Leitsatz (amtlich)
Die Umsatzsteuer, die aus der Verwertung eines zur Konkursmasse gehörigen, vor Konkurseröffnung einem Dritten sicherungsübereigneten beweglichen Gegenstandes zu Lasten des Gemeinschuldners entsteht, gehört zu den gegen den Konkursverwalter geltend zu machenden Massekosten nach § 58 Nr. 2 KO, auch wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger (Sicherungsnehmer) die Verwertung ohne Mitwirkung des Konkursverwalters durchgeführt hat.
Normenkette
UStG 1967 §§ 1, 3; KO § 58 Nr. 2, § 127
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der M GmbH & Co. KG (Gemeinschuldnerin - G -). Das Konkursverfahren wurde am 7. Juni 1971 eröffnet. Die G hatte von der Bank für Gemeinwirtschaft (Bank), zur Finanzierung des Kaufs von Kühlfahrzeugen einen Kredit aufgenommen und die Fahrzeuge an die Bank sicherungsübereignet. In der Zeit vom 21. Juni bis 6. August 1971 verwertete die Bank, ohne den Konkursverwalter eingeschaltet zu haben, die Fahrzeuge entsprechend den Bestimmungen der Sicherungsverträge und befriedigte mit dem Erlös ihre Ansprüche aus den Kreditverträgen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zog den Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter durch Umsatzsteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum vom 8. Juni bis 31. Dezember 1971 in Abweichung von der Steuererklärung des Klägers auch wegen der vorbezeichneten Verwertung zur Umsatzsteuer heran. Die mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage (§ 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), mit der der Kläger die Veranlagung nach der Berechnung in seiner Steuererklärung begehrt, hat das Finanzgericht (FG) unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1972 V R 121/71 (BFHE 106, 383, BStBl II 1972, 809) abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und führt dazu aus: Das FG habe verkannt, daß gemäß § 4 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolge und gemäß § 48 KO Sicherungsgläubiger abgesonderte Befriedigung aus den ihnen zur Sicherung übereigneten Gegenständen, nicht aber aus der Konkursmasse beanspruchen könnten. In der Verwertung des Sicherungsgutes durch die Bank könne kein steuerbarer Umsatz des Konkursverwalters liegen, weil die Bank die Fahrzeuge entsprechend ihren Befugnissen aus den Sicherungsverträgen freihändig verkauft habe, ohne daß dem Konkursverwalter die Möglichkeit einer Einwirkung geboten worden sei. Die Kosten der Verwertung von sicherungsübereigneten Gegenständen durch den Sicherungsnehmer als Absonderungsberechtigtem gehörten nicht zu den Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO. Die vom Konkursverfahren abgesonderte Befriedigung dürfe die Konkursmasse nicht mit einer zusätzlichen Massekostenforderung belasten. Die Belastung der Konkursmasse mit Umsatzsteuer, die durch die Verwertung von Sicherungsgut durch einen Vorbehaltsgläubiger entstehe, verstoße gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG), da sie die Ansprüche der Konkursgläubiger beeinträchtige. Der Erteilung einer Gutschrift über den Verwertungserlös gemäß § 5 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - 1. UStDV - seitens der Bank habe er widersprochen, so daß die geforderte Umsatzsteuer auch nicht als Folge einer Gutschrift entstanden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer erklärungsgemäß festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich das FG angeschlossen hat und an der der erkennende Senat festhält, kann die Übertragung des Eigentums an beweglichen Gegenständen unter Begründung eines Besitzkonstituts i. S. des § 930 BGB nicht als Lieferung nach § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) beurteilt werden, wenn die Übereignung der Sicherung einer Forderung des Erwerbers (Sicherungsnehmers) dient und nach den von diesem obligatorisch übernommenen Verfügungsbeschränkungen keine andere wirtschaftliche Bedeutung hat als der Erwerb eines Pfandrechts. Der Sicherungsgeber, der - wie im vorliegenden Falle - selbst Schuldner der gesicherten Forderung ist, liefert jedenfalls dann den ursprünglich nur zur Sicherung übergebenen Gegenstand entgeltlich an den Sicherungsnehmer und Gläubiger der gesicherten Forderung, wenn dieser das Sicherungsgut zum Zwecke seiner Befriedigung an einen Dritten veräußert. Denn abgesehen von den später zu erörternden Fallgestaltungen, die unter den Bedingungen des Konkursverfahrens eintreten können (vgl. unter 2. b) und c)), erlangt der Sicherungsnehmer erst mit dem Beginn der Veräußerung, d. h. mit der rechtlich bindenden Offerte an den Dritten, die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut, deren Übertragung die Lieferung kennzeichnet (§ 3 Abs. 1 UStG 1967).
a) Ausschlaggebend für diese Auffassung ist, daß der Sicherungsnehmer nach den Bestimmungen des Sicherungsvertrags bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet ist, dem Sicherungsgeber die Auslösung des Sicherungsgutes zu gestatten. Der Sicherungsgeber überträgt zwar Eigentum. Er ist sich dabei aber mit dem Sicherungsnehmer darüber einig, daß dieser von der dem Eigentum innewohnenden Verfügungsmacht bis zum Eintritt des Sicherungsfalles keinen Gebrauch machen dürfe und werde. Im Gegensatz zu der von Knobbe-Keuk in Abschn. IV, 3 der Abhandlung "Konkurs und Umsatzsteuer" (Der Betriebs-Berater 1977 S. 757 [765] - BB 1977, 757 [765] -) vertretenen Meinung führt der Sicherungsgeber bei Abschluß des Sicherungsvertrages keine Lieferung aus, da er entsprechend seinem umsatzsteuerrechtlich relevanten Vertragswillen (vgl. Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 24) zugunsten des Sicherungsnehmers lediglich eine Rechtsstellung begründet, die nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Regelpfandrecht weit ähnlicher und damit schwächer ist als die Verfügungsmacht im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Denn erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Sicherungsgeber das Sicherungsgut nach dem Sicherungsvertrag nicht mehr auslösen kann, ist der Sicherungsnehmer wirtschaftlich in der Lage, die dem übertragenen Eigentum innewohnende Verfügungsmacht in auch umsatzsteuerrechtlich relevanter Weise auszuüben (Vornahme der Verwertung). Dies gilt im übrigen auch für den hier nicht näher zu erörternden Fall, daß der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut vertragswidrig verwertet.
b) Die nunmehr bewirkte Lieferung ist auch - ebenfalls im Gegensatz zu den Ausführungen von Knobbe-Keuk (a. a. O.) - als entgeltlich zu beurteilen, weil der Sicherungsgeber durch diese Lieferung in Höhe des erzielten zivilrechtlichen Entgelts aus der Verwertung des Sicherungsgutes von seiner Schuld an den Sicherungsnehmer befreit wird (vgl. dazu BGHZ 58, 292 und Mentzel/Kuhn, Konkursordnung, Kommentar, 8. Aufl., Rdnr. 73 a zu § 1, sowie die BFH-Urteile vom 1. Juni 1967 V 208/64, BFHE 90, 247, BStBl II 1968, 68, mit weiteren Nachweisen, und vom 9. Juli 1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645, Nr. 3 der Gründe).
2. Im Konkursverfahren des Sicherungsgebers wird das von diesem sicherungsübereignete Gut wie rechtsgeschäftlich verpfändete Habe des Gemeinschuldners behandelt. Es unterliegt dem Konkursbeschlag (§ 6 KO). Dem Sicherungsnehmer steht deshalb nicht das Aussonderungsrecht des Eigentümers (§ 43 KO), sondern nur der Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Sicherungseigentum zu (§ 48 KO; vgl. Böhle/Stamschräder, Konkursordnung, § 48 Anm. 5 a; Mentzel/Kuhn, a. a. O., § 48 Rdnr. 13). Macht der Sicherungsnehmer von diesem Recht Gebrauch, so verbindet sich damit eine dem Konkursverwalter zuzurechnende Lieferung an den Sicherungsnehmer. Diese ist stets eine Verwertungshandlung i. S. des § 58 Nr. 2 KO.
