Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Berücksichtigung beruflich bedingter Fahrtkosten als Werbungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeiter des Gesamthafenbetriebs Hamburg haben grundsätzlich keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG.
2. Der Hafen Hamburg stellt für Gesamthafenarbeiter ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG dar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a, Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Berücksichtigung beruflich bedingter Fahrtkosten als Werbungskosten.
Der Kläger ist seit dem ... 2010 für den Gesamthafenbetrieb Hamburg als sogenannter Gesamthafenarbeiter im Bereich der Logistik tätig. Grundlage ist ein Arbeitsvertrag vom ... 2010 ("Einstellungsvertrag Logistik"). Danach übernimmt der Gesamthafenbetrieb gegenüber dem Kläger insoweit die Funktion eines Arbeitgebers, als diese nicht von den Logistikbetrieben auszuüben ist (Nr. 02 des Vertrags). Der Kläger hat sich nach näherer Bestimmung der Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft (GHBG) zur Arbeitseinteilung an den dafür vorgesehenen Stellen einzufinden; er hat nach Maßgabe der vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten Anspruch auf Einteilung zur Logistikarbeit (Nr. 03 des Vertrags). Nach Nr. 03 des Vertrags gehört der Kläger während der Arbeit bei den Logistikbetrieben mit allen Rechten und Pflichten auch zur Belegschaft des jeweiligen Logistikbetriebs. Die Auszahlung des Lohnes erfolgt durch die GHBG (Nr. 05 des Vertrags).
Der Gesamthafenbetrieb Hamburg ist durch Vereinbarung über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter in Hamburg vom 9. Februar 1951 zwischen der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Hafen-Fachvereine und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr auf der Grundlage des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. August 1950 (BGBl. I 1950, S. 352) gegründet worden. Nach seiner Satzung gehören die Gesamthafenarbeiter während der Arbeit bei den Hafeneinzelbetrieben mit allen Rechten und Pflichten auch zu deren Belegschaft (§ 8 Abs. 2). Der Lohnanspruch der Gesamthafenarbeiter richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 der Satzung gegen den Hafeneinzelbetrieb, bei dem sie beschäftigt waren. Die GHBG übernimmt im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hafeneinzelbetriebs die Ausfallbürgschaft für den Lohnanspruch der von ihr dem Hafeneinzelbetrieb zugeteilten Gesamthafenarbeiter (§ 12 Abs. 2 der Satzung). Die Auszahlung des Lohnes für die Gesamthafenarbeiter erfolgt durch die GHBG (§ 14 Abs. 1 der Satzung). Die Hafeneinzelbetriebe haben dafür jeweils ein Konto bei der GHBG zu führen, auf dem ein ausreichendes Guthaben zur Abdeckung der durch die Beschäftigung der Gesamthafenarbeiter entstehenden Kosten zu unterhalten ist (§ 15 Abs. 2 der Satzung).
Die Tätigkeit der Gesamthafenarbeiter ist im Drei-Schicht-System organisiert. Die Schichtzeiten werden von der GHBG vorgegeben und orientieren sich an den Zeiten der Hafenbetriebe. Die Einteilung zur Arbeit erfolgt grundsätzlich täglich, wobei die Gesamthafenarbeiter am Vortag ab 14.00 Uhr bei den Einteilern der GHBG anzurufen haben, die ihnen ihren Einsatzbetrieb und die Schichtzeit mitteilen. Wenn eine Arbeitseinteilung mangels Nachfrage nicht möglich ist, müssen sich die Gesamthafenarbeiter zur kurzfristigen Einteilung bereithalten ("Stand By"), wobei dies auch zu Hause erfolgen kann, wenn ein rechtzeitiges Erreichen des Einsatzbetriebs gewährleistet ist. Sofern keine Vermittlung erfolgten kann, sind die Gesamthafenarbeiter nicht verpflichtet, sich in den Geschäftsräumen des GHBG aufzuhalten.
Es kommt auch vor, dass Gesamthafenarbeiter von der GHBG längerfristig, für Wochen, Monate oder sogar Jahre zur Arbeit bei einem Hafenbetrieb eingeteilt werden, wenn dort ein entsprechender Bedarf besteht (sogenannte Betriebsgruppe). Dies erfolgt in Abstimmung mit dem Mitarbeiter und dem anfordernden Betrieb.
Der Kläger war im Streitjahr 2014 nach arbeitstäglicher Zuteilung durch die GHBG bei insgesamt fünf verschiedenen Hafeneinzelbetrieben tätig ... . Er ist zu diesen Betrieben, die im Gebiet des Hamburger Hafens ansässig sind und dort über ein eigenes Betriebsgelände verfügen, jeweils von seiner Wohnung aus mit dem Pkw gefahren.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger Fahrtkosten auf der Grundlage einer Einsatzwechseltätigkeit in Höhe von insgesamt ... € geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 22. Mai 2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf ... € fest. Dabei berücksichtigte er die vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von insgesamt ... €. Der Beklagte ging dabei davon aus, dass der Kläger als Hafenarbeiter gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet beschäftigt sei und deshalb für die Fahrten von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet (V-Straße) und auch inner...