Leitsatz (amtlich)
1. Gesellschaftsteuerpflicht zinsloser Kreditgewährung.
2. Die Steuerpflicht auf Grund § 4 KVStG kommt nur dann in Betracht, wenn die Leistung (§ 2 KVStG) oder die Darlehnsgewährung (§ 3 KVStG) durch die Stellung als Mitglied oder Gesellschafter der leistenden oder gewährenden Personenvereinigung veranlaßt oder bedingt ist.
2. Es ist nicht zulässig, im Interesse eines einfachen Gesetzesvollzuges durch die Verwaltungsbehörden die allgemein anerkannten Auslegungskriterien zugunsten der Praktikabilität in ihrer Bedeutung zurückzudrängen oder gar zu mißachten.
2. Vereitelt oder erschwert der Steuerpflichtige durch schuldhafte Verletzung seiner Mitwirkungspflicht die Sachaufklärung, kann es gerechtfertigt sein, hieran eine Tatsachenfeststellung zu knüpfen, die der durch die Feststellungslast belasteten Behörde günstig ist. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn andere Erkenntnismittel, die zur Aufklärung geeignet sind, nicht ohne weiteres greifbar sind.
2. Die Verjährung eines Anspruches auf Gesellschaftsteuer wurde nach § 147 Abs. 1 AO a. F. nur dann unterbrochen, wenn sich die Prüfungshandlungen auf diesen Anspruch, d. h. auf die diesen bedingenden Lebenssachverhalte, bezogen.
2. Der Auftrag, eine Kapitalverkehrsteuer-Prüfung durchzuführen, war nach § 147 Abs. 1 AO a. F. nur insoweit geeignet, die Verjährung zu unterbrechen, als der Prüfungsumfang bezeichnet war; bei der Gesellschaftsteuer bedurfte es der Bezeichnung bestimmter zu klärender Steuerfälle oder aber, wenn die Prüfung der Aufdekkung und Aufklärung unbekannter und der Überprüfung bereits bekannter Steuerfälle dienen sollte, der Bezeichnung des Zeitraumes, auf den sich die Prüfung zu beziehen hatte.
2. Dem Revisionsgericht ist es grundsätzlich verwehrt, sich den zur Prüfung einer materiell-rechtlichen Frage erforderlichen Tatsachenstoff aus einer anderen Quelle als dem angefochtenen Urteil zu beschaffen.
Normenkette
KVStG 1934 § 2 Nr. 3 Buchst. b, §§ 3-4; KVStG 1959 § 2 Nrn. 3-4, §§ 3-4; KVStDB 1934 § 91 ff., § 98; KVStDV 1959 § 40 ff., § 47; HGB §§ 355, 357; AO § 147 Abs. 1 a. F, § 170 ff., § 204 ff.; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Der umstrittene Bescheid beruht auf der Feststellung, die Klägerin habe in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1951 unverzinslich Kredite von einer Schwestergesellschaft erhalten. Die Rechtsgrundlage für die Steuerpflicht sah die Behörde in § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934, § 4 KVStG. Den Wert der Leistung berechnete der Beklagte unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 1 v. H. über dem Diskontsatz der Landeszentralbank. Die jährliche Zinsersparnis legte er unter Anwendung des Regelsteuersatzes des § 9 Abs. 1 KVStG in der Fassung des Gesetzes Nr. 64, Anhang, Art. VI, § 2 Buchst. a (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 889, 905) der Besteuerung zugrunde.
Die Feststellungen des Beklagten beruhen auf Ermittlungen einer den Zeitraum vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1954 betreffenden Kapitalverkehrsteuer-Prüfung, die im Prüfungsbericht vom 30. Oktober 1956 ihren Niederschlag gefunden haben. Dieser Prüfung ist im März/April 1952 eine Kapitalverkehrsteuer-Prüfung vorangegangen, die sich auf den Zeitraum vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1949 bezogen hat. Im Prüfungsbericht vom 12. Mai 1952, in dem sich der Prüfer mit der Übernahme des Verlustes der Klägerin durch deren Schwestergesellschaft befaßt hat, ist ausgeführt: "Bis 31.12.1949 keine weiteren gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgänge." Bereits im Jahre 1950 war bei der Klägerin eine Kapitalverkehrsteuer-Prüfung für den Zeitraum vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1949 durchgeführt worden. Im Prüfungsbericht vom 27. November 1950 hatte der Prüfer bemerkt, hinsichtlich der Gesellschaftsteuer sei nichts zu beanstanden.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung hob das FG die Steuerfestsetzung insoweit auf, als sie den Zinsverzicht für 1950 betraf; der im Jahre 1950 entstandene Steueranspruch sei verjährt. Das FG billigte die Steuerfestsetzung des Beklagten hinsichtlich des Zinsverzichts für 1949 und 1951 und wies die Klage insoweit als unbegründet zurück. Der auf dem Zinsverzicht 1949 beruhende Steueranspruch sei weder verjährt noch verwirkt. Der Steueranspruch aus dem Zinsverzicht im Jahre 1951 sei offensichtlich nicht verjährt. In sachlich-rechtlicher Hinsicht trat das FG der Rechtsauffassung des Beklagten bei.
Mit der seit 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde macht die Klägerin geltend, der im Jahre 1949 entstandene Steueranspruch sei verjährt. Im übrigen meint sie, Steuerpflicht komme nicht in Betracht, weil Kontokorrentkredite im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zwischen Kunden und Lieferanten üblicherweise nicht verzinst würden; da die Unverzinslichkeit geschäftsüblich sei, fehle es im Streitfall an einer Leistung im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934. Ferner weist sie darauf hin, daß zwischen der Schwestergesellschaft der Klägerin und ihr ein Ergebnisabführungsvertrag (EAV) bestanden habe, nach dem die Klägerin ihre Gewinne abführen und die Schwestergesellschaft die Verluste habe übernehmen müssen; der Zinsverzicht sei daher nicht geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es sich auf die den Zinsverzicht für die Jahre 1949 und 1951 betreffenden Steuerfestsetzungen bezieht, und sie insoweit von der Steuer freizustellen; hilfsweise beantragt sie, die Sache in diesem Umfange an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, seinen ursprünglichen Antrag einschränkend, die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, daß der Steuerfestsetzung eine Zinsersparnis von jährlich 5 v. H. zugrunde gelegt werde. Die auf § 293 AO a. F. gestützte Anschlußbeschwerde, mit der das Urteil des FG insoweit angegriffen wurde, als es sich auf die Festsetzung der Gesellschaftsteuer wegen des Zinsverzichts für das Jahr 1950 bezog, nahm der Beklagte in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Klägerin zurück.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es sich auf die Festsetzung der Gesellschaftsteuer wegen des Zinsverzichts für die Jahre 1949 und 1951 bezieht; in diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
1. Die angefochtene Entscheidung kann nicht mit der Begründung aufgehoben werden, der Sachverhalt des Streitfalles sei mit dem im Urteil des Senats II 87/61 vom 8. November 1967 (BFH 90, 236, BStBl II 1968, 38) entschiedenen Fall vergleichbar. Das FG hat weder das Bestehen noch den Inhalt eines Organ- und Ergebnisabführungsvertrages zwischen der Schwestergesellschaft und der Klägerin festgestellt. Eine Feststellung dieses Inhalts ist nicht schon darin zu sehen, daß das FG ausgeführt hat, die im Jahre 1952 durchgeführte Kapitalverkehrsteuer-Prüfung habe sich auf die Übernahme des Verlustes der Klägerin durch die Schwestergesellschaft erstreckt. Diese Äußerung läßt nicht erkennen, daß das FG den im Prüfungsbericht erwähnten Organ- und Ergebnisabführungsvertrag im Zusammenhang mit der Steuerpflicht der Zinslosigkeit von Kreditgewährungen in den Kreis seiner Betrachtungen einbezogen hat. Hiervon abgesehen muß eine Verlustübernahme im Sinne der Dekkung eingetretener Verluste nicht auf einem Organ- und Ergebnisabführungsvertrag beruhen. Die Bemerkung des FG zur Verlustübernahme bezieht sich nur auf die Frage der Verjährung im Jahre 1949; im Zusammenhang mit der Prüfung der Verjährungsfrage hat das FG ausgeführt: "... hat sich die Prüfung von März/April 1952 nicht nur auf die Prüfung der Übernahme des Verlustes der Bfin. durch die H.-GmbH, sondern auf die Ermittlung der gesamten kapitalverkehrsteuerlichen Verhältnisse erstreckt."
Die Klägerin meint, den Umständen nach müsse angenommen werden, daß sich die tatsächlichen Feststellungen des FG auch auf den zwischen der Schwestergesellschaft und ihr bestehenden EAV bezogen hätten. Das FG habe in einem anderen, sie betreffenden Urteil, das an demselben Tage wie die angefochtene Entscheidung ergangen sei, Existenz und Inhalt des EAV festgestellt; sie beantragte in der mündlichen Verhandlung, durch Beiziehung der Akten des BFH II 26/61 Beweis hierüber zu erheben.
Der Ansicht der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Die beantragte Beweiserhebung ist nicht statthaft; auf den angebotenen Beweis kommt es für die Entscheidung nicht an. Nach § 118 Abs. 2 FGO ist der BFH an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (wegen der Prozeßvoraussetzungen vgl. Urteil des BGH V ZR 197/58 vom 14. Dezember 1959, NJW 1960, 523). Der klare Wortlaut des Gesetzes schließt es aus, daß sich der Revisionsrichter - vom Fall der Bezugnahme abgesehen (BFH-Beschluß Gr. S. 3/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 213, BStBl II 1968, 285; Urteil II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610) - den zur Prüfung einer materiell-rechtlichen Frage erforderlichen Tatsachenstoff aus einer anderen Quelle als dem angefochtenen Urteil beschafft. Eine Verfahrensrüge ist im Streitfall nicht erhoben.
2. Das FG hat festgestellt, die Schwestergesellschaft der Klägerin, an der dieselben Gesellschafter beteiligt seien wie an der Klägerin, habe geleistet. Diese Feststellung reicht nicht aus, die Steuerpflicht mit Hilfe des § 4 KVStG zu begründen.
a) Nach dem Wortlaut des § 4 KVStG wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen nicht von den Gesellschaftern bewirkt werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder als Gesellschafter beteiligt sind. Versteht man die Vorschrift - dies scheint die Wortfassung nahezulegen - in dem Sinne, daß eine bereits bestehende Steuerpflicht vorausgesetzt werde, ist sie ohne Sinn. Der vom Gesetzgeber gemeinte Wortsinn erschließt sich aus dem Zusammenhang der §§ 2 und 3 KVStG einerseits und des § 4 KVStG andererseits. Die Steuerpflicht soll auch dann bestehen (BFH-Urteil II 110/62 vom 28. November 1967, BFH 91, 132, BStBl II 1968, 216), wenn die in den §§ 2 und 3 KVStG tatbestandlich umschriebenen Leistungen oder Darlehnsgewährungen nicht durch einen Gesellschafter erbracht werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder als Gesellschafter beteiligt sind.
In diesem Sinne hat der BFH mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß § 4 KVStG die Steuerpflicht nicht schlechthin vorschreibe, sondern sie nur nicht für ausgeschlossen erkläre; die Steuerpflicht trete bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 ebenso ein, wie wenn der Gesellschafter geleistet hätte (Urteile II 259/52 U vom 28. Januar 1953, BFH 57, 203, BStBl III 1953, 80; II 106/59 U vom 22. August 1962, BFH 75, 567, BStBl III 1962, 475; II 60/58 vom 6. Mai 1964, HFR 1965, 221).
b) Für die Anwendung des § 4 KVStG reicht jedoch nicht die Tatsache aus, daß an der leistenden und an der empfangenden Gesellschaft derselbe oder dieselben Gesellschafter betelligt sind. Die Vorschrift muß mit Rücksicht auf ihren Zweck einengend ausgelegt werden. Diese Auffassung liegt - im Zusammenhang mit der Anwendung des § 3 KVStG - der Rechtprechung des RFH (zu § 7 KVStG 1922) und des BFH zugrunde (RFH-Urteile II A 81/24 vom 27. Mai 1924, RFH 13, 342; II A 48/26 vom 16. Februar 1926, RFH 18, 203; II A 148/26 vom 7. Mai 1926, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 7, Rechtsspruch 7; II A 550/27 vom 13. Januar 1928, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1922, § 6 zu c, Rechtsspruch 72; BFH-Urteile II 259/52 U, II 106/59 U). Es ist nicht gerechtfertigt, § 4 KVStG anders auszulegen, wenn es sich um Anwendungsfälle des § 2 Nr. 3 KVStG 1934 (§ 2 Nr. 3 und 4 KVStG 1959) handelt, als im Falle des § 3 KVStG; § 4 KVStG trägt seinen Zweck in sich selbst.
§ 4 KVStG dient dem Zweck, Steuerumgehungen zu verhindern (Urteil des BFH II 19/58 S vom 22. November 1962, BFH 76, 179, BStBl III 1963, 64). Der Steuerpflicht soll nicht dadurch ausgewichen werden können, daß die Leistung oder das Darlehen durch eine Einrichtung bewirkt oder gewährt wird, auf die der der empfangenden Gesellschaft angehörende Gesellschafter als Mitglied oder als Gesellschafter Einfluß ausüben kann (Urteil II 110/62). Dieser Zweck gebietet es, die Steuerpflicht davon abhängig zu machen, daß die Leistung oder die Darlehnsgewährung durch die Stellung als Mitglied oder als Gesellschafter der leistenden bzw. gewährenden Personenvereinigung veranlaßt oder bedingt ist (vgl. Urteil des RFH II A 48/26 am Ende). Er schließt es aus, die Gesellschaftsteuerpflicht zu bejahen, wenn allein die eigenen geschäftlichen Interessen der leistenden Gesellschaft für die Leistung bestimmend waren (vgl. Urteile des RFH II A 48/26 und II A 148/26; Urteil des BFH II 106/59 U am Ende) oder wenn die Leistung gegen den Willen des Gesellschafters bewirkt wurde (vgl. Urteil des RFH II A 81/24; ferner Urteil des BFH II 106/59 U).
c) Die gegen diese Auffassung erhobenen Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch.
Die den Wortlaut einengende Auslegung ist mit der Rechtsprechung des Senats vereinbar, die dem Wortlaut entscheidende Bedeutung zugemessen hat (Urteile des BFH II 19/58 S; II 110/62; II 33/63 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 511). Nach dieser Rechtsprechung ist es nicht statthaft, eine Vorschrift mit Rücksicht auf den Zweck, die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise und die Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 StAnpG) über den möglichen Wortsinn hinaus - also ausdehnend - auszulegen, wenn es sich um eine steuerbegründende Norm handelt. Diese Ansicht beruht auf dem Gedanken, daß es dem Gesetzgeber vorbehalten ist, den Kreis der steuerbaren Tatbestände und deren Umfang zu bestimmen (BVerfGE 13, 318, 328; Urteile des BFH II 19/58 S, II 110/62 und II 33/63). Danach ist es aber nicht ausgeschlossen, begünstigende Normen ausdehnend und steuerbegründende oder steuererhöhende Vorschriften restriktiv auszulegen.
Mit dieser Auslegung verläßt der Senat auch nicht die Grundlage einer rechtlichen Betrachtung. § 4 KVStG beruht, wie der Zweck der Vorschrift deutlich macht, auf wirtschaftlichen Erwägungen (vgl. Urteile des RFH II A 81/24, II A 48/26 zu § 7 KVStG 1922). Die wirtschaftliche Bedeutung eines Gesetzes ist aber - bei steuerbegründenden Normen im Rahmen des möglichen Wortsinnes - stets dann erheblich, wenn es wirtschaftliche Ziele verfolgt (Sigloch, DStZ A 1968, 301, 302 rechte Spalte oben, unter Berufung auf das Urteil des BFH II 232/65 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 572, BStBl III 1967, 507).
Irrig ist auch die Meinung, die hier vertretene Auffassung führe zu einer Art "subjektivem Tatbestandsmerkmal" in § 4 KVStG, weil auf einen "gesellschaftsinternen Vorgang abgestellt" werde, der sich fast ausschließlich "im subjektiven Bereich des Gesellschafters" vollziehe. Das beklagte FA verkennt, daß es für die Anwendung des § 4 KVStG nicht auf innere Vorgänge - z. B. Absichten, Zweckvorstellungen - des Gesellschafters ankommt. Maßgebend ist allein, ob die Stellung als Gesellschafter der gebenden und der nehmenden Gesellschaft ursächlich für die Hingabe der Leistung oder des Darlehens war.
d) Der Beklagte meint, § 4 KVStG sei "kaum praktikabel", wenn man die Vorschrift in dem dargelegten Sinne auslege.
aa) Nach der Ansicht des BVerfG (BVerfGE 21, 209, 217 f.; BStBl III 1967, 357, 360) ist es durchaus sachgerecht, wenn bei Zweifeln über die Auslegung einer steuerrechtlichen Norm, die in tausenden von Fällen angewandt werden muß, für die Feststellung des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität herangezogen wird. Die diesem Gesichtspunkt zukommende Hilfsfunktion kann durch den Gedanken gerechtfertigt werden, dem Gesetzgeber müsse im Falle zweier an sich möglicher Auslegungen, die zu einem praktikablen und einem weniger praktikablen Ergebnis führen, unterstellt werden, er habe die praktischere Lösung gewollt. Hieraus folgt jedoch nicht, daß es zulässig wäre, im Interesse eines einfacheren Gesetzesvollzuges durch die Verwaltungsbehörden die allgemein anerkannten Auslegungskriterien (vgl. BVerfGE 11, 126, 130) zugunsten der Praktikabilität in ihrer Bedeutung zurückzudrängen oder gar zu mißachten (vgl. auch Beschluß des BVerfG 1 BvR 723/65 vom 15. Januar 1969, HFR 1969, 245, 247 unter B I 4 b).
bb) Hiervon abgesehen trifft es nicht zu, daß § 4 bei der hier vollgezogenen Auslegung unpraktikabel sei. Dies beweist schon die Tatsache, daß auch die durch das Urteil II 19/58 S aufgegebene Rechtsprechung zum organischen Machtkreis die Feststellung der Tatsachen erforderte, auf Grund deren die Leistung oder die Darlehnsgewährung dem sogenannten Doppelgesellschafter zuzurechnen war.
Das beklagte FA meint offensichtlich, es sei sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, im Einzelfall die Tatsachen zu ermitteln, die den Schluß rechtfertigen, die Leistung oder die Darlehnsgewährung sei durch die Doppelgesellschaftereigenschaft bedingt oder veranlaßt. In Wahrheit beziehen sich die Bedenken des FA weniger auf die Auslegung des § 4 KVStG als vielmehr auf die Frage, wie die Behörden die anspruchsbegründenden Tatsachen in Einzelfällen, in denen die Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt, feststellen sollen. Es geht also um die Frage, wen die Last der Nichtfeststellbarkeit entscheidungserheblicher Tatsachen trifft. Hierbei handelt es sich nicht um die subjektive Beweislast (formelle Beweislast oder Beweisführungslast), sondern um die sogenannte Feststellungslast (objektive oder materielle Beweislast; vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 3. Aufl., S. 16 ff., 23. ff.; ferner Urteile des BFH I 257/61 U vom 19. Juni 1962, BFH 75, 307, BStBl III 1962, 377; II 195/58 U vom 24. Januar 1963, BFH 76, 585, BStBl III 1963, 213; Barske-Woerner, Finanzgerichtsordnung, S. 90 f.; Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 1362 f.; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 2. bis 3. Aufl., § 204 AO Rdnr. 4, 17, § 96 FGO Rdnr. 15). Die Feststellungslast für den Steueranspruch begründende Tatsachen trifft grundsätzlich die Behörde.
Eine Feststellung ist nicht nur mit Hilfe eines unmittelbaren, sondern auch eines mittelbaren Beweises (vgl. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., Einführung §§ 282 bis 294 Anm. 3) möglich; aus erwiesenen Tatsachen kann, z. B. auf Grund besonderer Sachkunde oder der Lebenserfahrung, auf die Existenz der beweisbedürftigen Tatsachen geschlossen werden. Feststellungen sind auch mit Hilfe des Anscheinsbeweises möglich, der für Fälle in Betracht kommt, in denen der ermittelte Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf einen typischen Geschehensablauf hinweist. So wird der Schluß, eine Leistung sei durch die Doppelgesellschaftereigenschaft veranlaßt, vor allem dann nahe liegen, wenn ein oder zwei wesentlich beteiligte Gesellschafter zugleich Geschäftsführer der leistenden oder beider Gesellschaften sind. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann jedoch dadurch entkräftet werden, daß Tatsachen ermittelt werden, die ernstlich für einen Geschehensablauf sprechen, der vom typischen abweicht.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die AO der Behörde die Mittel zur Ermittlung des Sachverhalts dadurch in die Hand gibt, daß sie dem Steuerpflichtigen ins einzelne gehende Auskunftspflichten auferlegt (§§ 166 ff., 170 bis 172 AO) und andererseits den Finanzbehörden umfassende Rechte, die der Ermittlungspflicht entsprechen, gewährt (§§ 173, 174, 204 ff. AO). Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß das FA zum Zweck der Wahrheitserforschung im wesentlichen auf die Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen ist. Erfüllt der Steuerpflichtige die ihm durch das Gesetz auferlegten Mitwirkungspflichten nicht, so wird das FA häufig nicht imstande sein, den Sachverhalt genau festzustellen. Vereitelt oder erschwert der Steuerpflichtige durch schuldhafte Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (vgl. auch § 76 Abs. 1 FGO) die Sachverhaltsfeststellung, kann es gerechtfertigt sein, das Verhalten des Steuerpflichtigen zu dessen Nachteil zu würdigen. Diese Würdigung kann dazu führen, an die schuldhafte Pflichtverletzung eine Tatsachenfeststellung zu knüpfen, die der durch die Feststellungslast belasteten Behörde günstig ist (vgl. BVerwGE 10, 270, NJW 1960, 2114 mit Nachw.; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., Anhang, § 282 Anm. 3 D). Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn andere Erkenntnismittel, die zur Aufklärung geeignet sind, nicht ohne weiteres greifbar sind.
3. Unabhängig von den vorstehenden Bemerkungen wäre die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Zinsverzichte 1949 und 1951 auch aus einem anderen Grunde aufzuheben. Nach Ansicht des FG beruht die Steuerpflicht nicht auf einem Forderungsverzicht. Aus den anderen in § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 genannten Beispielen ergebe sich, daß die Steuerpflicht schon dann bestehe, wenn ein Gesellschafter im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis etwas zu günstigeren Bedingungen gewähre, als es jemand getan haben würde, der nicht Gesellschafter ist. Die zinslose Gewährung von Darlehen durch einen Gesellschafter an eine inländische Kapitalgesellschaft sei eine solche Leistung. Es sei nicht erforderlich, daß auf Zinsen verzichtet werde, die bei der Darlehnshingabe vereinbart worden seien.
a) Das FG ist ersichtlich davon ausgegangen, daß die Zinslosigkeit (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbart wurde; entsprechende Feststellungen enthält das angefochtene Urteil jedoch nicht.
Da das FG den Fall des Forderungsverzichts ausdrücklich ausgeschlossen hat, kann es nur den Fall gemeint haben, daß die zinslose Kreditierung eine Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung darstelle (vgl. Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar, 2. Aufl., Teil II, Abschn. 30, Nr. 2, S. 126). Von diesem Ausgangspunkt aus kann die Leistung oder können Leistungen dadurch erbracht worden sein, daß die Verzinslichkeit einzelner oder einer Mehrheit von Forderungen und/oder des beim Rechnungsabschluß ausgewiesenen Saldos eines Kontokorrentkontos oder der Salden mehrerer solcher Konten ausgeschlossen wurde (vgl. auch Urteil des RFH II A 214/30 vom 22. Juli 1930, RStBl 1930, 693). Der Gesellschafter leistet dadurch, daß er die Verzinsung einer ihm zustehenden Forderung (auch der aus einem Kontokorrentsaldo) nicht verlangt. Er stellt Vermögenswerte zur Verfügung, fordert jedoch kein Entgelt für die Kapitalnutzung.
Zinslosigkeit kann in der Weise bewirkt werden, daß entweder auf kraft Gesetzes (§§ 353, 354 HGB) oder kraft Vertrages entstandene Zinsansprüche verzichtet wird oder aber die Zinslosigkeit von vornherein vereinbart und damit die Entstehung eines Zinsanspruchs verhindert wird. Bei Kaufleuten - um solche handelt es sich bei der Klägerin und der Schwestergesellschaft - entsteht der Zinsanspruch kraft Gesetzes. Ein Vertrag, durch den es ausgeschlossen werden soll, daß ein solcher (künftiger) Zinsanspruch entsteht, muß nicht ausdrücklich vereinbart sein; aus den Umständen des Falles kann auf eine stillschweigende Vereinbarung geschlossen werden.
b) Hinsichtlich des Bewirkens der Leistung ist das angefochtene Urteil widerspruchsvoll.
Das FG spricht von einer zinslosen Darlehnsgewährung; diese sieht es im zinslosen Bestehenlassen von Schuldsalden. Für den Begriff des Darlehens ist das bürgerliche Recht maßgebend (§ 607 BGB). Es wäre also ein Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 BGB) zwischen der Klägerin und der Schwestergesellschaft des Inhalts denkbar, daß ein Betrag in Höhe des Passivsaldos eines oder mehrerer Konten der Klägerin künftig als Darlehen (zinslos) geschuldet werde.
