Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Doppelbesteuerungsabkommen: § 50d Abs. 8 EStG 2002 und später erlassene DBA
Leitsatz (amtlich)
1. Von der OSZE an Mitglieder einer OSZE-Mission (sekundierte Position) gezahlte Tagegelder sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.
2. § 50d Abs. 8 EStG wird im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG und die lex-posterior-Regel durch Regelungen eines später erlassenen DBA verdrängt.
Normenkette
EStG 2002 § 50d Abs. 8 S. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3; DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 15 Abs. 1 S. 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, Buchst. d
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Tagegeldern für eine Feldoperation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan.
Die Kläger, deutsche Staatsangehörige, sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und im Streitjahr ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
Vom ... 2008 bis zum ... 2009 nahm die Klägerin an einer OSZE-Mission in Aserbaidschan als "Democratization Officer" in Form einer sogenannten "sekundierten Position" teil. Danach war die Klägerin in die Organisation der Mission eingegliedert und unterlag den Weisungen der Mission. Die Klägerin erhielt von der OSZE für diese Tätigkeit zur teilweisen Kompensation von Lebenshaltungskosten in Aserbaidschan ein Tagegeld für Unterkunft und Verpflegung ("Board and Lodging Allowance", im Folgenden: BLA) im Jahr 2008 in Höhe von insgesamt ... € direkt auf ihr Konto gezahlt. Des Weiteren erhielt die Klägerin im Streitjahr für diese Tätigkeit aufgrund einer Zuwendungsvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt ... €. Die Klägerin wendete für ihre Tätigkeit im Streitjahr insgesamt ... € auf, u. a. für Fahrten, Flüge, Visakosten, Miete.
Der Kläger und die ... Kinder der Kläger (geboren am ...) besuchten die Klägerin in Aserbaidschan in der Zeit vom ... 2008 bis zum ... 2008 sowie in der Zeit vom ... 2008 bis zum ... 2008. Die Klägerin hielt sich im Kalenderjahr 2008 ab dem 09.01.2008 länger als 183 Tage in Aserbaidschan auf.
Der Beklagte erließ am 15.02.2011 einen Einkommensteuerbescheid für 2008, in dem er neben dem vom Auswärtigen Amt gezahlten Betrag die von der OSZE gezahlten BLA als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuerte und zugleich die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt ... € berücksichtigte. Am 03.03.2011 erließ der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 und setzte die Einkommensteuer auf ... € fest.
Am 11.03.2011 legten die Kläger Einspruch gegen den "Bescheid für 2008 über Einkommensteuer ... vom 15.02.2011" ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 zurück. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 den Bescheid vom 15.02.2011 ersetzt habe.
Am 20.04.2012 erhoben die Kläger Klage. Sie sind der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerfrei. Es handele sich lediglich um den Ausgleich der Lebenshaltungskosten der Klägerin. Da die Bundesrepublik Deutschland sich finanziell an der OSZE beteilige, sei die Bundesrepublik Deutschland als inländischer Arbeitgeber anzusehen. Im Übrigen habe die Klägerin auf die Steuerfreiheit vertrauen können, da sie bereits für das Jahr 2006 durch das seinerzeit zuständige Finanzamt einen Steuerbescheid erhalten habe, der die Tagegelder aus einer früheren OSZE-Mission steuerfrei behandelt habe. Auch in den Jahren 2009 und 2010 seien die von der OSZE gezahlten Tagegelder als steuerfrei in den Einkommensteuerbescheiden behandelt worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer auf ... € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Tagegelder seien nicht aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen steuerfrei. Der Besteuerung stehe auch nicht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Aserbaidschan, Bundesgesetzblatt Teil II - BGBl II - 2005, 1146) entgegen, da der Bundesrepublik Deutschland wegen der Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG) das Besteuerungsrecht zustehe.
Dem Gericht haben die Einkommensteuerakte Bd. I und die Rechtsbehelfsakte Bd. I des Finanzamtes Hamburg-1, jeweils zur Steuernummer.../.../..., vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 der ...