Steuerpflicht des Verkaufs einer selbstgenutzten Wohnung
Hintergrund: Kurzzeitige Vermietung vor der Veräußerung einer mehrjährig eigengenutzten Wohnung
A erwarb in 2006 eine Eigentumswohnung für 87.000 EUR, die er bis zu seinem Auszug im April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Anschließend vermietete er die Wohnung von Mai bis Dezember 2014. Im Dezember 2014 veräußerte er sie für 130.000 EUR.
Das FA ermittelte aus der Veräußerung einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. A habe den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt. Denn er habe die Wohnung im Jahr der Veräußerung (2014) bis einschließlich April und in den beiden vorangegangenen Jahren durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Vermietung ab Mai 2014 sei unschädlich. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alt. EStG verlange nicht, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen habe.
Mit der Revision vertrat das FA die Auffassung, die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alt. EStG greife nicht, da unmittelbar vor der Veräußerung der Wohnung im Dezember 2014 weder eine Eigennutzung durch A noch ein Eigennutzungsäquivalent (Leerstand) vorgelegen habe.
Entscheidung: Die "Zwischenvermietung" ist unschädlich
Private Veräußerungsgewinne aus Grundstücksgeschäften, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, sind steuerlich zu erfassen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Ausgenommen davon sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter,
- die im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (1. Alternative) oder
- die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (2. Alternative).
Keine ganzjährige Wohnnutzung im ersten und dritten Jahr erforderlich
Wegen der fehlenden Eigennutzung (Vermietung) von Mai bis Dezember 2014 greift die Ausnahmeregelung der 1. Alt. nicht ein. Die 2. Alt. setzt voraus, dass die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung muss jedoch nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben. Es genügt vielmehr ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt. Dabei muss die Wohnnutzung die drei Jahre – mit Ausnahme des "mittleren Kalenderjahrs" (erstes Jahr vor der Veräußerung) – nicht voll auszufüllen (BFH Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16, BStBl II 2017, 1192).
Eintägige Wohnnutzung im ersten und dritten Jahr genügt
Das bedeutet: Ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift ist eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen. Dabei muss sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr (hier 2013) erstrecken. Im zweiten Jahr vor der Veräußerung (2012) und im Veräußerungsjahr (2014) braucht die Wohnnutzung dagegen nur jeweils einen Tag zu umfassen. Dementsprechend hat der BFH das FG-Urteil bestätigt. Eine "Zwischenvermietung" vor der Veräußerung ist für die Ausnahmevorschrift (Alt. 2 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) unschädlich, wenn die Wohnung – zusammenhängend – im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend und im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
Die Nutzungsvoraussetzungen sind im Streitfall erfüllt
A hat seine Eigentumswohnung zwar innerhalb der Zehnjahresfrist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) angeschafft und wieder veräußert. Das Veräußerungsgeschäft ist jedoch nicht steuerbar, da die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alt. EStG eingreift: A hat die Wohnung in 2012 (ganzjährig) und 2013 (ebenfalls ganzjährig) sowie in 2014 (Januar bis April) durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Nutzung erstreckt sich somit über drei Kalenderjahre. Die "Zwischenvermietung" von Mai 2014 bis Dezember 2014 ist für die Anwendung der Ausnahmevorschrift unschädlich. Die Revision des FA wurde daher zurückgewiesen.
Hinweis: Förderung der Mobilität
Die Ausnahmeregelung dient der Förderung der Mobilität beim Wechsel des Arbeitsplatzes. Eine kurzfristige Zwischenvermietung bis zur Veräußerung ist danach unschädlich. Derjenige, der am neuen Wohnort die Kosten der dort gelegenen Wohnung zu tragen hat, kann durch Zwischenvermietung der bisherigen Wohnung bis zu deren Veräußerung seine Kosten minimieren.
Der BFH bestätigt damit das Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16 (BStBl II 2017, 1192) sowie die diesem Urteil folgende Verwaltungsanweisung (BMF, Schreiben v. 5.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rn. 25). Bereits in diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass die Wohnnutzung im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben muss, sondern dass ein zusammenhängender Zeitraum der Wohnnutzung über drei Kalenderjahre, die – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs – nicht voll ausgefüllt sein müssen, genügt.
Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt. Sie war bereits seit dem 07.11.2019 als NV-Entscheidung abrufbar.
BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 10/19 (veröffentlicht am 26.03.2020)
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