Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Bevollmächtigten wegen Widerrufs der Bestellung als Steuerberater; Zurückweisung eines Belastingadviseurs/Belastingconsulenten als Prozessbevollmächtigter: Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Berufsfreiheit
Leitsatz (NV)
- Gegen eine Entscheidung des FG, mit der ein Bevollmächtigter gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen wird, steht nicht nur dem zurückgewiesenen Bevollmächtigten, sondern auch den Beteiligten das Beschwerderecht zu.
- Der Vertretungszwang nach § 62a FGO gilt auch für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Bevollmächtigten.
- Ein gegen die Zurückweisungsentscheidung des FG anhängig gemachtes Wiederaufnahmeverfahren ändert nichts an der Rechtskraft dieser Entscheidungen und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids.
- Ein wegen Widerrufs der Bestellung zum Steuerberater zurückgewiesener Beschwerdeführer ist auch nicht in seiner Eigenschaft als in den Niederlanden oder Belgien zugelassener Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent befugt, vor dem BFH aufzutreten.
- Die Zurückweisung eines Belastingadviseurs bzw. Belastingconsulenten verstößt weder gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit noch gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit.
Normenkette
EG Art. 40, 47; StBerG § 3 Nrn. 1, 4; FGO § 62 Abs. 2, § 62a
Verfahrensgang
FG Köln (Beschluss vom 04.12.2002; Aktenzeichen 11 K 6789/00) |
FG Köln (Beschluss vom 20.09.2002; Aktenzeichen 11 K 935/00) |
FG Köln (Beschluss vom 20.09.2002; Aktenzeichen 11 K 7503/00) |
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Beschwerdeführer und Kläger zu 2 (Kläger) haben den Beschwerdeführer zu 1 (Beschwerdeführer) zu ihrer Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) bevollmächtigt, als er noch zugelassener Steuerberater war. Nachdem die Bestellung des Beschwerdeführers zum Steuerberater wirksam widerrufen worden war, wies das FG den Beschwerdeführer mit den angefochtenen Beschlüssen als Bevollmächtigten zurück, weil er nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach niederländischem und belgischem Recht als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent zugelassen sei, denn auch nach der ab 1. Juli 2000 geltenden Fassung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) berechtige diese Zulassung nur zur Teilnahme an einer Eignungsprüfung, nicht aber unmittelbar zur Hilfeleistung in Steuersachen in Deutschland. Der Beschwerdeführer habe zwar gegen die den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater bestätigenden Entscheidungen des FG und des Bundesfinanzhofs ―BFH― (BFH-Beschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499) Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet; bis zum Abschluss dieser Verfahren ändere sich jedoch weder etwas an der Rechtskraft des BFH-Beschlusses noch an der Unanfechtbarkeit der Widerrufsverfügung. Schließlich seien auch die angekündigte Verfassungsbeschwerde und Klage zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nicht entscheidungserheblich, weil es sich dabei um außerordentliche Rechtsmittel handele. Über die anhängigen Klagen ist noch nicht entschieden.
Gegen die Zurückweisungsbeschlüsse wenden sich sowohl der Beschwerdeführer als auch die Kläger mit ihren Beschwerden. Auf deren vom Beschwerdeführer und der Rechtsanwältin S unterzeichnete Schriftsätze vom … September 2002 (in den Verfahren IV B 227/02 und IV B 228/02) und vom … Dezember 2002 (in den Verfahren IV B 227, 228/02 und IV B 14/03) sowie auf die nur von der Rechtsanwältin S unterzeichneten Schriftsätze vom … Januar 2003 (in den Verfahren IV B 227, 228/02) und vom … Februar 2003 (im Verfahren IV B 14/03) zur Begründung der Beschwerden wird Bezug genommen. In den Schriftsätzen vom … September 2002 und vom … Dezember 2002 betreffend das Verfahren IV B 14/03 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er kraft seiner Vollmacht für die Kläger den für ihn auftretenden Rechtsanwälten Untervollmacht erteilt und er für sich selbst ebenfalls die betreffenden Rechtsanwälte bevollmächtigt habe.
Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) hält die Beschwerden für unzulässig, weil es an deren ordnungsgemäßer Erhebung fehle. Im Übrigen folgt das FA der Auffassung des FG, dass der Beschwerdeführer im Inland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei.
Entscheidungsgründe
II. Die in entsprechender Anwendung des § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden gegen die Beschlüsse des FG in den Verfahren 11 K 7503/00 und 11 K 935/00 sowie 11 K 6789/00 sind jedenfalls unbegründet (§ 132 FGO).
1. Die gegen die angefochtenen Entscheidungen des FG erhobenen Beschwerden sind statthaft (§ 128 Abs. 1 FGO); denn die Beschwerdebefugnis steht nicht nur dem zurückgewiesenen Bevollmächtigten, sondern auch den Klägern des jeweiligen Ausgangsverfahrens zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 1998 IX B 122/96, BFH/NV 1998, 998, und vom 16. September 1986 IX B 39/86, BFH/NV 1987, 83, sowie vom 3. Februar 2000 V B 167/99, V B 168/99, BFH/NV 2000, 874; vom Bundesverfassungsgericht ―BVerfG― wurde die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen; Beschluss vom 26. Juni 2000 1 BvR 832/00).
Allerdings gilt der Vertretungszwang nach § 62a FGO auch für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Bevollmächtigten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 1989 X B 111/89, BFH/NV 1990, 447, und vom 21. August 2001 IV B 141/01, BFH/NV 2002, 53). Soweit der Beschwerdeführer daher für sich selbst und für die Kläger vor dem BFH persönlich aufgetreten ist, fehlt es ihm an der Postulationsfähigkeit. Nach Auffassung des FA erfüllt aber auch die für den Beschwerdeführer und die Kläger aufgetretene Rechtsanwältin S das Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung nicht, weil es an einer wirksamen Bevollmächtigung durch den Beschwerdeführer selbst fehle, wenn die von ihm beauftragte Rechtsanwältin lediglich einen vorbereiteten Schriftsatz unterzeichne. Zweifeln an der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwältin braucht der Senat indessen nicht weiter nachzugehen, da die Beschwerden jedenfalls unbegründet sind.
2. Das FG hat den Beschwerdeführer mit Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. BFH-Beschluss vom 10. September 1999 XI R 31/98, BFH/NV 2000, 326).
a) Der Beschwerdeführer war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufsbescheid ist bestandskräftig, weil die gegen den Bescheid gerichtete Klage durch Urteil des FG abgewiesen und das Urteil durch Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 rechtskräftig geworden ist.
b) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ändern etwaige vom Beschwerdeführer gegen den genannten BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1499 und das diesem Beschluss vorausgegangene Urteil des FG Köln anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) nichts an der Rechtskraft dieser Entscheidungen und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids. Denn trotz des rechtsmittelähnlichen Charakters der Wiederaufnahmeklage ist sie doch kein wirkliches Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft der beanstandeten Entscheidungen suspendieren würde (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Vor § 578 Rn. 1). Solange die Wiederaufnahmeklage daher keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499, und damit der Bestandskraft des Widerrufsbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).
c) Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung die vom Beschwerdeführer gegen die genannten, den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater bestätigenden Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte. Denn diese ist vom BVerfG durch Beschluss vom 4. Dezember 2002 1 BvR 2046/02 nicht zur Entscheidung angenommen worden.
d) Zutreffend hat das FG auch eine Befugnis des Beschwerdeführers verneint, in den anhängigen Verfahren als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent aufzutreten. Der VII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02 (BStBl II 2003, 422) gegenüber dem Beschwerdeführer entschieden, dass ein Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent, der in den Niederlanden bzw. Belgien ein Büro hat, aber in Deutschland dauerhaft ansässig ist, in Deutschland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist und deshalb auch nicht im finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter tätig werden darf (vgl. auch BFH-Beschluss vom 20. Oktober 1999 V B 154/99, BFH/NV 2000, 577).
Wie der BFH weiter entschieden hat, bezieht sich die durch Art. 1 Nr. 2 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom 24. Juni 2000 (BGBl I 2000, 874) in das StBerG aufgenommene Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen (§ 3 Nr. 4 StBerG) nur auf die Fälle grenzüberschreitender Hilfeleistungen in Steuersachen (gl.A. Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. Dezember 2000 6 K 423/99, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 869); § 3 Nr. 4 StBerG dient so der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben aus Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 2002 Nr. C 325/1). Eine solche grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen hat der Beschwerdeführer im Streitfall aber nicht erbracht. Der beschließende Senat schließt sich deshalb der Auffassung des VII. Senats des BFH im Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02 und des Niedersächsischen FG in EFG 2001, 869 in vollem Umfang an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe dieser Entscheidungen.
e) Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auch auf eine dem EG-Vertrag widersprechende diskriminierende Behandlung der europäischen Steuerberater gegenüber den europäischen Rechtsanwälten, deren Berufsausübung in einem anderen Mitgliedstaat durch die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABlEG 1998 Nr. L 77/36) im einzelnen geregelt ist. Aus dieser auf der Grundlage von Art. 49 und Art. 57 EGV a.F. (jetzt: Art. 40 und Art. 47 EG) ergangenen Richtlinie folgt jedoch noch kein Anspruch der steuerberatenden Berufe in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten auf eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften. Denn zum einen sind die steuerberatenden Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten ―wenn überhaupt― so unterschiedlich geregelt, dass es nur schwer möglich sein dürfte, sie generell in ihrer beruflichen Qualität mit Rechtsanwälten zu vergleichen; zum anderen aber lässt sich eine für einen bestimmten Berufsstand und dessen Besonderheiten getroffene Regelung nicht ohne weiteres auf einen anderen übertragen. Wollte man auch insoweit gemeinschaftsrechtlich einheitliche Niederlassungsvoraussetzungen schaffen, so wäre ebenso wie für Rechtsanwälte eine besondere Richtlinie der EG i.S. von Art. 47 Abs. 2 EG erforderlich (BFH-Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02). Im Übrigen können auch dem Rechtsanwalt, der seinen Beruf auf der Grundlage der Richtlinie 98/5/EG in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, als dem, in dem er seine Qualifikation erworben hat, unter Umständen Beschränkungen auferlegt werden, denen der inländische Berufsträger nicht unterliegt, ohne dass darin eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht läge (Entscheidung des EuGH vom 7. November 2000 Rs. C-168/98, EuGHE I 2000, 9131 zu Rn. 20, 23 bis 25).
f) Schließlich vermag der Senat dem Beschwerdeführer auch nicht in der Beurteilung des Widerrufstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als einer gemeinschaftswidrigen Diskriminierung deutscher Steuerberater zu folgen. Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Diese im Allgemeininteresse der Bundesrepublik Deutschland gebotene Regelung verstößt weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69) noch gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit.
Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege, einem wichtigen Gemeinschaftsgut (BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173, 179). Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Interessen der Steuerpflichtigen. Deren Interesse werden aber durch zerrüttete Vermögensverhältnisse des Steuerberaters potentiell gefährdet, weil die Gefahr besteht, dass der Steuerberater das Vertrauen seiner Auftraggeber missbraucht oder deren Interessen sonst durch den bestehenden oder vermuteten Vermögensverfall beeinträchtigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1978 VII R 98/77, BFHE 126, 384, BStBl II 1979, 170, und vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740). Gegenüber dem Allgemeininteresse, diese Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu vermeiden, muss das Interesse des betroffenen Steuerberaters an der Fortführung seines Berufs zurücktreten. Dabei ist die Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar, denn die Ordnung seiner Vermögensverhältnisse liegt allein im Verantwortungsbereich des Steuerberaters und kann von ihm so gestaltet werden, dass sie mit den Anforderungen, die sein beruflicher Status an ihn stellt, übereinstimmt (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 69).
g) Nach alledem sieht der beschließende Senat in den vom Beschwerdeführer beanstandeten Regelungen des StBerG keine unzulässige Beschränkung der durch Art. 43 ff. EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit und der durch Art. 49 ff. EG gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit. Er hat insoweit auch keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415). Im Streitfall ist daher, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, auch ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG nicht erforderlich.
3. Die Beschwerde der Kläger gegen die Zurückweisung ihres Prozessbevollmächtigten ist aus den gleichen Gründen unbegründet wie die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers.
Fundstellen