Leitsatz (amtlich)
Steht bei Aufstellung der Bilanz einer KG nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag fest, daß ein Ausgleich eines negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt, so sind Verlustanteile, die zu einem negativen Kapitalkonto führen oder dieses erhöhen würden, einem Kommanditisten selbst dann nicht mehr zuzurechnen, wenn der Kommanditist sich für bestimmte Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat.
Normenkette
EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1964 und 1965 als Kommanditist an der X-KG (im folgenden KG) beteiligt. Diese betrieb eine Fabrikation. Persönlich haftende Gesellschafterin war die Beigeladene zu 2.; weitere Kommanditistin war die Beigeladene zu 1.
Die Kommanditeinlage des Klägers betrug 75 000 DM. Der Kläger war mit der Geschäftsführung der KG betraut. Er erhielt für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung in Höhe von 2 500 DM. Über die Gewinn- und Verlustverteilung bestimmte der Gesellschaftsvertrag, daß der nach Abzug der Tätigkeitsvergütungen und der Zinsen für Darlehenskonten verbleibende Reingewinn auf die Beigeladenen zu 1. und 2. zu je 25 v. H. und auf den Kläger zu 50 v H. verteilt wird. Ein Verlust sollte im gleichen Verhältnis von den Gesellschaftern getragen werden. Gewinne sollten nicht ausbezahlt werden dürfen, solange die Kapitaleinlagekonten durch Verluste vorhergehender Jahre aufgezehrt oder negativ geworden waren und nicht wieder aufgefüllt sind.
Im Jahre 1964 übernahm der Kläger Bürgschaften für Verbindlichkeiten der KG.
Über das Vermögen der KG wurde am 25. Juli 1965 das Konkursverfahren eröffnet. Es wurde am 25. März 1969 nach Abhaltung des Schlußtermins aufgehoben; die Konkursquote für nichtbevorrechtigte Gläubiger betrug 0, 7969 v. H. Im Handelsregister wurde die Firma der KG am 23. Juli 1969 gelöscht. Der Kläger wurde aus den übernommenen Bürgschaften in Anspruch genommen, konnte die Verbindlichkeiten aber nur zu einem geringen Teil erfüllen.
In der Gewinnfeststellungserklärung der KG für 1964, die auf einer am 30. August 1965 aufgestellten berichtigten Bilanz zum 31. Dezember 1964 beruht, ist ein Verlust aus Gewerbebetrieb von insgesamt 237 825 DM ausgewiesen. Davon ist dem Kläger ein Verlustanteil von 45 000 DM zugerechnet, der wie folgt ermittelt ist: 50 v. H. Anteil am Bilanzverlust der KG von 283 257 DM, jedoch nur bis zur Höhe der Kommanditeinlage von 75 000 DM abzüglich zugeflossener Tätigkeitsvergütung von 30 000 DM.
Für 1965 gab die KG keine Gewinnfeststellungserklärung ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1964. Darin stellte das FA unter Korrektur eines Rechenfehlers in der Gewinnfeststellungserklärung, die zu einer Ermäßigung des Bilanzverlustes der KG führte, den Verlust der KG auf 209 025 DM und den Verlustanteil des Klägers auf 45 000 DM fest. Des weiteren erließ das FA einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1965. Darin schätzte es den Gewinn der KG für 1965 auf 0 DM.
Der Kläger erhob nach erfolglosem Einspruch Klage. Er machte insbesondere geltend, eine Beschränkung seines Verlustanteils auf die Höhe seiner Kommanditeinlage sei nicht zulässig, weil er der KG über seine Einlage hinaus weitere Beträge zur Verfügung gestellt habe und für Bürgschaftsverpflichtungen in Anspruch genommen worden sei. In 1965 seien Sonderbetriebsausgaben von 55 635 DM anzusetzen; dabei handle es sich im wesentlichen um Zahlungen, die er in den Jahren 1965 bis 1971 aufgrund der übernommenen Bürgschaften habe leisten müssen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, daß dem Kläger für 1964 ein Anteil am Verlust der KG nur bis zur Höhe seiner Kommanditeinlage zugerechnet werden könne, weil bei Bilanzaufstellung festgestanden habe, daß Gewinne künftig nicht mehr anfallen würden, und daß für 1965 keine Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt werden könnten, weil den uneinbringlichen Ersatzforderungen des Klägers gegen die KG aufrechenbare Gegenforderungen der KG gegen den Kläger aufgrund überhöhter Entnahmen des Klägers gegenübergestanden hatten. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 195 veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt der Kläger, ihm für 1964 "einen Verlustanteil von DM 111 629 (bisher berücksichtigt DM 45 000) zuzurechnen" und für 1965 seine Aufwendungen aufgrund der Inanspruchnahme aus den für die KG übernommenen Bürgschaften als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen. Der Kläger rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das FG entschieden, daß dem Kläger für 1964 einkommensteuerrechtlich ein Anteil am Verlust der KG nur bis zur Höhe seiner Kommanditeinlage zugerechnet werden kann.
