Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; grundsätzliche Bedeutung; Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
1. Ein FG-Urteil weicht nicht von einem tragenden Rechtssatz in einer BFH-Entscheidung ab, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, daß der Rechtsstreit mangels nicht festgestellter Tatsachen eine bestimmte Rechtsfrage betreffend an das FG zurückverwiesen wurde, die bestimmte Rechtsfrage mithin gerade offengelassen wurde.
2. Eine vom Beschwerdeführer entwickelte Fallgruppeneinteilung und die alternative Zuordnung des Streitfalls zu diesen Fallgruppen unter bloßem -- zudem unzutreffenden -- Hinweis auf fehlende Rechtsprechung und Literatur zur maßgeblichen Rechtsfrage reichen für eine schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht aus.
3. Hat der Kläger ausweislich der Niederschrift über einen Erörterungstermin auf mündliche Verhandlung und das Stellen weiterer Beweisanträge verzichtet, kann er die unterlassene Durchführung der mündlichen Verhandlung und das Übergehen von Beweisanträgen (als verzichtbare Verfahrensmängel i. S. des § 155 FGO i. V. m. § 295 ZPO) nicht mehr mit Erfolg geltend machen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Die behauptete Divergenz des Urteils des Finanzgerichts (FG) zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Mai 1988 III R 151/86 (BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269) liegt nicht vor. Denn der das FG-Urteil tragende allgemeine Rechtssatz, daß bei bewußter Zahlung eines überhöhten Kaufpreises für ein Grundstück keine Teilwertabschreibung in Betracht komme, weicht nicht von einem -- ebenfalls tragenden -- Rechtssatz in der BFH-Entscheidung ab. Aus den Gründen der BFH-Entscheidung ergibt sich, daß es gerade -- mangels schlüssiger Darlegung -- keiner Prüfung bedurfte, "ob die Zahlung eines Überpreises aufgrund einer Zwangslage die Annahme einer Fehlmaßnahme rechtfertigt". Die Zurückverweisung der Sache im BFH-Fall basiert -- wie sich den Gründen unter 2. und 3. entnehmen läßt -- auf vom FG nicht festgestellten Tatsachen zur gewinnmindernden Auswirkung von Herstellungskosten. Die BFH-Entscheidung beruht mithin nicht auf der gerade offengelassenen Rechtsfrage.
b) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung auch bei bewußter Fehlmaßnahme ist nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn an ihrer Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortbildung und/oder Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und (im Streitfall) klärbar sein. Diese Voraussetzungen müssen schlüssig und substantiiert dargelegt werden (BFH-Beschlüsse vom 21. September 1993 V B 37/93, BFH/NV 1995, 395; vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141; vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226, und vom 15. Dezember 1995 X B 75/95, BFH/NV 1996, 429). Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage sind unter Hinweis auf die zu dem betreffenden Problemkreis bereits vorliegende Rechtsprechung und Literatur Ausführungen dazu erforderlich, daß, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage umstritten und vom BFH noch nicht (abschließend) geklärt ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 141; vom 29. November 1995 VIII B 70/95, BFH/NV 1996, 421, und vom 6. Dezember 1995 II B 87/95, BFH/NV 1996, 555; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 130; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 153), und zwar in der Weise, die eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrundes erkennen läßt (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Rz. 123).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Durch die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entwickelte Fallgruppeneinteilung zu Fehlmaßnahmen und die alternative Zuordnung des Streitfalles zu diesen Fallgruppen wird die Klärungsbedürftigkeit der für bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage nicht dargetan. Allein aus dem bloßen -- zudem unzutreffenden -- Hinweis auf fehlende Rechtsprechung und Literatur läßt sich die für eine grundsätzliche Bedeutung erforderliche Klärungsbedürftigkeit nicht ableiten.
Ebenso fehlen schlüssige und substantiierte Angaben dazu, daß die für grundsätzlich bedeutsame gehaltene Rechtsfrage (im Streitfall voraussichtlich auch) klärbar ist. Nach dem Sachvortrag des Klägers -- gestützt auf die angebotenen Zeugenbeweise -- hatte dieser zum Zeitpunkt des Erwerbs der Grundstücke lediglich "berechtigte Hoffnungen, daß der unzweifelhaft vorhandene Nachteil (der Nichtbebaubarkeit) in absehbarer Zeit wegfallen" und sich als Vorteil herausstellen würde. Damit aber wird letztlich nur eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung bzw. fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG gerügt, jedoch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargetan (BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 1995 II B 76/94, BFH/NV 1995, 811; vom 10. März 1995 VIII B 98/94, BFH/NV 1995, 992; vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617).
c) Die geltend gemachten Verfahrensmängel (Überraschungsentscheidung mit Verstoß gegen § 96 Abs. 2 bzw. § 93 Abs. 1 FGO, Übergehen entscheidungserheblicher Beweisanträge) greifen nicht durch. Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozeßbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i. V. m. § 295 der Zivilprozeßordnung). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehören auch die unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung -- mit der gebotenen Erörterung der Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Sicht -- (arg.e. § 90 Abs. 2 FGO) und das Übergehen von Beweisanträgen (BFH-Beschluß vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 9. November 1995 haben aber die Beteiligten, insbesondere auch der Kläger, auf mündliche Verhandlung verzichtet und weitere Beweisanträge nicht gestellt; damit hat der Kläger sein diesbezügliches Rügerecht verloren.
Zudem ist aufgrund der den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) und den nur allgemeinen Ausführungen des Klägers nicht ersichtlich, daß sich der berichterstattende Richter beim FG und damit zwingend auch der erkennende FG-Senat auf eine bestimmte Rechtsauffassung zur Beurteilung der Fehlmaßnahme im Streitfall festgelegt hätten und daß der Kläger angesichts der Besetzung der FG-Senate mit fünf Personen (drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern; vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 FGO) mit der Möglichkeit, daß der erkennende FG-Senat eine andere Rechtsauffassung vertritt als der bericht erstattende Richter, nicht hätte rechnen können. Zudem fehlt jeglicher Hinweis auf die Entscheidungserheblichkeit der übergangenen Beweisanträge, also darauf, daß das angefochtene Urteil -- auf der Basis des (richtigen oder falschen) Rechtsstandpunkts des FG -- ohne den (behaupteten) Verfahrensverstoß hätte anders ausfallen können (vgl. BFH-Beschluß vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 34). So geht auch das FG davon aus, daß die Grundstücke im Zeitpunkt des Erwerbs eine Bebauung nicht zuließen.
Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 421839 |
BFH/NV 1997, 414 |