Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Steuerberechnung gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1953 bei der Nachzahlung von Ruhegehalt.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 4, § 34/3
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) erhielt im Jahr 1953 erstmals Ruhegehalt in Höhe von 4.956 DM auf Grund seiner früheren Tätigkeit als Beamter, das zum Teil eine Nachzahlung für die Jahre 1951 und 1952 war. Das Finanzamt legte den Gesamtbetrag nach Abzug des Werbungskostenpauschales von 312 DM zusammen mit den übrigen Einkünften des Bg. der Einkommensbesteuerung zugrunde. Mit dem Einspruch hiergegen machte der Bg. unter anderem geltend, die Einkommensteuer für den Nachzahlungsbetrag sei so festzusetzen, als seien die nachgezahlten Beträge ihm in den Jahren zugeflossen, für die sie gezahlt seien. Der Einspruch wurde in diesem Punkt als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung hatte dagegen Erfolg.
Das Finanzgericht bejahte die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953. Die Bezüge des Steuerpflichtigen (Stpfl.) seien als Ruhegehalt zwar nicht die Entlohnung für eine Tätigkeit, wie dies der Wortlaut dieser Vorschrift fordere. Die Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 entspreche jedoch dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung; denn Ruhegehaltszahlungen beruhten auf einer früheren Tätigkeit. Da der Bg. die Nachzahlung für 1951 und 1952 aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, erst nach Ablauf dieser Jahre erhalten habe, liege auch die in § 34 Abs. 4 EStG 1953 vorausgesetzte Zusammenballung von Einnahmen vor. Nach Abschnitt 161 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 sei die Steuer in diesen Fällen in der Höhe zu erheben, die sich ergeben hätte, wenn die Einnahme in den Jahren zugeflossen wäre, zu denen sie wirtschaftlich gehörte. Wenn § 34 Abs. 4 EStG 1953 bestimmte, daß die Einkünfte aus der Nachzahlung als Einkünfte der Vorjahre anzusehen seien, so könnten damit nach der Ausdrucksweise des EStG nur die um die Werbungskosten verminderten Einnahmen gemeint sein. Bei der Errechnung der Mehrsteuern für die Vorjahre seien daher die für diese Jahre anzusetzenden Einnahmen um die Werbungskosten zu kürzen, sofern die Werbungskosten nicht bereits bei der Veranlagung für diese Jahre berücksichtigt worden seien. Da der Bg. in den Jahren 1951 und 1952 keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehabt habe, müßten deshalb bei der Feststellung der Mehrsteuern der Vorjahre gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1953 die für diese Jahre anzusetzenden Nachzahlungsbeträge jeweils um die Werbungskostenpauschbeträge von 312 DM gekürzt werden. Entsprechend müsse auch bei den Sonderausgaben der für Arbeitnehmer geltende höhere Pauschsatz Berücksichtigung finden, da in dem Einkommen nunmehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthalten seien. Zuungunsten des Stpfl. ergebe sich andererseits bei Zugrundelegung des Einkommens einschließlich des Nachzahlungsbetrags eine zumutbare Belastung gemäß § 33 EStG von 5 v. H. statt der bei der Veranlagung angesetzten 4 v. H. des Einkommens.
