Entscheidungsstichwort (Thema)
Unstatthafte zugelassene Rechtsbeschwerde wegen Änderung unanfechtbarer Entscheidung nach sofortiger Beschwerde. Zulässige Rechtsbeschwerde gegen statthafte unzulässige beschiedene sofortige Beschwerde. Aufhebung der Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Hat das Beschwerdegericht eine für den Beschwerdeführer unanfechtbare Entscheidung auf die sofortige Beschwerde hin geändert, ist die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Hat das Beschwerdegericht über eine statthafte, aber aus anderen Gründen unzulässige sofortige Beschwerde sachlich entschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Normenkette
InsO § 7
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 19.03.2008; Aktenzeichen 5 T 425/07 + 4 T 474/07) |
AG Mönchengladbach (Beschluss vom 31.07.2007; Aktenzeichen 32 IK 143/03) |
Tenor
Dem Schuldner wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 19.3.2008 wird auf Kosten des Schuldners verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 23.808,48 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde am 10.9.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt. Während des Insolvenzverfahrens erkannte eine private Lebensversicherung des Schuldners an, ihm eine Berufsunfähigkeitsrente zu schulden. Für die Zeit bis einschließlich Oktober 2005 überwies die Versicherungsgesellschaft eine Nachzahlung i.H.v. 23.143,80 EUR auf das Konto des Treuhänders. Hierauf wurde auch die monatliche Berufsunfähigkeitsrente für November 2005i.H.v. 664,68 EUR gezahlt. Der Treuhänder weigerte sich, diese Beträge an den Schuldner auszukehren. Ein Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Herausgabeklage gegen den Treuhänder blieb erfolglos.
[2] Auf Antrag des Schuldners hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31.7.2007 festgestellt, dass die Rentennachzahlung gem. § 36 Abs. 1 InsO i.V.m. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht Teil der Insolvenzmasse ist. Auf dessen weiteren Antrag, den Treuhänder anzuweisen, die Nachzahlung und die Rente für November 2005 an ihn auszuzahlen, hat das Insolvenzgericht am 11.10.2007 eine entsprechende Anordnung erlassen. Gegen beide Entscheidungen hat sich der Treuhänder mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Diese hatte in beiden Fällen Erfolg; das Beschwerdegericht hat sowohl die Feststellung, dass die Nachzahlung nicht in die Insolvenzmasse falle, als auch die Auszahlungsanordnung des Insolvenzgerichts aufgehoben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerden des Treuhänders.
II.
[3] Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist unstatthaft.
[4] 1. Allerdings ist dem Schuldner auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO), weil er - nachdem der Senat ihm auf seinen fristgemäß gestellten Antrag hin Prozesskostenhilfe gewährt hat - rechtzeitig die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet hat.
[5] 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Beschwerde statthaft war (BGHZ 158, 212 [214]; BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 75/03, NZI 2004, 21; v. 16.10.2003 - IX ZB 599/02, NZI 2004, 40; v. 7.4.2005 - IX ZB 63/03, NZI 2005, 414 [415]; v. 17.10.2005 - II ZB 4/05, NJW-RR 2006, 113 [114]; v. 14.12.2005 - IX ZB 54/04, NZI 2006, 239; v. 20.12.2005 - VII ZB 52/05, InVo 2006, 146 [147]; v. 26.10.2006 - IX ZB 163/05, NZI 2007, 99 [100]; v. 8.3.2007 - IX ZB 163/06, NZI 2007, 349; v. 31.3.2009 - IX ZB 77/09, Rz. 8; v. 25.6.2009 - IX ZB 84/08; vgl. zur weiteren Beschwerde nach früherem Recht BGHZ 144, 78, 82 einerseits und OLG Frankfurt NZI 2000, 137 [138] andererseits). Hat das Beschwerdegericht fälschlich eine unanfechtbare Entscheidung auf die sofortige Beschwerde hin geändert, ist die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat.
[6] Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die sofortige Beschwerde statthaft, jedoch unzulässig war, etwa weil es an der erforderlichen Beschwer fehlte (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 - IX ZB 104/04, NZI 2004, 447), die Beschwerde dem Begründungserfordernis (§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht genügte (BGH, Beschl. v. 21.12.2006 - IX ZB 81/06, NZI 2007, 166) oder verfristet war (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - IX ZB 369/02, NZI 2004, 166). Hat das Beschwerdegericht über die unzulässige sofortige Beschwerde sachlich entschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
[7] Zwischen der Unstatthaftigkeit und der bloßen Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist zu unterscheiden. War die sofortige Beschwerde unstatthaft, weil die angefochtene Entscheidung unanfechtbar war, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Dies ist anders, wenn die Ausgangsentscheidung anfechtbar war, aber - vom Beschwerdegericht übersehen - nicht in zulässiger Weise angefochten worden ist.
[8] 3. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - IX ZB 369/02, NZI 2004, 166; v. 6.5.2004 - IX ZB 104/04, a.a.O.; v. 21.12.2006 - IX ZB 81/06, NZI 2007, 166). Im vorliegenden Fall ergibt diese Prüfung die Unstatthaftigkeit der sofortigen Beschwerde.
[9] a) Soweit sich der Schuldner gegen die Feststellung des Insolvenzgerichts gewandt hat, bei den Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsrente habe es sich um bedingt pfändbare Bezüge i.S.d. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehandelt, gab es dagegen keine sofortige Beschwerde.
[10] Die Entscheidung war dem Insolvenzgericht nicht nach § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO übertragen, weil § 850b InsO in den Vorschriften, die in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in Bezug genommen sind, nicht aufgeführt ist. Bei der Feststellung, dass die Rentennachzahlung und die monatliche Rentenzahlung kein Teil der Insolvenzmasse sind, handelte es sich nicht um eine sonstige vollstreckungsrechtliche Entscheidung (Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rz. 129). Die Entscheidung unterlag damit auch nicht dem Rechtsmittelzug nach dem allgemeinen Vollstreckungsrecht, der gilt, wenn das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht entscheidet (BGH, Beschl. v. 5.2.2004 - IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732; v. 17.2.2004 - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Eine sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO, wie sie das Beschwerdegericht angenommen hat, war deshalb ausgeschlossen. Gegen den Beschluss war nur die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG gegeben.
[11] b) Auch gegen die Anweisung des Insolvenzgerichts an den weiteren Beteiligten, die vereinnahmten Beträge an den Schuldner auszukehren, war eine sofortige Beschwerde nicht statthaft.
[12] Bei dieser Anweisung handelte es sich um eine aufsichtsrechtliche Anordnung im Rahmen des § 58 Abs. 1 InsO. § 58 Abs. 2 Satz 3 InsO sieht eine sofortige Beschwerde nur gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vor, mit dem es ein Zwangsgeld gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt hat. Im Übrigen ist eine sofortige Beschwerde gegen aufsichtsrechtliche Anordnungen des Insolvenzgerichts nicht statthaft (BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 [2224]; v. 13.6.2006 - IX ZB 136/05, NZI 2006, 593; v. 21.9.2006 - IX ZB 128/05, ZVI 2007, 80; v. 25.9.2008 - IX ZA 23/08, NZI 2008, 753). Auch hier kommt allenfalls eine befristete Erinnerung in Betracht.
Fundstellen