Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheit als Verfahrensmangel; Übergehen eines Beweisantrages; rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. Die Befangenheit eines erstinstanzlich tätigen Richters kann nicht erst mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden.
2. Zur Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen.
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn ein zwar nicht geladener, aber zur mündlichen Verhandlung erschienener Kläger Gelegenheit hatte, sich zu allen streitrelevanten Fragen zu äußern.
Normenkette
FGO §§ 51, 82, 93, 115 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 42 ff.
Gründe
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
Die Beschwerdeschrift erfüllt nicht die Anforderungen, die §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde stellt. Nach dieser Vorschrift muß bei einer auf einen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde in der Beschwerdeschrift der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Hierzu sind die Tatsachen einzeln, genau und bestimmt anzuführen, die den Mangel schlüssig ergeben. Weiter ist darzutun, daß das finanzgerichtliche Verfahren auf diesen Mängeln beruht, d. h. aufzuzeigen, daß das Finanzgericht (FG) ohne den Verfahrensmangel anders entschieden hätte. Hierbei ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen gerügten Verfahrensmängel nicht schlüssig dargelegt. Zwar sind Verfahrensmängel i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrens (BFH-Beschluß vom 4. Juni 1997 VIII B 66/96, BFH/NV 1997, 793). Die Befangenheit eines am angefochtenen Urteil beteiligten Richters kann aber nicht erstmals mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Vielmehr ist die Frage, ob ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit (§51 FGO i. V. m. §42 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) am Verfahren nicht mitwirken kann, grundsätzlich in dem dafür vorgesehenen selbständigen Zwischenverfahren zu klären (BFH-Beschluß vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498). Deshalb kann und darf auch der BFH nicht prüfen, ob ein Richter befangen ist, wenn der Beteiligte gegen die Ablehnung des Ablehnungsgesuches nicht die dafür vorgesehene Beschwerde erhebt (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217 unter C II. 3. a). Abgesehen davon, daß ein Richter gemäß §51 FGO i. V. m. §43 ZPO nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn sich der Beteiligte in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, kann die Besorgnis der Befangenheit nur bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden (BFH-Beschluß vom 1. Oktober 1990 X B 119/90, BFH/NV 1991, 331, m. w. N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, §51 FGO Tz. 10; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §51 Anm. 32). Zweck des §43 ZPO ist es nämlich, den möglicherweise zur Ablehnung Berechtigten zu zwingen, sich sofort nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes zu entscheiden, ob er sich darauf berufen will oder nicht. Es kann nicht in der Schwebe bleiben, ob ein Richter am Verfahren mitwirken darf oder nicht (BFH-Beschluß vom 21. Juli 1993 IX B 50/93, BFH/NV 1994, 50; Senatsurteil vom 4. April 1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801).
Auch die Beanstandung, das FG habe die beabsichtigte kriminaltechnische Untersuchung des Original-Gesellschaftsvertrages unterlassen und daher nicht festgestellt, daß dieser tatsächlich am angegebenen Datum abgeschlossen worden sei, ist kein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel. Denn das FG hat es ausdrücklich offengelassen, ob der Vertrag rückdatiert sei und seine Entscheidung darauf gestützt, daß dieser nicht durchgeführt worden sei. Damit war der behauptete Verfahrensfehler nicht ursächlich für die getroffene Entscheidung.
Soweit mit der Beschwerde gerügt wird, das FG habe es unterlassen, den Zeugen X zu vernehmen, ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargetan. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise setzt nämlich voraus, daß der Beschwerdeführer darlegt:
1. die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,
2. die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,
3. die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokolle), in denen die Beweisthemen angeführt worden sind,
4. das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,
5. inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und
6. daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (BFH- Beschluß vom 20. März 1997 IX B 182/95, BFH/NV 1997, 777, m. w. N.).
Zu allen Punkten ist das Vorbringen der Kläger unzureichend. Sie haben weder genau angegeben, zu welchem Beweisthema der Zeuge hätte aussagen sollen noch was er bei Durchführung einer Vernehmung ausgesagt hätte. Daß sie das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätten, ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung. Sie übersehen außerdem, daß das FG seine Entscheidung auf den Hinweis gestützt hat, durch die Einvernahme von Zeugen würde die Erledigung des Verfahrens verzögert und es sei wegen der Fristsetzung gemäß §79 b Abs. 3 FGO zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet.
Auch mit ihrem Vorbringen, der zwar nicht geladene, aber zur mündlichen Verhandlung erschienene Kläger zu 2 sei nicht gehört worden, haben die Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§96 Abs. 2 FGO) nicht ordnungsgemäß gerügt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 30. Oktober 1997 III B 79/95, BFH/NV 1998, 598). Da der fachkundig beratene Kläger zu 2 in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit hatte, sich zu allen streitrelevanten Fragen zu äußern, ist ein Verfahrensmangel schon aus diesem Grund nicht dargetan. Zwar machen die Kläger geltend, der Vorsitzende Richter sei voreingenommen gewesen. Sie behaupten indes nicht, er habe den Kläger zu 2 nicht zu Wort kommen lassen.
Schließlich können die Kläger in diesem Verfahren nicht mit dem Hinweis durchdringen, das FG-Urteil stütze sich lediglich auf Formalien. Auch sei eine nur mündlich vereinbarte Gesellschaft möglich. Denn ein damit zusammenhängender Mangel beträfe das materielle Recht und ist kein Zulassungsgrund i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Ob das FG bei der Würdigung des festgestelten Sachverhalts auf "Formalien" abstellen durfte oder nicht, ist gleichfalls eine Frage des materiellen Rechts (vgl. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671; Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 28).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 302870 |
BFH/NV 1999, 57 |