Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkurs des Arbeitgeberverbandes und Tarifgeltung
Leitsatz (amtlich)
Wird über das Vermögen eines Arbeitgeberverbandes der Konkurs eröffnet, so endet damit nicht ohne weiteres die normative Wirkung eines von dem Verband abgeschlossenen Tarifvertrags. Hierzu bedarf es – mangels sonstiger Beendigungstatbestände – vielmehr einer Kündigung, die vom Konkursverwalter ausgesprochen werden kann.
Normenkette
TVG §§ 2-3; BGB §§ 42, 41; BetrVG § 50
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 25. Mai 1999 – 3 TaBV 369/99 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Arbeitszeitregelung darüber, ob die Arbeitgeberin noch an tarifliche Bestimmungen gebunden ist, nachdem über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes der Konkurs eröffnet worden ist.
Die Arbeitgeberin unterhält bundesweit zahlreiche Dienstleistungsbetriebe. Die hier gewählten Betriebsräte haben den Gesamtbetriebsrat (Antragsteller) mit der Durchführung des vorliegenden Verfahrens beauftragt. Die Betriebe fallen in den betrieblichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben, abgeschlossen zwischen dem BVBG Bundesverband B e.V., Köln, und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten, vom 1. Juli 1996 (im folgenden MTV). Dieser Tarifvertrag war erstmals ordentlich kündbar zum 31. Dezember 1999.
Die Arbeitgeberin ist Mitglied des BVBG Bundesverband B e.V. und hat in der Vergangenheit auch dessen Tarifverträge – einschließlich des MTV – angewandt. Durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 1998 wurde über das Vermögen des BVBG Bundesverband B e.V. der Konkurs eröffnet und eine Konkursverwalterin eingesetzt. Die Arbeitgeberin vertrat in der Folgezeit gegenüber dem Antragsteller die Auffassung, daß damit die Bindung an den MTV entfallen sei und dessen Regelungen nur noch kraft Nachwirkung anwendbar seien. Sie könne daher mit Mitarbeitern, die erst nach dem 24. April 1998 eingestellt würden, abweichende Vereinbarungen treffen. Im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluß einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung zur Verteilung der Arbeitszeitverkürzung im Sinne von Nr. 3.1.2 Satz 4 MTV konnten sich die Beteiligten nicht darüber einigen, ob die Betriebsvereinbarung auch für die nach Konkurseröffnung eingestellten Arbeitnehmer gelten sollte. Da der Gesamtbetriebsrat einem Entwurf der Arbeitgeberin, nach dem diese Arbeitnehmer ausgeschlossen sein sollten, widersprach, riefen die Beteiligten die Einigungsstelle an; deren Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Konkurseröffnung allein habe noch nicht zur Beendigung der Tarifverträge und zum Wegfall der Tarifbindung der Arbeitgeberin geführt. Der Verband sei noch nicht aufgelöst worden, er befinde sich auch noch nicht in Liquidation. Nach den konkursrechtlichen Bestimmungen solle er entweder saniert oder liquidiert werden. Da der MTV nicht gekündigt sei, bestehe er fort. Er, der Gesamtbetriebsrat, habe ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage, ob auch hinsichtlich der nach dem 24. April 1998 eingestellten Arbeitnehmer eine Tarifbindung bestehe. Dies sei maßgebliche Vorfrage für die beabsichtigte Arbeitszeitregelung.
Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß bei der Regelung von Arbeitszeit iSd. § 87 BetrVG die Bestimmung des § 3 MTV BVBG-NGG vom 1. Juli 1996 im Rahmen des allgemeinen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages auch für die Arbeitnehmer zu beachten ist, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des BVBG nach dem 24. April 1998 eingestellt worden sind.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie hält den Antrag mangels Feststellungsinteresse für unzulässig. Die Prüfung einer entsprechenden Tarifbindung sei Aufgabe der Einigungsstelle im Rahmen der angestrebten Arbeitszeitregelung. Die im Einigungsstellenverfahren unterlegene Seite könne den Spruch angreifen und damit die Frage der fortbestehenden Tarifbindung einer gerichtlichen Entscheidung zuführen.
Im übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet. Mit der Konkurseröffnung habe der Arbeitgeberverband seine Tariffähigkeit verloren. Der Manteltarifvertrag habe damit ohne weiteres geendet, die Normen wirkten lediglich nach. Hinsichtlich der neu eingestellten Arbeitnehmer sei sie nicht gehindert, abweichende Vereinbarungen zu treffen.
