Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungsanforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag nach Versäumen der Klagefrist. Haftung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert eine vollständige Darstellung der Ereignisse, die zur Fristversäumung geführt haben und die unverschuldete Säumnis belegen sollen, soweit sie nicht gerichtsbekannt oder offenkundig sind. Nicht ausreichend sind unsubstanziierte, in sich nicht schlüssige Darstellungen und Behauptungen.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1 S. 1, § 56
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Abgabenrückstände der … GmbH (GmbH).
Der Beklagte nahm den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH mit Haftungsbescheid vom 30. März 1998 für Steuerrückstände der GmbH in Anspruch. Während des Einspruchsverfahrens wurde die Haftung durch Bescheid vom 18. November 1999 auf die Körperschaftsteuer 1993 und steuerliche Nebenleistungen hierzu begrenzt und die Haftungssumme auf nunmehr rund 31.500 DM reduziert. Mit der am 20. April 2001 mit einfachem Brief zur Post gegebenen Einspruchsentscheidung wurde der Einspruch zurückgewiesen.
Mit der hiergegen mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai 2001 am 5. Juni 2001 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, seine Inanspruchnahme sei rechtswidrig. Wegen der Versäumung der Klagefrist begehrte der damalige Prozessbevollmächtigte zugleich Widereinsetzung in den vorigen Stand. Die mit dem Führen des Fristenkontrollbuchs beauftragte Mitarbeiterin arbeite seit Jahren genau und zuverlässig. Nur Aufgrund der ungewöhnlichen Situation der Klageerhebung sei der fertige Schriftsatz nach Streichung im Fristenkontrollbuch zur nochmaligen Durchsicht aus dem Postausgang entnommen worden. Eine nochmalige Kontrolle „vor der Abfahrt und Mitnahme” des Klageschriftsatzes zur Post sei versäumt worden.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 30. März 1998 in der Fassung des Bescheides vom 18. November 1999 und den Einspruchsbescheid vom 20. April 2001 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klage sei verfristet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Nach § 47 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Einspruchsbescheides zu erheben. Der am 20. April 2001 mit einfachem Brief zur Post gegebene Einspruchsbescheid gilt gemäß § 122 Absatz 2 Nummer 1 Abgabenordnung als am 23. April 2001 bekannt gegeben. Die Klagefrist begann mithin am 24. April 2001 und endete am Mittwoch, den 23. Mai 2001. Die am 5. Juni 2001 erhobene Klage ist mithin verspätet erhoben worden. Wird die Klagefrist versäumt, ist die Klage unzulässig. Dies gilt nicht, wenn dem Kläger wegen der Versäumung der Klagefrist gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Nach dieser Vorschrift ist jemand, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Widereinsetzung zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Der Antrag auf Widereinsetzung erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO. Es müssen die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können, innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen mitgeteilt werden. Erforderlich ist eine vollständige Darstellung der Ereignisse, die zur Fristversäumung geführt haben und die unverschuldete Säumnis belegen sollen, soweit sie nicht gerichtsbekannt oder offenkundig sind.
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der mit Schriftsatz vom 31. Mai 2001 gestellte Widereinsetzungsantrag wurde zwar mit diesem Schriftsatz kurz, und mit einem weiteren Schriftsatz vom 12. September 2001 ergänzend begründet; die Begründung ist aber – unabhängig von der Frage der Wahrung der Zweiwochenfrist – unzureichend. Zu keinem Zeitpunkt hat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers die mit der Führung des Postausgangsbuchs bzw. mit der Postabsendung beauftragte Person benannt, noch hat er deren behauptete Erfahrenheit dargelegt. Es ist auch unklar geblieben, weshalb die Klageerhebung für die Steuerkanzlei des damaligen Prozessbevollmächtigten eine außergewöhnliche Situation gewesen sein soll.
Zwar hat nicht der Kläger selbst die Klage erhoben und den Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hatte der Kläger vielmehr seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Das Verschulden seines damaligen Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger aber gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 Zi...