Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff ,,Transaktionswert" i. S. des Art. 3 ZWVO 1980
Leitsatz (NV)
1. Für die Bestimmung des Transaktionswertes ist ohne Bedeutung, ob die Zahlungen des Käufers an den Verkäufer in einem oder in mehreren Beträgen aufgrund einer oder mehrerer Rechnungen erfolgen. Maßgebend ist allein, ob es sich nach den Bedingungen des Kaufgeschäfts um Leistungen an den Verkäufer für die eingeführten Waren handelt.
2. Im Rahmen der Zollwertermittlung nach der ZWVO 1980 stellt sich nicht die Frage nach dem wirklichen Wert der eingeführten Waren oder nach dem Normalpreis. Maßgebend ist allein der vollständige, tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, auch wenn dieser den üblichen Wettbewerbspreis übersteigen oder unterschreiten sollte.
Normenkette
ZWVO Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 8
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in der Zeit vom 11. November 1980 bis 11. September 1981 14 Partien gefrorene Kiwi-Früchte (Püree bzw. Würfel) aus Neuseeland zum freien Verkehr abfertigen. In den Kontrakten vom 6. Juni 1979 und vom 29. Mai 1980 war ein bestimmter US-Dollar-Preis pro kg c & f Hamburg und Verschiffung bis spätestens 28. Februar 1980 (bzw. 15. Dezember 1980) vereinbart worden, mit dem Recht des Käufers, die gesamte Kontraktmenge oder Teilmengen zur früheren Verschiffung, ab Juni/Juli 1979 (bzw. ab Juni/Juli 1980), abzurufen. Für den Fall, daß der Käufer Verschiffungen nach September 1979 (bzw. August 1980) wünscht, war vereinbart, daß der Verkäufer ,,will add to the contracted price US-$ 0,03 (bzw. 0,05) per kg per month as from 1/10/1979 (bzw. 1. Sept. 1980) for storage/ interest". Die Verkäuferin machte neben der normalen Verkaufsrechnung jeweils eine gesonderte Zusatzrechnung auf, in der sie ,,storage/interest" zusätzlich zu dem vereinbarten Preis in Rechnung stellte. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt - HZA -) zunächst den Zollwert nur nach der Rechnung über den Kontraktpreis berechnet hatte, änderte er mit Bescheid vom 7. Januar 1982 die 14 Zollbescheide, bezog die für Lagerkosten und Zinsen gezahlten Beträge in den Kaufpreis ein, berechnete den Zollwert nach dieser höheren Summe neu und forderte 14 812,02 DM Zoll nach.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus:
Zollwert eingeführter Waren sei der Transaktionswert. Dieser Preis sei nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren - ZWVO 1980 - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 134/1 vom 31. Mai 1980, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - Z 5001) die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer für die eingeführte Ware entrichte oder zu entrichten habe und schließe alle Zahlungen ein, die als Bedingungen für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer tatsächlich entrichtet würden oder zu entrichten seien. Die Wertung der Kaufvertragsvereinbarungen ergebe, daß es sich bei dem Zuschlag zum Kontraktpreis um eine zusätzliche Zahlung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Buchst. a ZWVO 1980 handle, die die Klägerin bei Abnahme der Waren zu einem bestimmten Abnahmetermin als Bedingung für das Kaufgeschäft an den Verkäufer zu entrichten gehabt habe. Der Klägerin sei ein langer Abnahmezeitraum von ca. neun Monaten eingeräumt worden. Der Verkäufer habe die Ware während dieses Zeitraums bereithalten müssen. Bei Vertragsabschluß habe er nicht übersehen können, welche Kosten ihm tatsächlich dadurch entstünden. Normalerweise kalkuliere ein Verkäufer derartige Kosten bei festen Abnahmeterminen in den Verkaufspreis ein. Es sei davon auszugehen, daß dies für die Zeit bis Ende September 1979 bzw. Ende August 1980 durch den Verkäufer geschehen sei. Für den Fall späterer Abnahme sei die Klägerin vertraglich verpflichtet gewesen, zur Abgeltung der nicht einkalkulierbaren Kosten für jeden überschießenden Monat einen Zuschlag zum vereinbarten Kontraktpreis zu entrichten. Bereits die Bezeichnung ,,seller`s will add to the contracted price" und die Tatsache, daß nicht die Übernahme der tatsächlich ab 1. Oktober 1979 bzw. 1. September 1980 anfallenden Kosten vereinbart gewesen sei, spreche dafür, daß die Vertragspartner für den Fall späterer Lieferung einen höheren Kaufpreis vereinbart hätten.