Das Arbeitsgericht hat die erstinstanzlichen Anträge des Gesamtbetriebsrats als unzulässig abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat dem zweitinstanzlich zuletzt gestellten Antrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Zurückweisung auch dieses Antrages.
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war zurückzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Arbeitgeberin auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes noch an den streitigen Manteltarifvertrag gebunden ist. Die normative Wirkung dieses Tarifvertrages hat nicht mit der Konkurseröffnung ohne weiteres geendet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht am Verfahren neben dem Gesamtbetriebsrat als Antragsteller nur die Arbeitgeberin beteiligt. Der Beteiligung weiterer Personen oder Stellen bedurfte es nicht. Das gilt auch hinsichtlich der betroffenen Einzelbetriebsräte. Sie haben den Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 2 BetrVG mit der Wahrnehmung der hier streitigen Angelegenheit beauftragt. Wenn es auch nach wie vor (möglicherweise) um Rechte der Einzelbetriebsräte geht, ist die Beauftragung doch bei der verfahrensrechtlichen Geltendmachung dieser Rechte jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie sich – wie im vorliegenden Fall – ausdrücklich hierauf erstreckt. Beteiligt ist dann nur der beauftragte Gesamtbetriebsrat(generell Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 83 Rn. 53; Laux Die Antrags- und Beteiligtenbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren S 68; wohl auch Grunsky ArbGG 7. Aufl. § 83 Rn. 17 c; anderer Auffassung Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 50 Rn. 52 a; Behrens/Kramer DB 1994, 95; offengelassen BAG 11. November 1998 – 4 ABR 40/97 – AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18 mit Anmerkung Jacobs – siehe dort unter I 1 b = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 16). Überträgt der Einzelbetriebsrat dem Gesamtbetriebsrat die Prozeßführungsbefugnis, kann dieser im Sinne einer gewillkürten Prozeßstandschaft die Rechte im eigenen Namen geltend machen(vgl. etwa Richardi BetrVG 7. Aufl. § 50 Rn. 39). Deshalb ist er auch in einer „eigenen” Rechtsposition betroffen und daher zu beteiligen. Für eine daneben erfolgende Beteiligung der Einzelbetriebsräte besteht kein Anlaß. Nur dieses Ergebnis entspricht dem mit § 50 Abs. 2 BetrVG verfolgten Ziel, die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats zu ermöglichen, wenn es zwar nicht iSd. § 50 Abs. 1 BetrVG um originär in seine Zuständigkeit fallende Aufgaben geht, seine Einschaltung aber den Einzelbetriebsräten als zweckmäßig erscheint(vgl. etwa Richardi aaO § 50 Rn. 37).
II. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
1. Der zuletzt gestellte Antrag ist dahin zu verstehen, daß es dem Gesamtbetriebsrat nur um die Klärung der Frage geht, ob die Arbeitgeberin kraft ihrer Verbandszugehörigkeit noch an den MTV gebunden ist. Nur für den Fall der Verneinung dieser Frage stellt sie hinsichtlich der angestrebten Arbeitszeitregelung die Anwendung des MTV auf die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens eingestellten Arbeitnehmer in Abrede. Es geht also nicht darum, ob der Tarifvertrag auch dann zu beachten ist, wenn keine beiderseitige Tarifbindung besteht.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag bestimmt genug. Für ihn besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse, § 256 ZPO. Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann der Streit über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im Wege des Feststellungsverfahrens geklärt werden. Um einen solchen Streit handelt es sich auch hier. Der Antrag ist nicht auf Erstattung eines abstrakten Rechtsgutachtens gerichtet. Die Beteiligten streiten über eine betriebliche Arbeitszeitregelung. Es geht im Kern um die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, nämlich der Regelung eines erforderlichen Zeitausgleichs bei tatsächlich gearbeiteten 40 Stunden wöchentlich und einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Für welche Arbeitnehmer ein solcher Ausgleich notwendig ist, hängt davon ab, welche wöchentliche Arbeitszeit maßgeblich ist.
Die streitige Frage dient also der Klärung des Kreises der betroffenen Arbeitnehmer, für die eine mitbestimmungspflichtige Zeitausgleichsregelung erforderlich ist. Insofern betrifft sie den Umfang des Mitbestimmungsrechts. Es geht hingegen nicht um die Feststellung der Dauer der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, die nach ständiger Senatsrechtsprechung vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG allerdings nicht erfaßt ist(vgl. zuletzt etwa Senat 29. Februar 2000 – 1 ABR 15/99 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die Frage ist zwischen den Betriebspartnern auch nach wie vor streitig.
Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht auch davon ausgegangen, daß das anhängige Einigungsstellenverfahren der Durchführung des Feststellungsverfahrens nicht entgegensteht. Die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens bei umstrittenen Mitbestimmungsrechten entspricht ständiger Senatsrechtsprechung(vgl. etwa Senat 26. August 1997 – 1 ABR 12/97 – BAGE 86, 228, zu B I 2 der Gründe).
III. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist begründet. Die Arbeitgeberin ist auch nach Konkurseröffnung über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes noch an den Manteltarifvertrag gebunden, da dieser seine normative Wirkung nicht mit Konkurseröffnung ohne weiteres verloren hat. Er ist auch gegenüber nach dem 24. April 1998 eingestellten Arbeitnehmern zu beachten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit der Konkurseröffnung sei es noch nicht zu einer Situation gekommen, in der die Tarifvertragsparteien „die Herrschaft über den Tarifvertrag verloren” hätten. Vielmehr sei ein Insolvenzverfahren durchzuführen, das nicht unbedingt die vollständige Liquidation des Vereins zur Folge haben müsse. Der Konkursverwalter habe unter dem Gesichtspunkt einer evtl. Sanierung auch zu prüfen, ob er die vom Verein abgeschlossenen Tarifverträge kündige oder hiervon zunächst Abstand nehme. Es sei kein überzeugender Grund dafür erkennbar, daß ein Tarifvertrag im Falle einer Konkurseröffnung ohne eine solche Kündigung – wenn er nicht aus sonstigen Gründen wie etwa infolge einer Befristung ablaufe – einem sofortigem Ende zugeführt werden müsse.
Dem folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung.
2. Mit der Konkurseröffnung hat der tarifschließende Arbeitgeberverband als eingetragener Verein gem. § 42 Abs. 1 BGB in der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 24. April 1998 geltenden Fassung (zum 1. Januar 1999 wurde § 42 BGB neu gefaßt) seine Rechtsfähigkeit verloren. Er hat damit aber nicht aufgehört zu existieren, sondern besteht jedenfalls bis zur vollständigen Verteilung seines Vermögens im Rahmen des (im vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossenen) Konkursverfahrens oder – falls nach Abschluß des Verfahrens noch Aktivvermögen vorhanden ist – der anschließenden Liquidation fort. Seine Rechtsfähigkeit gilt dabei in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 BGB ebenfalls als fortbestehend, soweit der Abwicklungszweck dies erfordert. Mit dem Fortbestand des Vereins besteht auch die Mitgliedschaft der Mitglieder über die Konkurseröffnung hinaus fort(vgl. nur BGH 11. November 1985 – II ZR 37/85 – BGHZ 96, 253, 254; MünchKomm/Reuter BGB 3. Aufl. § 42 Rn. 4; Soergel/Hadding BGB 12. Aufl. § 42 Rn. 7; Staudinger/Weick BGB 13. Aufl. § 42 Rn. 3 und Rn. 11).
Nach der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung geltenden Gesetzesfassung wurde also zwar zwischen dem Verlust der Rechtsfähigkeit durch Konkurseröffnung (§ 42 BGB) und der Auflösung des Vereins (§ 41 BGB) unterschieden. Die Rechtsfolgen waren jedoch in beiden Fällen im wesentlichen dieselben(BGH aaO), was nunmehr in der neuen Fassung des § 42 Abs. 1 BGB auch klargestellt ist.
3. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit den Folgen des Konkurses einer tarifschließenden Partei für den normativen Teil eines Tarifvertrages noch nicht befaßt.
