Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
Leitsatz (NV)
1. Nur ein zeitnah geführtes Fahrtenbuch ist ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.
2. Das Merkmal der Zeitnähe bezieht sich auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen einer durchgeführten Fahrt und dem schriftlichen oder elektronischen Festhalten dieser Fahrt in einer Aufzeichnung, die die Anforderungen an ein Fahrtenbuch erfüllt.
3. Zur Frage der Doppelbelastung eines Selbstständigen, der die Fahrtkostenerstattungszahlungen seiner Auftraggeber als Betriebseinnahmen versteuern muss.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 13, 16, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1996 und 1997 als Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seinen Gewinn ermittelte er gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger die private Nutzung seines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeugs nicht als Entnahme angesetzt hatte. Das Finanzamt --FA-- ermittelte daraufhin die Privatanteile nach der sogenannten 1 v.H.-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und änderte im Jahr 2002 die Steuerfestsetzungen entsprechend.
Im Einspruchsverfahren legte der Kläger Aufstellungen über die durchgeführten Fahrten vor, die er als Fahrtenbücher behandelt wissen wollte. Die Fahrtaufstellungen hatte er im Nachhinein anhand von Tankbelegen, Werkstattrechnungen, Fahrtkostenabrechnungen mit seinen Auftraggebern und ähnlicher Unterlagen angefertigt. Aus ihnen ergaben sich Privatanteile von 7,98 v.H. für das Jahr 1996 und 12,88 v.H. für das Jahr 1997.
Weder das FA noch das Finanzgericht (FG) erkannten die nachträglich erstellten Fahrtenbücher an. Im angegriffenen Urteil vertrat das FG die Auffassung, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nur gegeben sei, wenn die Eintragungen zeitnah erfolgten. Eine im Nachhinein anhand von --lücken- und fehlerhaften-- Aufstellungen und Belegen gefertigte Reinschrift genüge nicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, dass das FG zu Unrecht die 1 v.H.-Regelung angewendet habe.
Im Streitfall lägen ordnungsgemäße Fahrtenbücher vor. Die eingereichten Dokumentationen zur Abgrenzung der privaten von den beruflichen Fahrten seien zeitnah erstellt worden, weil eine Bestandskraft der Steuerbescheide wegen eines Nachprüfungsvorbehalts gemäß § 164 der Abgabenordnung noch nicht eingetreten und die Ausübung des Wahlrechts gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG noch möglich gewesen sei.
Stelle man an das Vorliegen der "Zeitnähe" schärfere Anforderungen, so müsse darauf hingewiesen werden, dass die den Reinschriften zugrunde liegenden Aufzeichnungen bereits im jeweiligen Veranlagungszeitraum erstellt worden seien. Das Herstellen von Voraufzeichnungen genüge. Es seien im Wesentlichen die Maßstäbe anzuwenden, die bei der Buchführung Geltung beanspruchten. Es genüge hier zunächst, den Geschäftsvorfall zu erfassen und später den Jahresabschluss --oder im übertragenen Sinne das Fahrtenbuch-- zu erstellen.
Die vom FG festgestellten, aber nicht gewichteten Unklarheiten und Unstimmigkeiten inhaltlicher Natur seien nicht als gravierende Unrichtigkeiten zu qualifizieren und stünden daher der Annahme ordnungsgemäßer Fahrtenbücher nicht entgegen.
Schließlich komme es beim Kläger zu einer Doppelversteuerung, die ihn im Vergleich zu Arbeitnehmern benachteilige. Er habe als Selbständiger die Reisekostenerstattungen seiner Auftraggeber als Betriebseinnahmen zu versteuern. Der in Folge der Anwendung der 1 v.H.-Regelung zu hohe Privatanteil (im Vergleich zu dem tatsächlichen Privatanteil gemäß Fahrtenbuch) führe in Form eines fiktiven Entnahmebetrages ebenfalls zu einer Gewinnerhöhung und damit Versteuerung. Bei einem Arbeitnehmer komme es nicht zu einer derartigen Doppelbelastung, weil dort die Reisekostenerstattungen gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei blieben.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG insoweit abzuändern, dass der Anteil der Privatfahrten für die Jahre 1996 und 1997 auf der Grundlage der nachträglich erstellten Fahrtenaufzeichnungen berücksichtigt wird.
Das FA schließt sich den Ausführungen im angegriffenen Urteil an und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend davon kann die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese im Grundsatz nur für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich geltende Regelung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist bei der Ermittlung des Gewinns durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 3 EStG entsprechend anzuwenden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03, BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985; vom 1. März 2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403; vom 14. Dezember 2006 IV R 62/04, BFH/NV 2007, 691).
b) Der Begriff eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG wird vom Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt. Der BFH hat jedoch aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung geschlossen, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist und dass es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt (BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; in BFH/NV 2007, 691).