Einen Fall dieser Art hat das FG jedoch offensichtlich nicht gemeint. Dies ergibt sich aus den vom FG gebilligten Grundlagen der Steuerberechnung des FA. Im Schriftsatz des FA vom 19. Juli 1960, auf den sich das FG bezogen hat, verweist die Behörde auf die Anlage 1 zum Prüfungsbericht vom 30. Oktober 1956, in dem die monatlichen Salden der Verbindlichkeiten der Klägerin gegen die Schwestergesellschaft dargestellt sind. Aus den monatlichen Salden hat das FA, wie es im Schriftsatz vom 19. Juli 1960 ausführt, Jahressalden errechnet. Die Jahressalden für 1949 und 1951 bilden die Grundlagen für die Steuerberechnung. Da aus Monatssalden ein Jahresdurchschnittssaldo gebildet wurde, kann das "Bestehenlassen der Schuldsalden" vom FG nicht im Sinne eines Vereinbarungsdarlehens verstanden worden sein.
Anscheinend hat das FG die steuerpflichtige Leistung darin gesehen, daß die Schwestergesellschaft die Klägerin im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses laufend zinslos kreditiert habe. Dafür spricht einerseits die Steuerberechnung auf der Grundlage des Jahresdurchschnittsaldos; andererseits hat das FG im Zusammenhang mit den infolge der Unverzinslichkeit ersparten Zinsen ausgeführt, der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, innerhalb des Konzerns, dem die Klägerin angehöre, sei eine Verzinsung des Kontokorrentverkehrs durchaus üblich; diese Bemerkung hat - da eine Darlehnsgewährung nicht gemeint war - nur dann einen rechten Sinn, wenn die Vorinstanz angenommen hat, dem entschiedenen Fall liege ein Kontokorrentverhältnis zugrunde.
c) Die angefochtene Entscheidung könnte indessen auch unter dieser Voraussetzung nicht aufrechterhalten werden. Es gibt mehrere Arten des Kontokorrents (vgl. hierzu Schlegelberger-Hefermehl, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 355 Rdnr. 6 ff., 58 ff., 62; v. Godin in Kommentar zum Handelsgesetzbuch, früher herausgegeben von Reichsgerichtsräten, 2. Aufl., § 355 Anm. 1 ff., Anhang zu § 357). Im Rahmen dieser Arten besteht weitgehend Gestaltungsfreiheit; dies gilt auch hinsichtlich der Zinsberechnung (vgl. Schlegelberger-Hefermehl, a. a. O., Rdnr. 31 ff.; v. Godin, a. a. O., § 355 Anm. 19 b, Anhang zu § 357 Anm. 6). Die Ausgestaltung des Kontokorrentverkehrs - Kontokorrentkredit, Kreditierung durch gestundete, in das Kontokorrent eingestellte Forderungen - ist nicht festgestellt. Dementsprechend ist auch nicht festgestellt, ob und auf welche Weise eine oder mehrere Leistungen durch die Zinslosigkeit im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses bewirkt wurden. Die allgemeine Äußerung, der Klägerin seien im Rahmen eines Kontokorrents Vermögenswerte zinslos überlassen worden, rechtfertigt nicht die Auffassung, in der Unverzinslichkeit liege für jedes Jahr eine Leistung. Auf dieser Ansicht beruht jedoch das Urteil des FG. Dies ergibt sich aus der Berechnung des Wertes der Leistung auf Grund des Schuldenstandes im Jahresdurchschnitt. Diese Berechnungsweise gilt (Urteil des BFH II 175/51 U vom 11. Juni 1952, BFH 56, 502, BStBl III 1952, 195) - vom Jahresdurchschnitt abgesehen - für die Steuerpflicht eines Kontokorrentkredits bei dauernd steigenden Salden; auf diese Rechtsprechung kommt es im Streitfall - abgesehen davon, daß die Feststellungen des FG nicht den Schluß rechtfertigen, es sei ein Kontokorrentkredit gewährt worden - nicht an.
d) Entgegen der Ansicht des Beklagten muß die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt sein (Urteil des BFH II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610). Ohne derartige Feststellungen kann nicht nachgeprüft werden, ob das Gesetz richtig angewandt wurde. Es kann nicht, wie der Beklagte offenbar meint, dahingestellt bleiben, ob eine Leistung dadurch erbracht wurde, daß auf eine Forderung verzichtet wurde oder dadurch, daß Gegenstände überlassen wurden, deren Wert durch die Gegenleistung nicht erreicht wurde. Die Beurteilung (Würdigung) eines Sachverhalts und dessen Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand setzt voraus, daß die einzelnen Tatsachen festgestellt sind, die in ihrer Gesamtheit den zu würdigenden und subsumierenden Sachverhalt ergeben. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es daher auch nicht statthaft, eine Mehrheit von (bisher nicht festgestellten) Leistungen jeweils für ein Jahr zu einer Einheit als einen steuerbaren Vorgang zusammenzufassen. Im übrigen sei noch darauf hingewiesen, daß die Feststellung des Sachverhalts, der die Steuerpflicht begründet - an den das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld knüpft -, für den Beginn der Verjährungsfrist erheblich ist (§ 145 Abs. 1 AO a. F. und n. F.).
4. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen auch nicht aus, um dessen Auffassung zu decken, der auf der Zinslosigkeit im Jahre 1949 beruhende Steueranspruch sei nicht verjährt; dies gilt auch für den Fall, daß die Zinslosigkeit der Kreditierung im Jahre 1949 eine Mehrheit einzelner Steueransprüche bis zum Ablauf des 31. Dezember 1949 ausgelöst haben sollte. Hingegen ist die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung richtig, der Steueranspruch sei nicht verwirkt; dies wird von der Klägerin auch nicht mehr bestritten. Hinsichtlich solcher Steueransprüche, die auf Grund von Leistungen im Jahre 1951 entstanden sein könnten, ist offensichtlich die Verjährung nicht eingetreten; die Klägerin hat dies mit der Revision auch nicht geltend gemacht.
a) Ein evtl. auf der Zinslosigkeit im Jahre 1949 beruhender Steueranspruch war verjährt, als die Kapitalverkehrsteuer-Prüfung im Oktober 1956 durchgeführt wurde, wenn nicht die Verjährung vor Ablauf des 31. Dezember 1954 unterbrochen worden ist. Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich davon ausgegangen, daß eine Leistung durch zinslose Kreditierung im Laufe des Jahres 1949 bewirkt wurde, mithin mit Ablauf des 31. Dezember 1949 (§ 145 Abs. 1 AO a. F.) die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 144 AO a. F.) begonnen hat. Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, wird aber durch die Tatsache deutlich, daß sich die angefochtene Entscheidung auf im Jahr 1949 ersparte Zinsen bezieht.
Das angefochtene Urteil beruht bezüglich der Verjährung auf der Ansicht, auch für die Kapitalverkehrsteuer gelte der Grundsatz, daß eine Betriebsprüfung, die auf die Ermittlung der gesamten Verhältnisse des Steuerpflichtigen gerichtet sei, die Verjährung auch hinsichtlich solcher Tatbestände unterbreche, die vom Prüfer nicht aufgedeckt seien. Die Kapitalverkehrsteuer-Prüfung habe den Zweck, die gesamten kapitalverkehrsteuerrechtlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen zu ermitteln. Eine solche Kapitalverkehrsteuer-Prüfung unterbreche die Verjährung auch hinsichtlich solcher kapitalverkehrsteuerpflichtiger Vorgänge, die vom Prüfer nicht aufgedeckt wurden. Die im Frühjahr 1952 durchgeführte Kapitalverkehrsteuer-Prüfung habe sich nicht nur auf die Prüfung der Übernahme des Verlustes der Klägerin durch deren Schwestergesellschaft, sondern auch auf die Ermittlung der gesamten kapitalverkehrsteuerrechtlichen Verhältnisse der Klägerin erstreckt. Dies ergebe sich eindeutig daraus, daß am Schluß des Abschnittes "Gesellschaftsteuer" im Prüfungsbericht vom 12. Mai 1952 vermerkt sei: "Bis 31.12.1949 keine weiteren steuerpflichtigen Vorgänge."
Der Auffassung des FG, die im Jahre 1952 durchgeführte Kapitalverkehrsteuer-Prüfung habe die Verjährung des umstrittenen Steueranspruches unterbrochen, kann der Senat nicht beitreten. Es ist möglich, daß die Verjährung unterbrochen wurde; aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt sich jedoch nicht, daß eine Unterbrechungshandlung mit Beziehung auf den vorliegenden Steueranspruch erfolgt ist.
Nach § 147 Abs. 1 AO in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung wird die Verjährung durch jede Handlung unterbrochen, die das zuständige FA zur Feststellung des Anspruches vornimmt. Die Betriebsprüfung ist eine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung (vgl. Urteil des BFH IV 156/57 U vom 3. Juli 1958, BFH 67, 519, BStBl III 1958, 472). Dies gilt jedoch nur insoweit, als sich die Prüfungshandlungen auf den der Verjährung fähigen Anspruch beziehen. Handlung im Sinne des § 147 Abs. 1 AO a. F. ist jede nach außen wirkende Maßnahme der Behörde, die ihrem Wesen und ihrem Ziel nach bestimmt und geeignet ist, der Förderung der Sache zu dienen (Urteil des BFH IV 171/62 S vom 12. Dezember 1963, BFH 78, 567, 569, BStBl III 1964, 215, 216); die Handlung muß darauf gerichtet sein, den Steueranspruch dem Grund und/oder der Höhe nach festzustellen.
Die Tatsache allein, daß sich eine Kapitalverkehrsteuer-Prüfung auf einen bestimmten Zeitraum bezog, reicht nicht aus, auf Grund der Prüfung die Unterbrechung der Verjährung für alle Steueransprüche zu bejahen, die innerhalb dieses Zeitraumes entstanden sind. Erforderlich ist vielmehr, daß sich die Prüfungshandlung auf den einzelnen Anspruch auf Gesellschaftsteuer erstreckt. Die Feststellung des FG, die Prüfung habe sich auf den Zeitraum seit 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1949 bezogen, besagt aber nicht, daß der Prüfer sich mit dem jetzt streitigen Steueranspruch befaßt und damit dessen Verjährung unterbrochen hat.
