Zinsen bei Rentennachzahlungen

Von der Deutschen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Rentennachzahlungen gezahlte Zinsen gem. § 44 SGB I unterliegen auch nach Änderung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG durch das AltEinkG der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Hintergrund

Eine Steuerpflichtige bezog im Jahr 2006 von der Deutschen Rentenversicherung Bund Einkünfte aus einer Witwenrente sowie einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Mit Rentenbescheid vom 2.11.2005 wurde die letztgenannte Rente neu festgestellt. Der Steuerpflichtigen wurden im Jahr 2006 für die Zeit vom 1.5.1999 bis 31.12.2005 eine Nachzahlung in Höhe von 10.850,08 EUR netto sowie hierauf entfallende Zinsen nach § 44 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) in Höhe von 1.399,75 EUR ausgezahlt. Zu entscheiden war, ob die Zinsen im Rahmen der Rentenbesteuerung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG oder als Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung zu unterwerfen sind.

Das FA berücksichtigte die Nachzahlung und die Zinsen im Einkommensteuerbescheid 2006 erklärungsgemäß als sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa mit einem Besteuerungsanteil von 50 % (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG). Im Einspruchsverfahren begehrte die Steuerpflichtige die Zuordnung der Zinsen nach § 44 SGB I zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, weil nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags (§ 9a Satz 1 Nr. 2 EStG) und des Sparerfreibetrags (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG) keine steuerpflichtigen Einkünfte verbleiben würden.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, seit der Neufassung durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) gehörten zu den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG neben den Leibrenten auch andere Leistungen", die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden. Der Gesetzeswortlaut erfasse auch die Zinsgutschrift.

Entscheidung

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bezieht Einnahmen aus Kapitalvermögen, wer Entgelt zur Nutzung überlässt; zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt. Auch die vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Auszahlung des Kapitals selbst steuerpflichtig ist.

Unter Anwendung dieser Grundsätze führen Zinsen nach § 44 Abs. 1 SGB I, die für eine verspätet gezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden, zu steuerpflichtigen Einnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind sozialversicherungsrechtliche Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 % zu verzinsen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen mit der Zinszahlung Nachteile ausgeglichen werden, die der Berechtigte, für den die sozialen Geldleistungen regelmäßig die Lebensgrundlage bilden, durch die verspätete Zahlung der Sozialleistungen erleidet. Die Zinsen werden insoweit für das unberechtigte Vorenthalten der Rentenbezüge und zum Ausgleich der mit der verspäteten Zahlung verbundenen Nachteile geleistet. Wirtschaftlich betrachtet sind die Zinsen damit auch Entgelt für die verspätete Zahlung, d.h. die Vorenthaltung von Kapital, und unterliegen deshalb der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Hinweis

Der BFH stellt klar, dass Zinsen nach § 44 SGB I keine "anderen Leistungen" i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG darstellen. Die dem entgegenstehende Auffassung der Finanzverwaltung lehnt der BFH ausdrücklich ab. Zwar wurde der Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG dahingehend geändert, dass neben "Leibrenten" auch "andere Leistungen", die aus gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden, zu den in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Einkünften gehören.

Aus der Systematik des § 22 Nr. 1 EStG folgt jedoch, dass Zinsen, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, nicht als "andere Leistungen" steuerpflichtig sein können, da § 22 Nr. 1 EStG subsidiär zu anderen Einkunftsarten ist. Nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte "Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören". Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören jedoch zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

Die Umgestaltung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG erfordert nicht, Zinsen, die wegen verspäteter Auszahlung einer Rente vom Rententräger geschuldet werden, nunmehr als sonstige Einkünfte zu behandeln. Sie sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen.