Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektverbrauch aufgrund zu Unrecht gewährter erhöhter Absetzungen
Leitsatz (NV)
1. Ojektverbrauch nach § 7b Abs. 5 EStG tritt auch dann ein, wenn erhöhte Absetzungen in der Vergangenheit ohne einen entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen gewährt wurden und die Steuervergünstigung sich auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat, ohne wieder rückgängig gemacht werden zu können.
2. Hätte sich der Steuerpflichtige damals keine erhöhten Absetzungen gewähren lassen wollen, um sich die Steuervergünstigung für ein späteres Objekt vorzubehalten, so hätte er die Steuerfestsetzung anfechten müssen.
3. Auch eine zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigte unzutreffende Besteuerungsgrundlage kann ausnahmsweise zu einer Beschwer führen, wenn die zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkt, daß der Vorteil in späteren Jahren in einen noch größeren Nachteil - etwa in Gestalt des Objektverbrauchs - umschlagen kann.
Normenkette
EStG § 7b Abs. 5; AO 1977 § 350
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) im Jahre 1974 und in den Folgejahren erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für eine Ferieneigentumswohnung, ohne daß der Kläger dies beantragt hatte. Die Einkommensteuerbescheide sind bestandskräftig. Die Kläger erwarben im Jahre 1975 ein Einfamilienhaus, für das sie antragsgemäß während des achtjährigen Begünstigungszeitraums erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG erhielten.
Die Kläger errichteten im Streitjahr 1986 ein zweites Einfamilienhaus, für das sie vergeblich erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG geltend machten. Das FA lehnte die Steuervergünstigung wegen Objektverbrauchs ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Nach seiner Auffassung ist durch die Gewährung von erhöhten Absetzungen für die Ferieneigentumswohnung kein Objektverbrauch eingetreten, weil der Kläger hierfür keine erhöhten Absetzungen geltend gemacht hatte.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 7b Abs. 5 EStG.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 19. April 1990 und am 18. November 1993 Änderungsbescheide für das Streitjahr erlassen. Die Kläger haben hierauf jeweils beantragt, die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat die Kläger rechtsfehlerhaft für berechtigt erachtet, erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für ihr im Streitjahr errichtetes Einfamilienhaus geltend zu machen. Dem steht - wie das FA zutreffend angenommen hat - Objektverbrauch nach § 7 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG entgegen.
1. Nach § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger erhöhte Absetzungen gemäß den Absätzen 1 und 2 nur für ein Einfamilienhaus oder für ein Zweifamilienhaus oder für eine Eigentumswohnung oder für den Ausbau oder die Erweiterung eines Einfamilienhauses, eines Zweifamilienhauses oder einer Eigentumswohnung in Anspruch nehmen. Eheleute, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können erhöhte Absetzungen nach den Absätzen 1 und 2 für insgesamt zwei der in Satz 1 bezeichneten Gebäude, Eigentumswohnungen, Ausbauten oder Erweiterungen in Anspruch nehmen.
Die Kläger hatten sich schon vor dem strittigen, im Jahre 1986 errichteten Einfamilienhaus erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für zwei Objekte gewähren lassen: Der Kläger hatte dies für die im Jahre 1974 erworbene Ferieneigentumswohnung getan, sodann die beiden Kläger gemeinsam für das im Jahre 1975 angeschaffte Einfamilienhaus. Damit war für sie Objektverbrauch eingetreten; darüber hinaus können sie kein weiteres Objekt mehr erhöht abschreiben.
2. Die Kläger vermögen hiergegen nicht einzuwenden, das FA habe dem Kläger für die im Jahre 1974 erworbene Ferieneigentumswohnung erhöhte Absetzungen gewährt, ohne daß er dies beantragt hatte. Objektverbrauch tritt auch dann ein, wenn die erhöhten Absetzungen in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt wurden und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Entgegen der Auffassung des FG ist allein das Ergebnis maßgeblich, daß eine Steuervergünstigung nach § 7b EStG vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommen worden war, die sich auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Oktober 1989 IX R 184/85, BFH/NV 1990, 287; Beschluß vom 5. April 1990 IX B 201/89, BFH/NV 1990, 766; Urteile vom 5. Juni 1991 XI R 11/90, BFH/NV 1991, 742; vom 8. Dezember 1992 IX R 137/88, BFH/NV 1993, 361). Wenn der Kläger sich die erhöhten Absetzungen nicht schon für die Ferieneigentumswohnung, sondern erst für ein späteres Objekt hätte gewähren lassen wollen, so hätte er die damaligen Steuerfestsetzungen, in denen das FA erhöhte Absetzungen trotz Fehlens eines entsprechenden Antrags angesetzt hatte, mit dem Einspruch anfechten müssen. Das FA hat den Kläger in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 1974 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG berücksichtigt hat.
Die nicht beantragte Gewährung erhöhter Absetzungen vermag eine Beschwer i.S. von § 350 der Abgabenordnung (AO 1977) als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Einspruch zu begründen. Denn auch eine zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigte unzutreffende Besteuerungsgrundlage kann ausnahmsweise zu einer Rechtsverletzung führen, wenn die zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkt, daß der Vorteil in späteren Jahren in einen noch größeren Nachteil - hier in Gestalt des Objektverbrauchs - umschlagen kann (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Tz. 12).
Fundstellen
Haufe-Index 65097 |
BFH/NV 1994, 785 |