Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Glaubhaftmachung einer urlaubsbedingten Abwesenheit
Leitsatz (amtlich)
- Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darf dem Bürger nicht lediglich deshalb versagt werden, weil er bei vorübergehender Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung keine besonderen Vorkehrungen wegen der möglichen Zustellung eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls getroffen hat. Dies gilt auch für einen Urlaub außerhalb der allgemeinen Ferienzeit.
- Nach der Neufassung des § 45 StPO (Art. 1 Nr. 9 des 1. StVRG vom 9. 12. 1974 – BGBl. I S. 3393), die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet hat, eine zunächst unzulängliche Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe auch noch in der Beschwerdeinstanz zu vervollständigen, ist es verfassungsrechtlich nicht mehr geboten, die sogenannte “schlichte Erklärung” zur Glaubhaftmachung eines “besonders naheliegenden, der Lebenserfahrung entsprechenden Versäumungsgrundes” allein ausreichen zu lassen (Ergänzung zu BVerfGE 40, 182 [186]).
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; StPO § 44 Fassung: 1975-01-07; OWiG § 52; StVRG Art. 1 Nr. 9 Fassung: 1974-12-09; ZPO § 182
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Beschluss vom 05.09.1975; Aktenzeichen Qs 305/75 OWi) |
AG Heidelberg (Beschluss vom 24.07.1975; Aktenzeichen 14 OWi 1515/75) |
Gründe
A. – I.
1. Das Rechtsamt der Stadt Heidelberg erließ am 27. Mai 1975 gegen den Beschwerdeführer einen Bußgeldbescheid über 100 DM wegen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr. Der Bußgeldbescheid wurde am 3. Juni 1975 durch Übergabe an die Vermieterin des Beschwerdeführers zugestellt. Mit einer am 20. Juni 1975 bei der Verwaltungsbehörde eingegangenen Schrift seines Verteidigers legte der Beschwerdeführer Einspruch ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Zur Begründung trug er vor, er habe sich in der Zeit vom 3. bis 17. Juni 1975 in Urlaub auf Mallorca befunden. Eine Nachsendung des Bußgeldbescheids an den Urlaubsort sei der Vermieterin nicht möglich gewesen.
Durch Beschluß vom 24. Juli 1975 wies das Amtsgericht Heidelberg, das bereits am Tag zuvor den verspäteten Einspruch als unzulässig verworfen hatte, das Wiedereinsetzungsgesuch zurück. Es führte aus, der Beschwerdeführer habe seine Abwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
2. Mit der sofortigen Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, es dürfe ihm nicht als Verschulden angelastet werden, daß er wegen seiner urlaubsbedingten Abwesenheit erst nach Ablauf der Einspruchsfrist Kenntnis von der Zustellung erlangt habe. Er legte eine eigene eidesstattliche Versicherung des Inhalts vor, daß ihm die Vermieterin den Bußgeldbescheid nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 18. Juni 1975 ausgehändigt habe.
Am 5. September 1975 verwarf das Landgericht Heidelberg die sofortige Beschwerde als unbegründet. Da die angebliche Abwesenheit nicht in die allgemeine Urlaubszeit gefallen sei, genüge weder die bloße Behauptung noch die eigene eidesstattliche Versicherung des Beschwerdeführers, eine unverschuldete Fristversäumung glaubhaft zu machen.
II.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Da er nur vorübergehend während einer Urlaubsreise von seiner Wohnung abwesend gewesen sei, habe er keine besonderen Vorkehrungen treffen müssen, um von möglichen Zustellungen sofort Kenntnis zu erlangen. Zur Glaubhaftmachung der urlaubsbedingten Abwesenheit genüge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon seine schlichte Behauptung, erst recht die eidesstattliche Versicherung.
III.
Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg, dem Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist, hat von einer Stellungnahme abgesehen.
B.
Die – zulässige – Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Bei Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde hängt für den Betroffenen die Verwirklichung sowohl der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG als auch seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG davon ab, daß ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Dieses Rechtsinstitut dient damit unmittelbar der Gewährleistung verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 38, 35 [38]; 40, 88 [91]). Deshalb dürfen bei der Anwendung und Auslegung der die Wiedereinsetzung regelnden §§ 44 bis 47 StPO – hier in Verbindung mit § 52 OWiG – die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung nicht überspannt werden. Der Zugang zum Gericht darf nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden (vgl. Beschluß vom 16. Dezember 1975 – 2 BvR 854/75 – mit weiteren Nachweisen).
