Überlassung an Angehörige keine von der Erbschaftsteuer befreite Selbstnutzung
Hintergrund: Tochter lässt Mutter in geerbter ETW wohnen
A ist Alleinerbin ihres Vaters (V). Ihre Mutter (M) hatte als testamentarische Erbin die Erbschaft nach V ausgeschlagen. Zum Nachlass gehört u.a. ein hälftiger Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung. V hatte zusammen mit M die Wohnung bis zu seinem Tod selbst bewohnt. Nach dem Tod des V wohnt M weiterhin in der Wohnung. A überlässt M ihren Miteigentumsanteil unentgeltlich zur Nutzung. Sie selbst übernachtet dort gelegentlich und nutzt einen Raum für die Verwaltung des Nachlasses.
Den Antrag der A, für den Erwerb des hälftigen Anteils an der Wohnung die Steuerbefreiung für selbstgenutzte Wohnimmobilien nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zu gewähren, da die unentgeltliche Überlassung an einen nahen Angehörigen eine Selbstnutzung sei, lehnten das FA und ihm folgend das FG ab.
Entscheidung: Überlassung an Angehörige ist keine Selbstnutzung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Eine Wohnung wird von der Steuerbefreiung erfasst, wenn sie beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Danach ist erforderlich, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Der Erwerber muss dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses haben. Eine bloße Widmung oder die subjektive Absicht zur Selbstnutzung genügt nicht. Ebenso wenig ausreichend ist die gelegentliche Mitnutzung der Wohnung zur Übernachtung oder zur Nachlassverwaltung. Dadurch begründete A weder ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung noch bildete sie eine Hausgemeinschaft mit M. Es genügt allerdings, wenn das Kind z.B. als Berufspendler mehrere Wohnsitze hat und das Familienheim seinen Lebensmittelpunkt bildet. Die unentgeltliche Überlassung an Dritte, auch an Angehörige, stellt jedoch keine Selbstnutzung dar. Es fehlt an der unmittelbaren tatsächlichen Selbstnutzung. Nimmt der Erwerber die Selbstnutzung nicht auf, ist die Wohnung kein Familienheim und der Erwerb nicht steuerbefreit.
Zur Ausdehnung der Steuerbefreiung lässt sich nicht § 4 EigZulG heranziehen. Danach ist eine Wohnung auch dann als zu eigenen Wohnzwecken genutzt anzusehen, soweit sie unentgeltlich an einen Angehörigen zu Wohnzwecken überlassen wird. Der Gedanke dieser Regelung ist nicht auf § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG übertragbar. Durch das EigZulG sollte die Vermögensbildung gefördert und die Wohnung als Teil der privaten Altersvorsorge herausgestellt werden. Demgegenüber soll § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG als begrenzte Steuerfreistellung für Kinder neben dem Schutz des familiären Lebensraums auch dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers dienen. Das Familiengebrauchsvermögen soll in bestimmten Grenzen krisenfest erhalten werden.
Hinweis: Keine ausdehnende Gesetzesauslegung
Im Schrifttum wird z.T. eine großzügigere Auffassung vertreten. Dem steht jedoch zum einen die Gesetzesbegründung entgegen. Dort ist ausdrücklich angeführt, dass durch die Regelung ein zu schützendes Familiengebrauchsvermögen entweder bei in Hausgemeinschaft mit den Eltern lebenden Kindern oder bei Kindern anzunehmen ist, die unverzüglich nach dem Erwerb das Familienheim selbst zu Wohnzwecken nutzen. Die nicht ausdrücklich erwähnte Überlassung an Angehörige erfüllt daher nicht den Steuerbefreiungstatbestand. Die eng am Wortlaut orientierte Auslegung ist auch deshalb geboten, weil die Steuerbefreiung ohnehin verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Denn die Vergünstigung für Familienheime kann im Zusammenhang mit anderen Verschonungen zu sachlich nicht gerechtfertigten Steuervorteilen führen (BFH Beschluss vom 27.09.2012 - II R 9/11, BStBl 2012 II S. 899). Die Anwendung der Vorschrift über den Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist daher ausgeschlossen.
BFH Urteil vom 05.10.2016, II R 32/15 (veröffentlicht am 07.12.2016)
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