a) Der Konkursverwalter ist nach Maßgabe des § 127 Abs. 1 KO berechtigt, zur Masse gehörige bewegliche Gegenstände, die sicherungsübereignet sind, selbst zu verwerten. Die entsprechende Verwertungshandlung ist umsatzsteuerrechtlich als eine unmittelbar an den Abnehmer erbrachte entgeltliche Lieferung zu beurteilen. Die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 anfallende Umsatzsteuer gehört dabei nach herrschender Meinung als Ausgabe für die Verwertung der Masse gemäß § 58 Nr. 2 KO zu den Massekosten (BFH-Urteil vom 4. Juli 1957 V 199/56 U, BFHE 65, 131, BStBl III 1957, 282; Mentzel/Kuhn, a. a. O., Rdnr. 49 zu § 6 und Rdnr. 18 zu § 127).
b) Gibt jedoch der Konkursverwalter die zur Sicherung übereigneten Gegenstände der Konkursmasse aus eigener Initiative (vgl. § 127 Abs. 2 KO) oder auf Anforderung des Sicherungsnehmers an diesen zur Verwertung frei, so liefert er an den Sicherungsnehmer. Im Gegensatz zu der oben unter 1. behandelten Fallgestaltung bewirkt der Konkursverwalter hier die Lieferung an den Sicherungsnehmer nicht erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer, sondern bereits mit der Freigabe. Denn der Konkursverwalter bringt mit dieser Handlung kraft der ihm gemäß § 6 Abs. 2 KO eingeräumten Verfügungsmacht rechtlich bindend zum Ausdruck, daß er auf das dem Sicherungsgeber (Gemeinschuldner) im Sicherungsvertrag bis zur Verwertung vorbehaltene Recht auf Auslösung des Sicherungsgutes verzichtet. Er räumt dem Sicherungsnehmer die volle Verfügungsmacht unwiderruflich ein. Diese Verschaffung ist entgeltlich, da sie der Konkursverwalter ausführt, um die Masse von der gesicherten Forderung des absonderungsberechtigten Gläubigers, soweit der Verwertungserlös ausreicht, zu befreien (vgl. dazu § 127 Abs. 1 Satz 2 KO) und um den Differenzbetrag für die Masse zu gewinnen, soweit der Erlös die Forderung übersteigt. Die Freigabe ist deshalb eine Verwertungshandlung i. S. des § 58 Nr. 2 KO, und die dabei angefallene Umsatzsteuer gehört zu den Massekosten.
c) Die gleiche Rechtsfolge wie im Falle b) tritt ein, wenn der nachmalige Gemeinschuldner den Sicherungsnehmer vor der Konkurseröffnung berechtigt hatte, bei Eintritt bestimmter Umstände - so bei seinem Vermögensverfall - die zur Sicherung übereigneten Gegenstände selbständig und ohne die Ankündigung seiner Absicht zu verwerten. Beim Vorliegen solcher Umstände ist das dem Sicherungsnehmer übertragene Eigentum von den vertraglichen Verfügungsbeschränkungen befreit (vgl. oben unter 1. a). Veräußert der Sicherungsnehmer nunmehr das Sicherungsgut, dann zieht er - ohne daß es einer besonderen Handlung des bisherigen Inhabers der Verfügungsmacht bedarf - mit der Verwertung zugleich die Verfügungsmacht vertragsgemäß an sich. Die Umsatzsteuerrechtliche Lieferung ist in solchen Fällen dem bisherigen Inhaber der Verfügungsmacht zuzurechnen.
Im vorliegenden Falle war deshalb Lieferer der zur Sicherung übereigneten Massegegenstände der Konkursverwalter, da er über diese allein verfügungsberechtigt war (§ 6 KO) und seine Verfügungsbefugnis gemäß den vorkonkurslichen Sicherungsverträgen nur zugunsten des absonderungsberechtigten Gläubigers hätte ausüben können (vgl. Mentzel/Kuhn, a. a. O., Rdnr. 49 zu § 6 KO).