2. In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es dem Bürger nicht als ein die Wiedereinsetzung ausschließender Umstand zugerechnet werden darf, wenn er vor einer nur vorübergehenden Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung keine besonderen Vorkehrungen wegen der möglichen Zustellung eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls getroffen hat (BVerfGE 37, 100 [102]; 40, 88 [91 f.]; 40, 182 [186]; jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Entscheidungen sind im Hinblick auf § 44 Satz 2 StPO in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung ergangen. Der Grundsatz, daß bei der Anwendung und Auslegung der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen prozeßrechtlichen Vorschriften die Anforderungen daran nicht überspannt werden dürfen, was der Betroffene tun muß, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erhalten, gilt aber auch für die Neufassung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 8 des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3393; vgl. BVerfGE 40, 88 [92]).
Daß der Bürger bei vorübergehender Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung keine “besonderen” Vorkehrungen für mögliche Zustellung zu treffen braucht, hat das Bundesverfassungsgericht allerdings nur für die Fälle des “ersten Zugangs” zum Gericht im Strafbefehls- und Bußgeldverfahren entschieden. Diese Rechtsprechung besagt unmittelbar nichts über Vorkehrungen für Zustellungen, die in späteren Verfahrensabschnitten notwendig werden. Hier können, je nach Lage des Falles, die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht andere sein, z. B. dann, wenn jemand nach seinem unentschuldigten Fernbleiben von einer Hauptverhandlung über seinen Rechtsbehelf oder sein Rechtsmittel die alsbaldige Zustellung eines Verwerfungsurteils (nach §§ 329 Abs. 1, 412 StPO oder § 74 Abs. 2 OWiG) zu erwarten hat, oder wenn der Bürger im anhängigen Verfahren nach einer Aussetzung der Hauptverhandlung mit der Ladung zu einem neuen Termin auch kurzfristig rechnen muß. Die Freistellung von “besonderen” Vorkehrungen läßt ferner solche Vorkehrungen unberührt, die bei Anwesenheit und Abwesenheit in gleicher Weise zu verlangen sind; zu diesen gehört insbesondere ein ordnungsgemäßer und in Ordnung gehaltener Briefkasten, der einem Verlust des Benachrichtigungszettels über die Zustellung durch Niederlegung (§ 182 ZPO) vorbeugt.
Andererseits kommt es nicht darauf an, ob eine urlaubsbedingte Abwesenheit in die “allgemeine Ferienzeit” oder in eine sonstige Jahreszeit fällt. Entscheidend ist allein, daß die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurzfristige – zu denken wäre an längstens etwa sechs Wochen – von einer sonst ständig benutzten Wohnung ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 40, 182 [186] mit Nachweisen). Denn nur unter der Voraussetzung, daß in diesem Sinne die Anwesenheit die Regel und die Abwesenheit die Ausnahme bildet, ist es dem Bürger nicht zuzumuten, im Hinblick auf mögliche, aber zeitlich eben ungewisse Zustellungen “besondere” Vorkehrungen zu treffen. Die Unzumutbarkeit ergibt sich daraus, daß – zumal beim Urlaub – der Nachsendeauftrag im Hinblick auf die recht kurzen Fristen, um deren Wahrung es geht, in der Regel unpraktikabel ist, so daß verlangt werden müßte, daß der Bürger entweder formell einen Zustellungsbevollmächtigten bestellt oder sonst eine Person seines Vertauens um die Entgegennahme der Zustellungen und gegebenenfalls auch um die Vornahme fristwahrender Handlungen bittet. Gegenüber diesem Aufwand erscheint der geringe zeitliche Verlust, der durch die Zulassung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Fällen der ausnahmsweisen und relativ kurzfristigen Abwesenheit eintritt, durchaus hinnehmbar. Die Rechtssicherheit und die Effektivität der Strafrechtspflege werden nur unwesentlich beeinträchtigt. Das ist anders in den Fällen, in denen – oft aus beruflichen Gründen – die Abwesenheit von der “ständigen” Wohnung die Regel ist; denn hier besteht von vornherein nur ausnahmsweise die Möglichkeit für den Betroffenen, ohne Einschaltung Dritter eine relativ kurze Frist zu wahren. Von solchen Betroffenen können deshalb besondere Vorkehrungen dafür verlangt werden, daß sie normalerweise rechtzeitig Kenntnis von Zustellungen erlangen.