Mit Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden,
a) daß einem Kommanditisten, dessen gesellschaftsrechtliche Stellung sich im Innen- und Außenverhältnis nach den Vorschriften des HGB, insbesondere des § 167 Abs. 3 HGB, bestimmt, ein Verlustanteil, der nach dem allgemeinen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel der KG auf ihn entfällt, einkommensteuerrechtlich auch insoweit zuzurechnen ist, als er in einer den einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften entsprechenden Bilanz der KG zu einem negativen Kapitalkonto des Kommanditisten führen würde,
b) daß der zu a) erwähnte Grundsatz aber nicht gilt, soweit bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt und
c) daß in den zu b) erwähnten Fällen der Verlust auf die persönlich haftenden Gesellschafter und auf die übrigen Kommanditisten bis zur Höhe ihrer Kapitalanteile zu verteilen ist.
Im Streitfall hat die Vorentscheidung unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 19. November 1964 IV 455/61 U (BFHE 81, 305, BStBl III 1965, 111) ausgeführt, für einen Kommanditisten komme eine Verlustzurechnung, die zu einem negativen Kapitalkonto führen oder ein solches erhöhen wurde, nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz wegen der Auflösung der Gesellschaft kein Zweifel bestehe, daß der Kommanditist die fraglichen Verluste nicht mehr durch spätere Gewinne auszugleichen braucht. Danach könne dem Kläger für 1964 kein seine Kommanditeinlage übersteigender Verlustanteil zugerechnet werden, da im Zeitpunkt der Aufstellung der berichtigten Bilanz für 1964 (30. August 1965) bereits das Konkursverfahren über das Vermögen der KG eröffnet gewesen sei.
Diese Ausführungen können unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Klägers vor dem FG nur als tatsächliche Feststellung verstanden werden, daß im Streitfall im Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1964 nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag ein Ausgleich der die Kommanditeinlage des Klägers übersteigenden Verlustanteile mit künftigen Gewinnanteilen des Klägers nicht mehr zu erwarten war. Der Kläger hat vor dem FG zu keiner Zeit substantiiert vorgetragen, daß und in welcher Höhe für 1965 und die Folgejahre Gewinne tatsächlich entstanden sind und bei Aufstellung der Bilanz für 1964 nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zu erwarten waren. Der Kläger hat auch nicht dargetan, daß sich die Verhältnisse zwischen dem Bilanzstichtag und der Bilanzaufstellung grundlegend und unvorhergesehen zuungunsten der KG gewandelt hätten und demgemäß zwar noch nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag, aber nicht mehr bei Bilanzaufstellung mit künftigen Gewinnen zu rechnen gewesen sei.
Der Kläger hat sein Begehren auf höhere Verlustzurechnung für 1964 ausschließlich darauf gestützt, daß er der KG über seine Kommanditeinlage hinaus Beträge zur Verfügung gestellt und Bürgschaften übernommen habe. Dieses Vorbringen kann jedoch eine höhere Verlustzurechnung nicht rechtfertigen. Die Vorentscheidung hat in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt, daß er Kläger im Streitjahr 1964 oder in den vorangegangenen Jahren eine höhere Einlage als 75 000 DM geleistet hat. Zulässige und begründete Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben. Damit steht für den Senat als Revisionsgericht fest, daß der Kläger über seine Kommanditeinlage hinaus der KG keine weiteren Beträge zur Verfügung gestellt hat.
