Leitsatz (amtlich)
Die Nichtabzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens der nichtnatürlichen Personen widerspricht nicht dem Grundgesetz.
Normenkette
KStG § 12 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Rechtsgültigkeit des Abzugsverbots in § 12 Nr. 2 KStG, soweit es die Vermögensteuer betrifft. Während die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, die Vorschrift insoweit wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig hält, halten der Revisionsbeklagte (FA) und das FG ihre Vereinbarkeit mit dem GG für gegeben. Das FG begründet seine Entscheidung, die in EFG 1966, 487 veröffentlicht ist, wie folgt:
Der Gleichheitsgrundsatz, der nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für nichtnatürliche (juristische) Personen gilt, gebiete es dem Gesetzgeber, tatsächlich gleichgelagerten Sachverhalten gleiche, nicht ungleiche (unterschiedliche) Rechtsfolgen zuzuordnen, soweit nicht aus der Natur der Sache gegebene oder sonstwie sachlich einleuchtende und vernünftige Gründe für die gesetzliche Differenzierung, d. h. für die Zuordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen, erkennbar seien und Willkür ausgeschlossen sei (Urteil des BFH VI 20/58 U vom 28. Februar 1958, BFH 66, 512, BStBl III 1958, 196). Der Umstand, daß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG den natürlichen Personen den Abzug gezahlter Vermögensteuer vom Gesamtbetrag der Einkünfte als Sonderausgabe gestatte, begründe für sich allein noch nicht die Auffassung, daß § 12 Nr. 2 KStG deshalb insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, als er den nichtnatürlichen Personen den Abzug der Vermögensteuer versage. Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung sei vielmehr angesichts der tiefgreifenden Unterschiede zwischen natürlichen und nichtnatürlichen Personen begründet. Den nichtnatürlichen Personen fehle es insbesondere an natürlicher Handlungsfähigkeit sowie - im Gegensatz zu den natürlichen Personen - an einem eigenen privaten Bereich. Sie seien handlungsfähig nur durch ihre bestellten gesetzlichen Vertreter (natürliche Personen); natürliche Personen seien auch stets letzten Endes Bezugspunkt der den juristischen Personen auferlegten Rechte und Pflichten, da alle Veränderungen im Wesen einer juristischen Person die hinter ihr stehenden natürlichen Personen träfen. Infolgedessen sei ein großer Teil der auf natürliche Personen zugeschnittenen Vorschriften des EStG auf nichtnatürliche Personen nicht anwendbar, so daß die unterschiedliche Regelung bestimmter Besteuerungsmerkmale bei ihnen nicht nur geboten, sondern geradezu ein legitimes Mittel der Wirtschaftssteuerung sei (BFH-Urteil I 302/61 S vom 16. November 1965, BFH 84, 268, BStBl III 1966, 97). Deshalb liege in dem Verbot der Abzugsfähigkeit von Personensteuern auch dann keine Willkür, wenn das Gesetz bestimmte, ihrem Wesen nach als Betriebsausgaben anzusehende Personensteuern bei den nichtnatürlichen Personen für nichtabzugsfähig erkläre.