Mit ihrer - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision macht die Klägerin folgendes gelten:
Das FG habe gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen und seine Aufklärungspflicht nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt. Die Auslegung der Kaufverträge durch das FG verstoße gegen den allgemeinen Grundsatz, daß der klare Wortlaut des Vertrages nicht in sein Gegenteil verkehrt werden dürfe. Außerdem dürfe nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht am Buchstaben gehaftet werden, sondern es müsse der Wille der Parteien erforscht werden und Sinn und Zweck der Vereinbarung müsse Berücksichtigung finden. Das FG habe nicht alle Umstände der Verträge berücksichtigt. Es habe insbesondere nicht bedacht, daß hier ein gemischter Vertrag vorliege, der sich zusammensetze einerseits aus einem Kaufvertrag, andererseits aus einem Kredit- und Lagervertrag.
Die Vorentscheidung verletze Art. 3 und 8 ZWVO 1980. Der vereinbarte Kaufpreis habe dem Wert der eingeführten Ware entsprochen. Der Wert ändere sich nicht dadurch, daß die Ware Monate früher oder später aus Neuseeland aus- und hier eingeführt werde, da Kiwi ein ständig reproduzierbares Produkt sei. Auch ohne die Vereinbarung einer Option für spätere Verschiffung der Ware mit gleichzeitiger Vereinbarung eines Lager- und Finanzierungsvertrages wäre der Kaufvertrag zu dem genannten vereinbarten Kaufpreis und den sonstigen Bedingungen abgeschlossen worden. Sie, die Klägerin, hätte die Ware ebensogut innerhalb der kontraktlichen Mindestfrist einführen und im Inland lagern können. In einem solchen Fall wäre das HZA nicht auf den Gedanken gekommen, daß Lagerkosten und Zinsen zum Transaktionswert hinzuzuziehen seien. Etwas anderes dürfe dann aber auch nicht gelten, wenn der Käufer, weil das für ihn billiger sei, die Ware im Ausland bei seinem Verkäufer lagere und dieser den Kaufpreis wie eine Bank dem Käufer darlehensweise finanziere. Das FG habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es nicht festgestellt habe, daß die gleiche Ware im Zeitpunkt der Lieferung nicht teurer geworden sei. Kiwis seien nicht von einem bestimmten Erntezeitpunkt abhängig, sondern würden das ganze Jahr über geerntet.
Nach ihrer Ansicht habe der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) Fragen zur Auslegung der Art. 3 und 8 ZWVO 1980 vorzulegen. Insbesondere sei danach zu fragen, ob Lagerkosten und Zinsen, die durch eine zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarte Lagerung der Ware im Ausland entstanden und dem Verkäufer vom Käufer zu erstatten seien, zum Transaktionswert gehörten oder nicht.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und ihrem Klageantrag stattzugeben.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Der Zollwert der eingeführten Waren ist im Streitfall nach Art. 3 ZWVO 1980 zu ermitteln (vgl. Art. 2 Abs. 1 ZWVO 1980). Nach Art. 3 Abs. 1 ZWVO 1980 ist Zollwert der ,,Transaktionswert", d. h. ,,der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis". Dieser Preis ist nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. a ZWVO 1980 ,,die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer für die eingeführten Waren entrichtet oder zu entrichten hat". Für die Bestimmung des Transaktionswerts ist es also gleichgültig, ob die Zahlungen des Käufers an den Verkäufer in einem oder in mehreren Beträgen aufgrund einer oder mehrerer Rechnungen erfolgen. Maßgebend ist allein, ob es sich nach den Bedingungen des Kaufgeschäftes um Leistungen an den Verkäufer für die eingeführten Waren handelt. Zu Recht hat das FG die Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, nach dem Inhalt der Kaufgeschäfte zwischen der Klägerin und den neuseeländischen Verkäufern entschieden und bejaht.
Im Mittelpunkt der vom FG vorzunehmenden Tatsachenwürdigung standen die beiden Verträge vom 6. Juni 1979 und 29. Mai 1980. Das FG hat diese Verträge dahin ausgelegt, daß es sich danach bei den hier streitigen Zahlungen um solche handelt, die die Klägerin bei Abnahme der Waren zu einem bestimmten Abnahmetermin nach den Bedingungen des Kaufgeschäftes für die eingeführten Waren an den Verkäufer zu entrichten hatte. Diese Würdigung des FG läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Würdigung von Verträgen durch das FG ist revisionsrechtlich daraufhin zu überprüfen, ob das FG die Willenserklärungen der Beteiligten richtig ausgelegt, ob es vor allem die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat; ferner hat das Revisionsgericht auch zu prüfen, ob das FG die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, 4, BStBl II 1981, 475, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Unter allen diesen Gesichtspunkten bietet die Vorentscheidung keinen Anlaß zur Beanstandung.