Diesen Maßstäben tragen die angegriffenen Entscheidungen Rechnung. Sie verlangen vom Beschwerdeführer nicht, er hätte für die Zeit der von ihm geltend gemachten Urlaubsabwesenheit besondere Vorkehrungen hinsichtlich der Zustellung eines Bußgeldbescheids treffen müssen. Der Hinweis des Landgerichts, der behauptete Urlaub habe nicht in der “allgemeinen Ferienzeit” gelegen, dient nicht zur Begründung erhöhter Sorgfaltspflichten im Rahmen des § 44 StPO, sondern wird ersichtlich nur zur Begründung dafür herangezogen, daß der Beschwerdeführer die Urlaubsabwesenheit nicht ausreichend glaubhaft (§ 45 Abs. 2 StPO) gemacht habe.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner ständig (vgl. BVerfGE 40, 88 [92] mit Nachweisen) im Hinblick auf § 45 Abs. 1 StPO in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung entschieden: Es sei mit den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, die genannte Vorschrift dahin auszulegen, daß eine “schlichte Erklärung” zur Glaubhaftmachung eines Versäumungsgrundes auch dann nicht ausreiche, wenn es sich um “einen ausgesprochen naheliegenden, der Lebenserfahrung entsprechenden” Grund (BVerfGE 38, 35 [39]), wie z. B. einen Urlaub (BVerfGE 40, 88 [92 f.] und dortige Nachweise) handle. Daran hält der Senat angesichts der Änderung, die § 45 StPO durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3393) gefunden hat, für die Neufassung der Vorschrift nicht fest.
Auch nach § 45 Abs. 2 n. F. StPO kann zwar, da das Gesetz nach wie vor die zulässigen Mittel einer Glaubhaftmachung nicht bezeichnet, nach den Maßstäben des einfachen Rechts die sogenannte “schlichte Erklärung” eines Betroffenen in geeigneten Fällen als hinreichende Glaubhaftmachung angesehen werden. Unter dem Blickpunkt der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien ist indessen entscheidend, daß die Neufassung der Vorschrift die einwöchige Frist zur Glaubhaftmachung beseitigt hat. Dem Antragsteller ist nach § 45 Abs. 2 n. F. StPO die Möglichkeit eingeräumt worden, die Tatsachen zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags entweder bei der Antragstellung oder “im Verfahren über den Antrag” glaubhaft zu machen. Es kann aus verfassungsrechtlicher Sicht dahingestellt bleiben, ob danach die Glaubhaftmachung noch Zulässigkeitsvoraussetzung des Wiedereinsetzungsantrags ist (vgl. zum alten Recht die Nachweise in BVerfGE 26, 315 [319]), oder ob es sich um eine bis zum Abschluß des Wiedereinsetzungsverfahrens “suspendierte” Zulässigkeitsvoraussetzung in Form einer Entscheidungsvoraussetzung handelt (so Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO 23. Aufl. (1976), § 45 Rdn. 33). Jedenfalls ist nach dem Wortlaut der Vorschrift und der in der Reform zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafprozeß nicht zu überspannen, davon auszugehen, daß eine Glaubhaftmachung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Wiedereinsetzungsverfahrens zugelassen ist. Die frühere Streitfrage, ob und inwieweit ein “Nachschieben” von Mitteln der Glaubhaftmachung erlaubt sei (dazu Dünnebier in Löwe-Rosenberg, StPO 22. Aufl. (1971), § 45 Anm. 7 mit Hinweisen auf die kontroverse Rechtsprechung), hat sich damit erledigt (Wendisch, a.a.O. Rdn. 35; zweifelnd Kleinknecht, StPO 32. Aufl. (1975), § 45 Anm. 7, wie hier aber a.a.O. § 46 Anm. 3). Nunmehr ist es einem Betroffenen oder Beschuldigten möglich, etwa vom ersten Richter vermißte Mittel der Glaubhaftmachung auch noch in der Beschwerdeinstanz nachzubringen. Auf diese Weise wird das nach früherem Recht mögliche, aber mit den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien nicht zu vereinbarende Ergebnis vermieden, daß ein sonst form- und fristgerechtes Wiedereinsetzungsgesuch wegen “nicht fristgerechter Glaubhaftmachung” auch dann erfolglos blieb, wenn in der Beschwerdeinstanz die unverschuldete Säumnis unzweifelhaft glaubhaft gemacht oder sogar bewiesen worden war.
