ermessensentscheidung rechtswidrig.
Entscheidung: Das FA ist befugt, die Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer Ap anzuordnen
Der BFH bestätigt die Rechtmäßigkeit der in der Prüfungsanordnung geregelten Teilnahme eines Gemeindebediensteten. Die Revision der S wurde zurückgewiesen.
Zuständigkeit des FA
Nach § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG sind die Gemeinden hinsichtlich der Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuern), die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, berechtigt, durch Gemeindebedienstete an Ap teilzunehmen, die durch die Landesfinanzbehörden durchgeführt werden. Daraus ergibt sich kein eigenes Prüfungsrecht der Gemeinden. Sie haben nur das Recht, an einer vom FA angeordneten Ap teilzunehmen, soweit die Realsteuern betroffen sind. Das FA (nicht die Gemeinde) ist berechtigt, die Teilnahme zu regeln (BVerwG, Urteil v. 27.1.1995, 8 C 30/92, BVerwGE 97, 357).
Teilnahmeanordnung ist eigenständiger Verwaltungsakt
Da es sich bei der Regelung des Rechts auf Teilnahme an der Ap um einen gegenüber dem Steuerpflichtigen eigenständigen Verwaltungsakt handelt (BFH, Urteil v. 13.2.1990, VIII R 188/85, BStBl II 1990, 582), kann der Steuerpflichtige im Rahmen der Anfechtung alle Einwendungen geltend machen, insbesondere solche, die sich aus über den Rahmen der Befugnis hinausgehenden Pflichten ergeben.
Der Schutz des Steuergeheimnisses ist gewahrt
Der Schutz des Steuergeheimnisses steht einer Teilnahmebefugnis der Gemeinde nicht entgegen. Denn der Gemeindebedienstete unterliegt als Amtsträger dem Steuergeheimnis. Eine Verletzung ist dienstrechtlich und strafrechtlich sanktioniert. Das FA darf dem Bediensteten jedenfalls nur Informationen im Bereich der "Realsteuerrelevanz" geben.
Begründung der Teilnahmeanordnung
Bei einer Teilnahmeregelung genügt zur Begründung typischerweise der Hinweis auf § 21 Abs. 3 FVG. Denn einer Begründung bedarf es nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht, soweit dem Adressaten – wie hier – die Sach- und Rechtslage ohne weiteres erkennbar ist. Im Übrigen handelt es sich bei dem Auskunfts- und Teilnahmerecht der Gemeinde nach § 21 Abs. 3 FVG um eine Kompetenz i.S. einer internen Befugnis der Gemeinde im Verhältnis zur staatlichen Finanzverwaltung, die keiner Darlegung von Ermessenserwägungen gegenüber dem Steuerpflichtigen bedarf. § 5 AO (Ausübung des Ermessens) ist insoweit nicht anwendbar.
Betretungsrecht des Gemeindebediensteten
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) umfasst auch Geschäftsräume, ist insoweit allerdings schwächer ausgeprägt als bei Privaträumen. Rechte zum Betreten von Betriebsräumen verstoßen nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG, wenn sie auf einer besonderen gesetzlichen Grundlage beruhen und das Betreten einem erlaubten Zweck dient und für dessen Erreichung erforderlich ist (BVerfG, Urteil v. 10.4.2008, 1 BvR 848/08, NJW 2008, 2426). § 200 Abs. 3 Satz 2 AO i.V.m. § 21 Abs. 3 FVG stellt eine diesen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage für das Betretungsrecht dar (BFH, Urteil v. 20.10.1988, IV R 104/86, BStBl II 1989, 180).
Kein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit
Das Betretungsrecht ist verhältnismäßig. Es beschränkt sich räumlich auf die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen, zeitlich auf die üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeiten (§ 200 Abs. 3 Satz 1 AO) und inhaltlich auf einen beobachtenden Status. Zudem muss der Steuerpflichtige nur einem namentlich benannten Gemeindebediensteten ein Betretungsrecht im Rahmen dieser Beschränkungen gestatten.
Hinweis: Problem der Befangenheit des Gemeindebediensteten
Aus der Befürchtung heraus, die FÄ könnten GewSt "verschenken", sollen Gemeinden vermehrt dazu übergegangen sein, "Gewerbesteuerprüfer" einzuschalten. Ob im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Steuerpflichtigen berechtigt, den benannten Gemeindebediensteten wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. § 42 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 3 FGO) abzulehnen, weil ein schwerwiegendes und rechtswidriges Fehlverhalten des Amtsträgers vorliegt oder zu befürchten ist, konnte der BFH im Streitfall offen lassen. Im Schrifttum wird bei einem objektiv vorliegenden Grund ein Ablehnungsrecht befürwortet. Nach BFH v. 29.5.2012, IV B 70/11 (BFH/NV 2012, 1412) ist die Entscheidung des Behördenleiters nach § 83 AO über das Gesuch eines Verfahrensbeteiligten auf Ablehnung eines Amtsträgers kein Verwaltungsakt, der mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann.
BFH Urteil vom 23.01.2020 - III R 9/18 (veröffentlicht am 25.06.2020)
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