Schließlich stehe der Abzugsfähigkeit gezahlter Vermögensteuer bei den natürlichen Personen - die ursprünglich einer bei den juristischen Personen nicht gegebenen übermäßigen Belastung der natürlichen Personen durch die Einkommensteuer habe begegnen sollen (BFH-Urteil IV 82/52 U vom 10. Juni 1952, BFH 56, 509, BStBl III 1952, 198), die dann aber später (ohne die Möglichkeit ihrer Nachprüfung durch die Gerichte) beibehalten worden sei (eine Nachprüfung ihrer Beibehaltung sei den Gerichten verwehrt, solange das Verhalten des Gesetzgebers nicht willkürlich die Grundrechte der Bürger verletze: BFH-Urteil VI 42/64 S vom 15. Oktober 1965 (BFH 84, 290, BStBl III 1966, 106) - die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen bei den nichtnatürlichen Personen gegenüber.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie folgendes vortagen läßt:
Die unterschiedliche Behandlung natürlicher und nichtnatürlicher Personen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer verstoße entscheidend gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Nichtberücksichtigung einer Betriebsausgabe mit dem Grundsatz der Besteuerung des Nettoeinkommens, wie er dem EStG wie dem KStG zugrunde liege, nicht vereinbar sei. Nach diesem Grundsatz solle nur der Ertrag des Unternehmens steuerlich erfaßt werden (Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962, BStBl I 1962, 500); auch sei die Steuerpflichtige nach Handelsrecht gehalten, die Vermögensteuer als Aufwandsposten zu behandeln (§ 157 Abs. 1 Nr. 24 AktG 1965). Mit dem Verbot des Abzugs der Vermögensteuer überschreite der Gesetzgeber aber auch die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens und durchbreche er die zivilrechtliche Ordnung, an die das KStG in seinem § 1 anknüpfe, indem er die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Personen beiseiteschiebe. Diese Durchbrechung der Zivilrechtsordnung sei verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 12 Nr. 2 KStG, soweit sie den nichtnatürlichen Personen den Abzug der Vermögensteuer versagt, ist in letzter Zeit verschiedentlich gestellt worden. Sie wird insbesondere verneint von Buttgereit (GmbH-Rundschau 1964, 119), Meyer-Arndt (Der Betrieb 1965, 159) und Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 11 zu § 12 KStG. Die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer sei ein Problem der Einkommensermittlung. Da der Einkommensermittlung das Nettoprinzip, d. h. die Abzugsfähigkeit aller Ausgaben, die der Erzielung des Einkommens dienen, als Sachgesetzlichkeit innewohne, die Vermögensteuer bei Körperschaften aber unstreitig eine Betriebsausgabe sei (BFH-Urteil I 39/50 S vom 16. Januar 1951, BFH 55, 93, BStBl III 1951, 37) und damit zu den Kosten des Betriebsvermögens gehöre, verletze das Verbot des § 12 Nr. 2 KStG die Bindung des Gesetzgebers an die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit (Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58, a. a. O.). Die Absicht, den Ertrag der Körperschaftsteuer zu steigern, könne die Abweichung der körperschaftsteuerlichen Regelung von der einkommensteuerlichen Regelung nicht überzeugend begründen. Wenn auch die Körperschaftsteuer eine besondere Erscheinungsform der Einkommensteuer sei und deshalb für die Besteuerung der nichtnatürlichen Personen wegen der unterschiedlichen Natur der Steuerpflichtigen - bei der Einkommensteuer natürliche, bei der Körperschaftsteuer nichtnatürliche Personen - in mehrfacher Hinsicht eine Ergänzung der einkommensteuerlichen Vorschriften geboten sei, so sei doch für die in § 12 Nr. 2 KStG erfolgte Durchbrechung der Sachgesetzlichkeit der Einkommensermittlung bei den nichtnatürlichen Personen eine Zwangsläufigkeit nicht erkennbar.
Rose (Finanz-Rundschau - FR - 1963, 561 [564]; Steuerberater_Jahrbuch 1965/66, 245 [251]) stellt in seinen Betrachtungen der Ergebnismodifikationen und ihrer Auswirkung auf die Ertragsteuersätze fest, daß das wirkliche Ergebnis einer Kapitalgesellschaft relativ um so geringer besteuert werde, je größer es sei, und pointiert für die Hinzurechnungsvorschrift des § 12 Nr. 2 KStG bezüglich der Nichtabzugsfähigkeit der Vermögensteuer: Je größer die Rendite des Unternehmens sei, desto geringer sei die relative Körperschaftsteuerbelastung seines Gewinns und umgekehrt.
Umgekehrt argumentiert Weissenborn (FR 1958, 376), der die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer der natürlichen Personen als Sonderausgabe bekämpft, daß die Vermögensteuer eine Vorbelastung des aus dem Vermögen stammenden Einkommens sei, das steuerlich stärker belastet werden solle als das ungesicherte Einkommen.
