Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung abgetretener Vorsteuererstattungsbeträge. Aufhebung oder Änderung eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids durch Umsatzsteuerjahresbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Von einem Abtretungsempfänger kann der für einen Voranmeldungszeitraum ausgezahlte Vorsteuerüberschuss nur dann nach § 37 Abs. 2 AO zurückverlangt werden, wenn der konkrete Vergütungsanspruch materiell-rechtlich nicht Bestand hat, und dies vom Finanzamt durch Aufhebung (Änderung) des Vorauszahlungsbescheids oder entsprechende Regelung im Jahressteuerbescheid, die auch den betreffenden Voranmeldungszeitraum umfasst, durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, so dass sich der Leistungsempfänger nicht mehr auf den Vorauszahlungsbescheid als formellen Behaltensgrund berufen kann.
2. Ein Umsatzsteuerjahresbescheid trifft –mit Ausnahme der Steuerfestsetzung auf 0,00 DM wegen ungerechtfertigten Vorsteuerabzugs in den einzelnen Voranmeldungszeiträumen– grundsätzlich keine Aussage über die materielle Richtigkeit der einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen und der Vorauszahlungsbescheide.
3. Allein aus der Festsetzung einer geringeren negativen Umsatzsteuerschuld (ggf. auch 0,00 DM) für das Kalenderjahr als sie in den Voranmeldungen für einzelne Kalendermonate ausgewiesen worden ist, folgt noch nicht, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf fehlerhaften Angaben beruhen.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2 S. 2, §§ 46, 124 Abs. 2; UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 18 Abs. 1, 3-4, § 16 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
Der Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Streitwert wird auf 1.135.215,00 EUR festgesetzt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die …GmbH hatte für die Monate Februar und März 1995 Umsatzsteuervoranmeldungen beim Beklagten eingereicht und die daraus resultierenden Erstattungsbeträge an die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die … AG, abgetreten. Die Beträge beliefen sich für Februar 1995 auf 344.248,30 DM und für März 1995 auf 1.876.041,00 DM. Die abgetretenen Beträge wurden am 2. Juni 1995 mit Umsatzsteuerschulden der Abtretungsempfängerin beim Finanzamt … verrechnet.
Im Jahressteuerbescheid für 1995 wurde die Umsatzsteuer der … GmbH mit Bescheid vom 29. März 2000 zunächst auf 750,00 DM festgesetzt. Abziehbare Vorsteuern wurden in diesem Bescheid nicht berücksichtigt. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 wurde die Umsatzsteuer auf 660,00 DM festgesetzt. Dabei wurde zuletzt eine abziehbare Vorsteuer lediglich i.H.v. 89,96 DM berücksichtigt.
Nachdem der Beklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den aufgrund des Jahressteuerbescheides entstandenen Rückforderungsbetrag bei der Steuerschuldnerin, der … GmbH, beizutreiben, forderte er mit Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 die an die Klägerin abgetretenen Beträge von dieser zurück. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. 13. Dezember 2001, die am selben Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben worden ist, zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin nach erfolgslosem Einspruchsverfahren am 2. 17. Januar 2002 Klage erhoben.
Zur Rechtzeitigkeit der Klageerhebung hat die Klägerin vorgetragen, die Einspruchsentscheidung sei ihr erst am 17. Dezember 2001 zugegangen. Den Rückforderungsbescheid selbst hält sie für rechtswidrig. Die Verrechnung mit Umsatzsteuerschulden durch das Finanzamt … habe nicht erfolgen dürfen, da die diesen Umsatzsteuerschulden zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle tatsächlich nach § 1 Abs. 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei gewesen seien. Dies habe man zunächst nicht erkannt, dann jedoch korrigierte Rechnungen erstellt und beim Finanzamt … einen entsprechenden Korrekturantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Frage, ob die Geschäftsvorfälle, auf denen die der Verrechnung zugrunde gelegte Umsatzsteuerschuld der Klägerin beruht, tatsächlich umsatzsteuerfrei waren, sei im hier streitigen Fall unerheblich, da eine verrechenbare Schuld weder nach Bürgerlichem Gesetzbuch, noch aus steuerlicher Sicht Voraussetzung für eine Abtretung sei. Die Rechtsansicht, Vorauszahlungsbescheide müssten gesondert aufgehoben werden, um ihnen ihre Eigenschaft als Rechtsgrund für eine in der Vergangenheit erfolgte Auszahlung eines Erstattungsanspruches zu neh...