Die vom Gesetz verlangte "buch"-förmige äußere Gestalt der Aufzeichnungen bedeutet, dass die erforderlichen Angaben in einer gebundenen oder jedenfalls in einer in sich geschlossenen Form festgehalten werden müssen, die nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließt oder zumindest deutlich als solche erkennbar werden lässt. Aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ergibt sich ferner, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht nur fortlaufend in einer geordneten und geschlossenen äußeren Form, sondern vor allem auch zeitnah zu führen ist. Ziel ordnungsgemäßer Aufzeichnungen ist es, die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen. Dieser Anforderung wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Änderungen, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen (BFH-Urteile in BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, und in BFH/NV 2007, 691).
2. Die von den Klägern vorgelegten Fahrtenbücher entsprechen danach nicht den Anforderungen an ein "ordnungsgemäßes" Fahrtenbuch. Sie sind nicht zeitnah, sondern unstreitig mit deutlichem zeitlichem Abstand erstellt worden.
3. Rechtsfolge des Fehlens ordnungsgemäßer Fahrtenbücher ist die Anwendung der 1 v.H.-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Diese liegt der Ermittlung der Privatanteile in den angefochtenen Steuerbescheiden zugrunde. Anhaltspunkte für Fehler bei der Berechnung sind nicht ersichtlich; auch die Kläger haben insoweit keine Beanstandungen erhoben.
4. Die Einwendungen der Revision rechtfertigen keine andere Beurteilung des Streitfalles.
a) Das Vorbringen, das Merkmal der Zeitnähe sei im Streitfall noch erfüllt, weil jeder Geschäftsvorfall unverzüglich verbucht worden oder die Veranlagung noch nicht in materieller Bestandskraft erwachsen sei, ist rechtlich unerheblich. Das Merkmal der Zeitnähe bezieht sich allein auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen einer durchgeführten Fahrt und dem schriftlichen oder elektronischen Festhalten dieser Fahrt in einer Aufzeichnung, die die Anforderungen an ein Fahrtenbuch erfüllt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408).
b) Ob, wie die Revision weiter meint, die Fahrtenbücher nur geringfügige inhaltliche Unstimmigkeiten enthalten, kann im Hinblick auf die fehlende Zeitnähe der Aufzeichnungen dahinstehen.
c) Die gerügte Benachteiligung Selbstständiger im Vergleich zu Arbeitnehmern liegt ebenfalls nicht vor. Auch führt die Besteuerung der Fahrtkostenerstattungszahlungen als Betriebseinnahmen im Streitfall zu keiner Doppelbelastung.
Reisekostenerstattungen, die ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber erhält, können nach § 3 Nr. 13 oder nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei sein. Dies gilt aber nur, wenn die Erstattungszahlungen der Abgeltung eines Aufwandes dienen, der, hätte ihn der Arbeitnehmer selbst zu tragen, als Werbungskosten abziehbar wären (BFH-Urteile vom 27. Mai 1995 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17; vom 8. Oktober 2008 VIII R 58/06, BFHE 223, 139, BFH/NV 2009, 66, m.w.N.). Aufgrund dieser Auslegung (Werbungskostenersatz) handelt es sich bei § 3 Nr. 13 und § 3 Nr. 16 EStG lediglich um Vereinfachungsbefreiungen (vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 13 EStG Rz 2, § 3 Nr. 16 EStG Rz 1). Im materiellen Ergebnis wird der Arbeitnehmer im Vergleich zum Selbständigen jedoch nicht besser gestellt. Denn Letzterer muss zwar die Fahrtkostenerstattungen seiner Auftraggeber als Betriebseinnahmen erfassen, er kann aber im Gegenzug seine betrieblichen Fahrtaufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben absetzen. Zu der von den Klägern gerügten doppelten Belastung kann es nur kommen, wenn der Selbstständige den Umfang seiner betrieblichen Fahrtaufwendungen nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachzuweisen vermag und die private Fahrzeugnutzung deshalb anhand der 1 v.H.-Regelung zu ermitteln ist.
Die vermeintliche Beschwer der Kläger ergibt sich in diesem Fall jedoch allein aus der Bewertung der privaten Nutzungsentnahme und dem hiervon abhängenden Umfang des Betriebsausgabenabzugs. Durch die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geregelte Typisierung kann es zu einem Wertansatz kommen, der höher ist als der Betrag, der sich aufgrund einer individuellen Bestimmung des Privatanteils nach der Fahrtenbuchmethode ergeben würde. Hierbei handelt es sich um die zwangsläufige Folge der typisierenden Ermittlung der Privatnutzung und des fehlenden Nachweises der tatsächlichen Verhältnisse, die nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch hätten nachgewiesen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 2191018 |
BFH/NV 2009, 1422 |
HFR 2009, 1187 |