2. Die Vermögensteuer ist ihrem Wesen nach keine echte Substanzsteuer. Sie bezweckt vielmehr eine Ergänzung der Einkommensbesteuerung. Zum Zwecke der steuerlichen Erfassung der durch Vermögenswerte gesicherten Einkünfte, des "fundierten" Einkommens, hebt sie auf das Vermögen der Steuerpflichtigen ab, das im allgemeinen die Grundlage einer größeren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit darstellt, als die persönliche Arbeitskraft sie darstellen kann (siehe dazu Urteil des BVerfG 1 BvR 845/58, a. a. O., III 4 Buchst. e (2); Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 89 zu § 10 EStG). "Legt man bei fundierten Bezügen einen Durchschnittsertrag von 5 % zugrunde, so bedeutet der gegenwärtige Steuersatz von 1 %, daß die Vermögensteuer die Einkommensteuer um 20 % erhöht, die sich bei natürlichen Personen durch Abzugsfähigkeit bei Ermittlung des Einkommens auf annähernd 10 % mindern mögen (bei Körperschaften jedoch kein Abzug)" (so Bühler, Steuerrecht, 3. Aufl., Band II, S. 164). Und für das schweizerische Recht, dessen Vorschriften über die steuerliche Erfassung des Vermögens ebenfalls nicht nur die Substanz, sondern vor allem auch deren Erträgnisse im Auge haben, heißt es bei Blumenstein (System des Steuerrechts, 2. Auflage, Band I, S. 107): "Bezieht man diese (nämlich die Erträgnisse des Vermögens) gemäß der modernen Auffassung in eine allgemeine Einkommensteuer ein, so verliert damit die Vermögensteuer einen wesentlichen Teil ihrer fiskalischen und steuertechnischen Wirksamkeit und stellt deshalb nur noch eine Ergänzung zur allgemeinen Einkommensteuer dar (Ergänzungsteuer)."
Danach ist die Vermögensteuer als eine - anerkanntermaßen - Ergänzung der allgemeinen Einkommensteuer weder begrifflich noch auch im Rahmen des § 12 Nr. 2 KStG von den dort genannten Steuern vom Einkommen derart zu trennen, daß sie zu diesen in Gegensatz zu setzen wäre. Für die Steuern vom Einkommen aber ist das Verbot ihres Abzugs in § 12 Nr. 2 KStG unbestritten verfassungsmäßig einwandfrei (siehe Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 10, 11 zu § 12 KStG). Da aber auch die Einkommensbesteuerung - qua Körperschaftsteuer - bei den nichtnatürlichen Personen, insbesondere bei der Aktiengesellschaft (§ 157 Abs. 1 Nr. 24 AktG 1965) und der GmbH, zu einer Betriebsausgabe führt, kann angesichts der Charakterisierung der Vermögensteuer als Betriebsausgabe eine Durchbrechung des Grundsatzes der Nettobesteuerung und damit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht gefunden werden.
Mit dem Abzugsverbot hat der Gesetzgeber deshalb auch nicht jede zivilrechtliche Ordnung durchbrochen, an die das KStG in seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaften anknüpft. Denn der rechtlichen Selbständigkeit der nichtnatürlichen Personen tut die Vorschrift des § 12 Nr. 2 KStG keinen Abbruch, wenn sie - in Angleichung ihrer Einkommensbesteuerung an die Einkommensbesteuerung der natürlichen Personen - die Berechnung des Nettoeinkommens als das um die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) und die sie ergänzende Vermögensteuer ungekürzte Einkommen sicherstellt.
Was schließlich die vom Gesetzgeber zugelassene Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei den natürlichen Personen betrifft, so schließt sich der Senat den Ausführungen des FG über die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung der natürlichen und nichtnatürlichen Personen an. Die Zulassung der Abzugsfähigkeit im einen Fall vermag deshalb nicht das Verbot der Abzugsfähigkeit im anderen Fall als verfassungswidrig zu kennzeichnen.
Fundstellen
Haufe-Index 412844 |
BStBl II 1968, 189 |
BFHE 1968, 33 |