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) dagegen, daß das Finanzgericht § 34 Abs. 4 EStG 1953 so ausgelegt hat, als ob das nachgezahlte Ruhegehalt bei der Besteuerung in jeder Beziehung den zurückliegenden Jahren zuzurechnen sei, für die es gezahlt worden sei. § 34 Abs. 4 EStG 1953 sehe eine derartige uneingeschränkte Rückbeziehung der Besteuerung, die im Ergebnis die Rechtskraft der früheren Veranlagung für diese Jahre beseitige, nicht vor. Nach § 11 EStG, der auch bei derartigen Nachzahlungen Geltung behalte, seien die Nachzahlungen Einnahmen des Jahres, in dem sie zugeflossen seien. Es komme daher, da für das Jahr 1953 keine höheren Werbungskosten nachgewiesen worden seien, nur der einmalige Abzug des Pauschbetrags gemäß § 14 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von 312 DM in Betracht. Ein mehrfacher Abzug dieses Pauschbetrags habe im EStG keine Grundlage. Das Finanzgericht habe aus dem in § 34 Abs. 4 EStG 1953 gebrauchten Wort "Einkünfte" unrichtige Schlüsse gezogen. Die in dieser Vorschrift vorgenommene Verteilung sei eine rein rechnerische Maßnahme. Sie bedeute lediglich, daß die in einem Jahr zugeflossenen Reineinkünfte, soweit sie frühere Jahre betreffen, dem bereits veranlagten Einkommen dieser Jahre hinzugeschlagen und die sich hierbei ergebende Mehrsteuer rechnerisch festgestellt werden solle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht § 34 Abs. 4 EStG 1953 im vorliegenden Fall angewendet hat. Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte zwar die Auffassung vertreten werden, daß die Vergünstigung nur für die Entlohnung von Arbeitsleistungen in Betracht kommt. Es bestehen aber keine Bedenken, auch solche Nachzahlungen zu berücksichtigen, die als Ruhegehalt für eine frühere Arbeitnehmertätigkeit gezahlt werde. Diese Auffassung entspricht der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungsübung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U vom 25. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 462, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 378; Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main, Verfügung vom 22. April 1953 S 2209, veröffentlicht in "Der Betrieb" 1953 S. 497). Auch im übrigen entspricht die Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 32/56 U vom 8. März 1957, Slg. Bd. 64 S. 496, BStBl 1957 III S. 185).
Die Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 durch das Finanzgericht ist jedoch hinsichtlich der Werbungskosten und Sonderausgabe nicht zu billigen. Die Rb. weist zutreffend darauf hin, daß die dem Stpfl. im Jahr 1953 zugeflossenen Nachzahlungen für die Jahre 1951 und 1952 nach § 11 EStG 1953 Einnahmen des Veranlagungszeitraums 1953 sind. Es können also von ihnen nur die Werbungskosten abgezogen werde, die dem Stpfl. im Jahr 1953 erwachsen sind oder, da höhere Werbungskosten nicht geltend gemacht wurde, der für dieses Jahr geltende Pauschbetrag gemäß § 14 EStDV 1953 von 312 DM. Die so ermittelten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind im Veranlagungszeitraum 1953 zu besteuern. § 34 Abs. 4 EStG 1953 sieht lediglich vor, daß die Einkommensteuer für die Einkünfte, die eine Nachzahlung für die Jahre 1951 und 1952 darstellen, rechnerisch in der Weise ermittelt wird, daß der Betrag festgestellt wird, um den die Einkommensteuer für diese Jahre höher gewesen wäre, wenn die Einkünfte bereits im Laufe dieser Jahre dem Stpfl. zugeflossen wären und bei den Veranlagungen für diese Jahre mit erfaßt worden wären (vgl. das bereits angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U). Von dieser Auslegung geht auch Abschnitt 161 Abs. 1 EStR 1953 aus. Es erfolgt bei Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 demnach keine Wiederaufrollung der Besteuerung von zurückliegenden Jahren, und zwar auch nicht zum Zweck der Errechnung der infolge der Nachzahlung sich ergebenden Mehrsteuern. Es ist vielmehr nur für einen Teil der Einkünfte des laufenden Jahres eine Sonderberechnung der Einkommensteuer unter Verwendung von Besteuerungsgrundlagen eines früheren Veranlagungszeitraums durchzuführen. Angesichts des Wortlauts des § 34 Abs. 4 EStG 1953, daß die Einkünfte - und nicht etwa die Einnahmen - auf die Jahre verteilt werden sollten, zu denen sie wirtschaftlich gehören, ist kein Raum für einen nachträglichen Abzug von Werbungskosten für diese Jahre. Damit entfällt auch die Möglichkeit des Abzugs des Werbungskostenpauschbetrags, der in dem früheren Jahre nicht zur Auswirkung gekommen ist. Ebenso können sich keine Auswirkungen auf den Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 15 Abs. 1 EStDV 1953 ergeben. Die Vorentscheidung, die davon ausgeht, daß die Veranlagung der Jahre, für die Nachzahlungen erfolgt sind, in vollem Umfang bei Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 neu zu berechnen sind, hat dies verkannt. Sie ist daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 409034 |
BStBl III 1958, 169 |
BFHE 1958, 435 |
BFHE 66, 435 |