Die Auffassung des FG, die Prüfung im Jahre 1952 habe alle verkehrsteuerrechtlichen Verhältnisse der Klägerin bis zum 31. Dezember 1949 zum Gegenstand gehabt, ist möglicherweise durch Erwägungen beeinflußt, die für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer (bis zum Inkrafttreten des § 13 des Umsatzsteuergesetzes vom 29. Mai 1967, Bundesgesetzblatt I S. 545) berechtigt sind. Bei diesen Steuern war die Entstehung des Steueranspruchs nach der Rechtslage, die zur Zeit der Entstehung der umstrittenen Gesellschaftsteuer galt, an den Ablauf bestimmter Zeiträume geknüpft (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c, Nrn. 3 und 4 StAnpG vom 16. Oktober 1934, Reichsgesetzblatt I S. 925, später § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c, Nr. 3 Buchst. b und Nr. 4 StAnpG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961). Dies trifft für die Gesellschaftsteuer nicht zu; die Gesellschaftsteuer-Schuld entsteht, sobald der Tatbestand bewirkt ist, and den das Gesetz die Steuer knüpft (§ 3 Abs. 1 StAnpG). Dementsprechend genügt es bei den sogenannten Veranlagungssteuern, daß sich Prüfungsmaßnahmen auf den Veranlagungszeitraum für die betreffende Steuer beziehen. Bei der Gesellschaftsteuer ist es hingegen unerläßlich, daß sich die Prüfungshandlung auf einen bestimmten, die Steuerschuld auslösenden Lebenssachverhalt bezieht, um die Verjährung des dieser Schuld entsprechenden Anspruches zu unterbrechen. Aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt sich nicht, daß die Ermittlungen des Beamten, der die Kapitalverkehrsteuer-Prüfung im Jahre 1952 durchgeführt hat, auf den umstrittenen Steueranspruch gerichtet waren.
Aus den §§ 91 ff., insbesondere § 98 der Durchführungsbestimmungen zum Kapitalverkehrsteuergesetz - KVStDB - 1934 (§§ 40 ff., § 47 KVStDV 1959) kann - entgegen der Ansicht der beklagten Behörde - ein anderes Ergebnis nicht abgeleitet werden. Diese Vorschriften regeln u. a. auch den Pflichtenkreis des Prüfers. Es kommt jedoch nicht darauf an, welche Handlungen der Prüfer auf Grund der Durchführungsverordnung erfüllen muß; für die Frage, ob er eine verjährungsunterbrechende Handlung bewirkt hat, kommt es allein darauf an, was er getan hat. Aus diesem Grunde kann auch aus § 98 KVStDB 1934 (§ 47 KVStDV 1959) insbesondere aus Abs. 2 dieser Vorschrift nicht der Schluß gezogen werden, der Prüfer habe alle Vorgänge geprüft, die sich im Prüfungszeitraum zugetragen haben; der Umstand, daß er nur Beanstandungen im Prüfungsbericht darzustellen hat, erlaubt nicht die Folgerung, die im Prüfungsbericht nicht dargestellten, unbeanstandet gebliebenen Vorgänge seien sämtlich geprüft.
b) Die angefochtene Entscheidung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Prüfungsauftrages aufrechterhalten werden. Der Auftrag (Urteile des BFH V 140/57 U vom 20. Februar 1958, BFH 67, 421, BStBl III 1958, 433; IV 169/62 S vom 6. Dezember 1963, BFH 78, 563, BStBl III 1964, 214) sowie das Ersuchen (Urteil des BFH IV 171/62 S), eine Betriebsprüfung durchzuführen, kommen als verjährungsunterbrechende Maßnahmen in Betracht; entsprechendes gilt auch für die Prüfung der Kapitalverkehrsteuer. Die Aufnahme in den für den Prüfungsbeamten bestimmten Geschäftsplan kann unter besonderen Umständen als Prüfungsauftrag gedeutet und damit als verjährungsunterbrechende Handlung verstanden werden (Urteil des BFH IV 169/62 S). Diese Maßnahmen sind zur Unterbrechung der Verjährung jedoch nur insoweit geeignet, als der Prüfungsbereich nach Abgabenart und Umfang bezeichnet ist (Urteil des BFH VII 45/60 S vom 22. März 1961, BFH 72, 672, BStBl III 1961, 244; vgl. auch den - für die Kapitalverkehrsteuer-Prüfung nicht geltenden - § 6 Abs. 2 der Betriebsprüfungsordnung vom 23. Dezember 1965 BStBl I 1966, 46); im Falle des Urteils IV 169/62 S ergab sich aus dem Prüfungsgeschäftsplan das Prüfungsprogramm. Dementsprechend bedarf es aus Anlaß des Auftrages zu einer Prüfung der Gesellschaftsteuer der Bezeichnung bestimmter, zu klärender Steuerfälle oder aber, wenn die Prüfung der Aufdeckung und Aufklärung unbekannter und der Überprüfung bereits bekannter Steuerfälle dienen soll, der Bezeichnung des Zeitraumes, auf den sich die Prüfung zu beziehen hat. Andernfalls kann nicht von "einer Handlung zur Feststellung des Steueranspruches" gesprochen werden.
Im angefochtenen Urteil finden sich keine Feststellungen über den Prüfungsauftrag. Die Bemerkung des FG, der Prüfungsbeamte habe im Prüfungsbericht vom 12. Mai 1952 ausgeführt, "bis 31.12.1949 keine weiteren steuerpflichtigen Vorgänge", besagt nur, daß nach Ansicht des Prüfungsbeamten andere als die im Bericht dargestellten steuerbaren Vorgänge nicht erkennbar seien. Das FG hat damit nicht festgestellt, daß ein Auftrag vorgelegen habe, der Prüfungsbeamte solle alle kapitalverkehrsteuerrechtlich relevanten Vorgänge aus der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1949 ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 68599 |
BStBl II 1969, 550 |
BFHE 1969, 129 |