Durch diese Auslegung des § 45 n. F. StPO, die der Entscheidung hier zugrunde liegt, entstehen auch unter dem Blickpunkt der Rechtssicherheit und der Effektivität der Strafrechtspflege keine ernsthaft ins Gewicht fallenden Nachteile. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ohne Festlegung auf einen Katalog besonderer Beschwerdegründe vom Gesetz zugelassen (§ 46 Abs. 3 StPO). Das Beschwerdegericht ist bei seiner Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags an Feststellungen der Vorinstanz nicht gebunden. Wenn es nun bei der ohnehin gebotenen umfassenden Sachprüfung im Interesse einer sachlich richtigen Entscheidung auch die erst in der Beschwerdeinstanz unterbreiteten Mittel der Glaubhaftmachung zu berücksichtigen hat, so wird dadurch der Gang der Rechtspflege nicht behindert. Die Gefahr, daß aus Nachlässigkeit oder absichtlich Mittel der Glaubhaftmachung für die Beschwerdeinstanz zurückgehalten werden, wird dadurch in Grenzen gehalten, daß sich der Antragsteller durch ein derartiges Verhalten selbst um eine Instanz bringt. Im übrigen kann der erste Richter in geeigneten Fällen den Antragsteller auffordern, binnen einer zu setzenden Frist noch fehlende Mittel der Glaubhaftmachung beizubringen. Kommt ein Antragsteller einer derartigen Aufforderung ohne plausible Gründe nicht nach, so läuft er Gefahr, daß die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens Schaden nimmt.
Nach alledem besteht kein zureichender Anlaß mehr, die Glaubhaftmachung durch “schlichte Erklärung” ganz allgemein bei naheliegenden Versäumnisgründen unter den verfassungsrechtlichen Schutz der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG zu stellen. Offen bleibt, wie aus verfassungsrechtlicher Sicht (zum einfachen Recht vgl. Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO 23. Aufl. (1976), § 45 Rdn. 28 und § 46 Rdn. 9) in den sehr seltenen Fällen zu entscheiden ist, in denen nach den obwaltenden Umständen glaubhaft dargetan worden ist, daß einem Antragsteller aus tatsächlichen Gründen außer seiner eigenen Erklärung keine Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen. Im übrigen aber ist es – in den Grenzen des verfassungsrechtlichen Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) – Sache der Fachgerichte zu entscheiden, in welchen Fällen sie die “schlichte Erklärung” zur Glaubhaftmachung ausreichen lassen. Sie haben auch darüber zu befinden, welche Bedeutung der eigenen eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers in diesem Zusammenhang zukommt. Der Antragsteller wird im Regelfall durch die Entscheidung des ersten Richters auf eine nicht ausreichende Glaubhaftmachung aufmerksam gemacht. Er kann diesen Mangel in der Beschwerdeinstanz beheben. Diese Möglichkeit des Verfahrensrechts zu nutzen, kann ihm unter dem Blickpunkt der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien zugemutet werden.
4. Hiernach verstoßen die angegriffenen Entscheidungen nicht gegen Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG oder andere Grundrechte des Beschwerdeführers.
Das Amtsgericht war verfassungsrechtlich nicht gehalten, die durch keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung gestützte Erklärung des Beschwerdeführers, er habe sich vom 3. bis zum 17. Juni 1975 in Urlaub befunden, als ausreichende Glaubhaftmachung anzusehen. Das Landgericht war nicht verpflichtet, die eigene eidesstattliche Versicherung des Beschwerdeführers zur Glaubhaftmachung zuzulassen. Dadurch, daß es auf diese Versicherung, die eine gewisse Präzisierung des tatsächlichen Vortrags enthält, sachlich eingegangen ist, hat es zu erkennen gegeben, daß es eine Vervollständigung der Glaubhaftmachung in der Beschwerdeinstanz für zulässig hält. Damit hat das Landgericht den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die bei der Auslegung von § 45 Abs. 2 n. F. StPO zu beachten sind, Genüge getan. Andererseits ist weder dargetan noch ersichtlich, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, die Behauptung, er sei auf Mallorca in Urlaub gewesen, durch objektive Beweismittel (etwa Fahrkarten, Rechnungen oder Quittungen von Hotels oder Reiseveranstaltern) oder eidesstattliche Versicherungen von Mitreisenden, oder wenigstens mittelbare Beweisanzeichen (eidesstattliche Versicherungen des Arbeitgebers, der Vermieterin oder von Freunden über seine Abwesenheit) zu belegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1677241 |
BVerfGE, 332 |
NJW 1976, 1537 |
DRiZ 1976, 150 |