Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG auf eine in zwei Veranlagungszeiträumen gezahlte Entschädigung
Leitsatz (amtlich)
Steht von vornherein fest, dass eine Entschädigung für entgangene Einnahmen zu leisten ist und ist die Zahlung in zwei Veranlagungszeiträumen nur deshalb erfolgt, weil der Entschädigungsempfänger im Hinblick auf ein fast 20 Jahre zurückliegendes Schadensereignis zumindest auf eine Teilsumme angewiesen war und nur noch die Höhe der abschließenden Schadensersatzsumme geklärt werden musste, ist auf die Entschädigung ausnahmsweise der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erlitt während seines Wehrdienstes im Jahr 1977 einen von einem Dritten schuldhaft verursachten Verkehrsunfall. Der Kläger ist seitdem querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Zur Abgeltung sämtlicher Schadensersatzansprüche des Klägers – mit Ausnahme der Ersatzansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse infolge der Behinderung – bot die X.-Versicherungs AG dem Kläger im Jahr 1994 eine Zahlung eines Schadensersatzes von DM 220 000,– an. In der Folgezeit kam es zu weiteren Verhandlungen, bei denen jedoch nur die Höhe der Schadensersatzleistungen streitig war. Sodann vereinbarten die X.-Versicherungs AG und der Kläger am 16. Januar 1995 die Zahlung eines Schadensersatzes von zunächst DM 100 000,–. Nach Maßgabe dieses Vergleichs – auf die Abfindungserklärung wird im Übrigen Bezug genommen – wurden mit dieser Schadensersatzsumme der Verdienstausfall sowie die vermehrten Bedürfnisse des Klägers bis zum 31. Dezember 1994 abgegolten. Für den Verdienstausfall und die vermehrten Bedürfnisse des Klägers bis zum 31. Dezember 1997 schlossen die X.-Versicherungs AG und der Kläger am 18. November 1995 einen weiteren Vergleich – auf die Abfindungserklärung wird gleichermaßen Bezug genommen – und vereinbarten die Zahlung von DM 225 000,–. Beiden Vergleichen lag die Überlegung zugrunde, dass der Kläger vorbehaltlich einer abschließenden Regelung zumindest hinsichtlich einer Teilsumme eine zügige Schadensersatzleistung erhalten sollte. Die Gesamtsumme von DM 325 000,– wurde an den Kläger im Jahr 1995 ausgezahlt. Nach entsprechenden Mitteilungen des Klägers vom 8. Januar und 6. Februar 1996 setzte sich der Gesamtabfindungsbetrag von DM 325 000,– aus einem Schadensersatz für den Verdienstausfall von achtzig vom Hundert und einem Schadensersatz für vermehrte Bedürfnisse von zwanzig vom Hundert zusammen. Dementsprechend erklärte der Kläger in der Steuererklärung für das Jahr 1995 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Entschädigungsleistung von DM 260 000,–. Der Beklagte folgte der Einkommensteuererklärung im Wesentlichen und setzte die Einkommensteuer 1995 mit Bescheid vom 10. April 1996 auf DM 48 455,– fest. Dabei unterwarf der Beklagte die Entschädigung von DM 260 000,– einem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG –).
Am 24. September 1998 schlossen die X.-Versicherungs AG und der Kläger einen abschließenden Vergleich für die Zeit nach dem 31. Dezember 1997 und vereinbarten insoweit die Zahlung eines Schadensersatzes von DM 1 300 000,–. In der Einkommensteuererklärung 1998 erklärte der Kläger in diesem Zusammenhang bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Entschädigung von 80% von DM 1 300 000,– = DM 1 040 000,–. Aufgrund der Einkommensteuererklärung 1998 vertrat der Beklagte nunmehr die Ansicht, die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung der Entschädigungsleistungen lägen nicht vor. Denn die Zahlung des Schadensersatzes sei nicht in einer Summe erfolgt; es liege daher keine Zusammenballung von Einnahmen vor. Der Beklagte unterwarf deshalb bei der Veranlagung die Entschädigungsleistung von DM 1 300 000,– nicht dem ermäßigten Steuersatz und setzte die Einkommensteuer 1998 auf DM 655 452,– fest.
Im Rahmen des nachfolgenden Einspruchsverfahrens änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1998 und setzte zunächst eine Entschädigungszahlung von DM 1 040 000,–, dann – auf der Grundlage eines Schreibens der X.-Versicherungs AG vom 7. April 2000 – einen Betrag von DM 850 000,– bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an. Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2001 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer Klage (vom 23. Februar 2001) tragen die Kläger vor, die verschiedenen Schadensersatzleistungen der X.-Versicherungs AG beträfen bestimmte Zeiträume, für die der Verdienstausfallschaden abgegolten worden sei. Daher liege insoweit jeweils eine Entschädigung im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 EStG vor und sei deshalb der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Es sei nicht auf das schadensauslösende Ereignis abzustellen. Vielmehr sei entscheidend, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt sei. Im Übrig...