Die Umsatzsteuer für diese Lieferung ist deshalb gemäß § 58 Nr. 2 KO zu Lasten der Konkursmasse entstanden.
3. Die Frage, ob die Bank zur Erteilung einer Gutschrift i. S. des § 5 der 1. UStDV berechtigt ist, ist - wie das FG zutreffend unter Hinweis auf die BFH-Entscheidung V 121/71 (letzter Absatz) ausgeführt hat - für die Entscheidung der vorliegenden Sache ohne Bedeutung. Der Widerspruch des Klägers gegen die Erteilung der Gutschrift konnte die Entstehung der Umsatzsteuer zu Lasten der Masse nicht hindern (vgl. dazu Mentzel/Kuhn, a. a. O., Rdnr. 18 zu § 127 KO).
4. In der Rechtsordnung findet auch die Meinung des Klägers keine Stütze, daß die Belastung der Konkursmasse mit Umsatzsteuer in denjenigen Fällen die Ansprüche der Konkursgläubiger und damit auch Art. 14 GG verletze, in denen der zur abgesonderten Befriedigung Berechtigte die Verwertung von Pfandsachen oder Sicherungseigentum selbst ausführt. Vielmehr werden die nach den Steuergesetzen aus der Verwertung der Konkursmasse entstandenen Ansprüche des Finanzamts gemäß § 58 Nr. 2 KO als Massekosten anerkannt. Die Verwirklichung dieser Ansprüche ist deshalb keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums oder eigentumsgleicher Rechte.
5. Der Kläger kann schließlich auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die Konkursmasse dürfe nicht zusätzlich mit Umsatzsteuer (aus der eigenen Lieferung, die durch die Lieferung der Bank ausgelöst wurde) belastet werden; die Bank bleibe umsatzsteuerrechtlich völlig unbelastet, da sie die geschuldete und zu zahlende Umsatzsteuer von den Erwerbern vereinnahme und gleichzeitig diesen Betrag als Vorsteuer nach § 15 UStG 1967 absetzen könne. Dazu ist folgendes zu sagen: Die G konnte bei Erwerb der jetzt verwerteten Kraftfahrzeuge (Kfz) die ihr gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Die Kfz waren somit, solange sie im Unternehmen der G eingesetzt wurden, steuerlich unbelastet (von der Selbstverbrauchsteuer kann hier abgesehen werden). Jede Weiterveräußerung der Kfz löst Umsatzsteuerpflicht aus. Dabei ist es umsatzsteuerrechtlich gleichgültig, ob der Konkursverwalter Gegenstände der Konkursmasse im Rahmen des Konkursverfahrens verwerten kann oder wegen eines Absonderungsrechts an den Sicherungsnehmer liefern muß. Die bei ihm anfallende Umsatzsteuer gehört in jedem Falle zu den die Konkursmasse treffenden Kosten. Stellt der Konkursverwalter eine Rechnung gemäß § 14 UStG 1967 nicht aus oder widerspricht er - wie im vorliegenden Falle - der Erteilung einer Gutschrift i. S. des § 5 der 1. UStDV seitens der Bank, dann verhindert er bei der Bank den ihr grundsätzlich nach § 15 UStG 1967 zukommenden Abzug dieser Steuer als Vorsteuer. Der vom Kläger behauptete wirtschaftliche Vorteil der Bank, der darin bestehen soll, daß deren Umsatzsteuerbelastung durch den Vorsteuerabzug ausgeglichen wird, tritt in Wirklichkeit dann nicht ein. Ob auch in einem solchen Falle eine vollständige Befriedigung der Bank angenommen werden kann, hatte der Bundesgerichtshof noch nicht zu entscheiden. Jedenfalls folgt aus der Systematik des neuen Umsatzsteuerrechtes keine Benachteiligung der Konkursmasse, die die rechtlichen Vorstellungen des Klägers rechtfertigen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 72878 |
BStBl II 1978, 684 |
BFHE 1979, 84 |