In tatsächlicher Hinsicht festgestellt ist allerdings, daß der Kläger in 1964 Bürgschaften für Verbindlichkeiten der KG übernommen und aufgrund dieser Bürgschaften in 1965 und den Folgejahren Zahlungen geleistet hat. Die Bürgschaftsübernahme in 1964 kann jedoch auf der Grundlage der Rechtsausführungen im Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 nicht zu der begehrten höheren Verlustzurechnung für 1964 führen. Denn der Rechtfertigungsgrund für die einkommensteuerrechtliche Anerkennung eines negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten ist allein die Verlusthaftung mit künftigen Gewinnanteilen nach Maßgabe des Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssels der KG; diese entfällt aber auch für einen Kommanditisten, der sich für Verbindlichkeiten der KG verbürgt hat, soweit feststeht, daß künftige Gewinnanteile nicht mehr anfallen. Die aufgrund der Bürgschaft verbleibende Außenhaftung des Kommanditisten begründet nur dann und frühestens zu dem Zeitpunkt "Sonderverluste" des Kommanditisten, wenn und soweit der Kommanditist aufgrund der Bürgschaft Zahlungen leistet, ohne dafür von der KG oder den Komplementären einen Ausgleich zu erhalten. Die gegenteilige Auffassung müßte zu dem mit dem Beschluß des Großen Senats nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, daß die entsprechenden Verluste der KG unabhängig von einer Inanspruchnahme des Kommanditisten aus der Bürgschaft einkommensteuerrechtlich bei den Gesellschaftern der KG doppelt berücksichtigt werden, nämlich zum einen beim Komplementär und zum anderen bei dem Kommanditisten, der sich verbürgt hat.
2. Auch soweit der Kläger begehrt. für das Jahr 1965 in Höhe der Zahlungen, die er aufgrund der 1964 übernommenen Bürgschaften leisten mußte, einen "Sonderverlustanteil'' festzustellen, kann die Revision keinen Erfolg haben.
Dabei kann im Streitfall auf sich beruhen, ob die Einwände der Vorentscheidung gegen die dem Senats-Urteil vom 4. Juli 1974 IV R 166/70 (BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677) zugrunde liegende Auffassung durchgreifen, daß die in Form von Bürgschaftszahlungen geleisteten zusätzlichen Einlagen eines Kommanditisten einkommensteuerrechtlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft als verloren zu berücksichtigen seien. Denn auch wenn man dieser Auffassung nicht folgt, so hat das FG doch zutreffend entschieden, daß im Streitfall die Bürgschaftszahlungen und die "Wertlosigkeit" der dadurch entstandenen Ausgleichsforderungen des Klägers gegen die KG und die persönlich haftende Gesellschafterin in der Gesamtbilanz der KG für 1965 keinen Verlustanteil des Klägers ("Sonderbetriebsausgaben") begründen können, weil die KG gegenüber einem Ausgleichsanspruch des Klägers mit ihren Ansprüchen auf Rückzahlung unrechtmäßiger Entnahmen, also ihrem Anspruch aus dem negativen Darlehenskonto des Klägers hätte aufrechnen können und der Kläger somit im wirtschaftlichen Ergebnis mit den Bürgschaftszahlungen nur eine eigene Verbindlichkeit gegenüber der KG erfüllt hat.
Die Revision hat gegen die Ausführungen der Vorentscheidung nichts Stichhaltiges vorgebracht. Der Senat erachtet die Rechtsausführungen der Vorentscheidung für überzeugend. Es ist offensichtlich, daß die Tilgung seines negativen Darlehenskontos durch Leistungen des Klägers an die KG in der Gesamtbilanz der KG nicht zu einem Verlustanteil des Klägers geführt hätte. Für eine Leistung des Klägers an einen Gläubiger der KG für Rechnung der KG kann folgerichtig nichts anderes gelten. Die Ausgleichsforderung des Klägers gegen die KG war im Hinblick auf die weit höheren Forderungen der KG gegen den Kläger für diesen gerade nicht "wertlos"; sie wurde letztlich voll erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 413606 |
BStBl II 1981, 570 |
BFHE 1981, 202 |