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin hat das FG weder den Wortlaut der beiden Verträge in ihr Gegenteil verkehrt noch die Auslegungsgrundsätze des § 133 BGB verletzt. Schon nach dem Wortlaut der Verträge ist die Auslegung des FG möglich. Die Vereinbarung, daß die Verkäuferin im Falle der Verschiffung ab 1. Oktober 1979 bzw. 1. September 1980 ,,zum Kaufpreis" eine bestimmte Summe zuschlagen darf, spricht dafür, daß dieser Zuschlag Teil des Kaufpreises ist. Den Hinweis in den Kaufverträgen, daß diese Zahlung für Lagerung und Zinsen erfolgt, brauchte das FG nicht zwangsläufig dahin verstehen, daß es sich dabei um einen vom Kaufvertrag zu trennenden Kredit- und Lagervertrag handelte. Vielmehr konnte das FG darin eine Begründung dafür sehen, warum der Kaufpreis bei Verschiffungen ab einem bestimmten Zeitpunkt erhöht wurde.
Die Argumentation des FG ist plausibel. Der Klägerin war ein langer Abnahmezeitraum eingeräumt worden. Die Kaufvertragsparteien gingen davon aus, daß die Verkäuferin während dieses Abnahmezeitraums die Waren bereitzuhalten hatte. Zwangsläufig ergaben sich für sie daraus bestimmte Kosten. Es ist daher verständlich, daß die Verkäuferin sich nur bereit fand, diese Kosten bis zu einem bestimmten Verschiffungsdatum zu tragen (d. h. insoweit den Kaufpreis nicht zu erhöhen), später entstandene Kosten aber durch Vereinbarung eines höheren Verkaufspreises abgegolten wissen wollte. Dagegen, daß es sich dabei um einen Kredit- und Lagervertrag handelte, spricht auch, daß diese Vereinbarung im Kaufvertrag enthalten ist, ausdrücklich von einer Zuordnung zum Kaufpreis die Rede ist und nicht die Überwälzung der tatsächlich anfallenden Kredit- und Lagerkosten auf die Klägerin vereinbart worden ist. Das FG hat sich also an die Grundsätze des § 133 BGB gehalten.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, der vereinbarte Kaufpreis (ohne die Zusatzzahlungen) habe dem Wert der eingeführten Waren entsprochen, die das ganze Jahr über geerntet würden und daher ständig reproduzierbar seien. Die Frage des wirklichen Wertes der eingeführten Waren (oder ihres Normalpreises) stellt sich im Rahmen der Zollwertermittlung nach der ZWVO 1980 nicht. Maßgebend ist nach Art. 3 ZWVO 1980 allein der vollständige tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, auch wenn dieser den üblichen Wettbewerbspreis übersteigen oder unter diesem liegen sollte. Aus dem Einwand der Klägerin läßt sich auch kein Argument gegen die Plausibilität der Auslegung gewinnen, die das FG den Kaufverträgen hat angedeihen lassen. Denn nach diesen Verträgen hatte die Klägerin eine bestimmte Menge von bearbeiteten Kiwis (gefrorenes Püree bzw. gefrorene Würfel) gekauft, die die Klägerin nach den Vertragsbedingungen innerhalb bestimmter Fristen jederzeit hatte abrufen können. Ohne eine gewisse Lagerhaltung war die Verkäuferin wohl nicht in der Lage, diesen Vertrag zu erfüllen. Das FG hatte also keinen Anlaß, besondere Ermittlungen über die Reproduzierbarkeit der eingeführten Waren anzustellen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin hat das FG auch Art. 8 ZWVO nicht verletzt. Die von der Klägerin an die Verkäuferin geleisteten Zahlungen sind nach den Kaufverträgen in der Auslegung des FG insgesamt solche, die zum Transaktionswert des Art. 3 Abs. 1 und 3 ZWVO 1980 gehören. Die Frage nach Berichtigungen dieses Preises aufgrund der Regelungen des Art. 8 ZWVO 1980 stellt sich daher nicht. Das gleiche gilt für die Regelung in Art. 3 Buchst. c VO Nr. 1495/80 a. F. der Kommission vom 11. Juni 1980 (ABlEG L 154/14), wonach die Zahlung von Zinsen im Rahmen einer Finanzierungsvereinbarung in bezug auf den Kauf der eingeführten Waren in den nach Art. 3 ZWVO 1980 ermittelten Zollwert nicht einbezogen werden darf. Die vereinbarten Zusatzzahlungen waren, wie das FG ohne Rechtsirrtum durch Auslegung den Kaufverträgen entnommen hat, keine Zahlungen von Zinsen im Rahmen einer Finanzierungsvereinbarung, sondern die Zahlung eines Teiles des vereinbarten Kaufpreises.
Fundstellen
Haufe-Index 415431 |
BFH/NV 1988, 474 |