Im Urteil vom 15. Oktober 1986(– 4 AZR 289/85 – BAGE 53, 179 = AP TVG § 3 Nr. 4 mit Anmerkung von Wiedemann = SAE 1987, 201 mit Anmerkung von von Stebut = AR-Blattei Tarifvertrag III Entscheidung 4 mit Anmerkung von Buchner) hat der Vierte Senat angenommen, mit der Auflösung einer Tarifvertragspartei entfalle grundsätzlich die Tarifgebundenheit der Mitglieder nach § 3 Abs. 1 TVG. Nach Ablauf der Tarifverträge gälten diese kraft Nachwirkung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt würden. Die Tarifvertragspartei verliere in einem solchen Fall die Herrschaft über den Tarifvertrag. Ausdrücklich offengelassen wurde, ob die angenommene Rechtsfolge unmittelbar mit der Auflösung der Tarifvertragspartei eintritt, also stets von einer fristlosen Lösung auszugehen ist, oder ob diese Wirkung erst nach Ende der normativen Wirkung des Tarifvertrages durch Befristung, Mindestbefristung oder Ablauf einer Kündigungsfrist eintritt. Im Streitfall hatte nämlich der sich auflösende Arbeitgeberverband seine Auflösung der Gewerkschaft als Tarifpartnerin mitgeteilt; hierin hat das Bundesarbeitsgericht eine wirksame ordentliche Kündigung gesehen(vgl. weiter BAG 11. November 1970 – 4 AZR 522/69 – BAGE 23, 46 = AP TVG § 2 Nr. 28 mit Anmerkung von Wiedemann = SAE 1972, 107 mit Anmerkung von Blomeyer = AR-Blattei Tarifvertrag II Entscheidung 8 mit Anmerkung von Säcker; 28. Mai 1997 – 4 AZR 546/95 – BAGE 86, 43 und – 4 AZR 545/95 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 27; 25. September 1990 – 3 AZR 266/89 – BAGE 66, 71; siehe auch BFH 25. Oktober 1963 – VI 68/62 U – BFHE 77, 758; zur Übersicht über Entwicklung und Stand der Rechtsprechung und Literatur allgemein siehe nur Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 33 f.; Buchner RdA 1997, 259 f.).
4. Die in der Entscheidung vom 15. Oktober 1986 (aaO) offengelassene Frage, wann und wie der Tarifvertrag im Falle der Auflösung des Verbandes endet, ist jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall des Konkurses dahin zu beantworten, daß dies nicht automatisch mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung geschieht, sondern erst nach einer Kündigung bzw. nach Ablauf einer vereinbarten Befristung. Dabei bedarf es keiner Klärung, ob der Konkurs Grund für eine außerordentliche Kündigung bietet(siehe dazu etwa Oetker aaO § 2 Rn. 38). Der betroffene Arbeitgeberverband und die Konkursverwalterin haben bisher weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen.
a) Wie oben (2) dargelegt, besteht der Verein auch nach Konkurseröffnung fort. Seine Rechtsfähigkeit gilt in analoger Anwendung von § 49 Abs. 2 BGB gleichfalls als fortbestehend, soweit der Abwicklungszweck dies erfordert(BGH 11. November 1985 – II ZR 37/85 – BGHZ 96, 253, 254). Damit ist aber die Tarifvertragspartei noch nicht endgültig weggefallen, die Gefahr einer unbegrenzten Weitergeltung von Tarifverträgen mangels Beendigungsmöglichkeit besteht nicht. Es ist ein Organ vorhanden, das für den Verein handeln kann, nämlich der Konkursverwalter. Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Abwicklungszweck steht der Annahme einer Kündigungsbefugnis hinsichtlich laufender Tarifverträge nicht entgegen. Zur Abwicklung des Vereins gehört generell die Abwicklung noch nicht beendeter Rechtsverhältnisse. Hierunter ist grundsätzlich auch das Tarifverhältnis einzuordnen. Es entspricht auch der überwiegenden Auffassung im vereinsrechtlichen wie im arbeitsrechtlichen Schrifttum, daß die ordnungsgemäße Abwicklung von Tarifverträgen noch im Rahmen des Liquidationszwecks liegt(vgl. aus dem vereinsrechtlichen Schrifttum etwa MünchKomm/Reuter aaO § 49 Rn. 8; Soergel/Hadding aaO § 49 Rn. 3; Staudinger/Weick aaO § 49 Rn. 4; aus dem arbeitsrechtlichen Schrifttum vgl. etwa Oetker aaO § 2 Rn. 35 f.; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 3 Rn. 39; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht S 526 und 788; Blomeyer SAE 1972, 109, 111; Buchner RdA 1997, 259, 264; Däubler NZA 1996, 225, 233; Kunze RdA 1976, 31, 32; Reuter JuS 1987, 666; von Stebut SAE 1987, 203 – alle mit weiteren Nachweisen insbesondere auch zur älteren Literatur; anderer Auffassung wohl Schaub BB 1995, 2003, 2004; derselbe Arbeitsrechts-Handbuch 9. Aufl. § 199 Rn. 46, 47; Koberski/Clasen/Menzel TVG Stand November 1999 § 2 Rn. 100 a; Frölich NZA 1992, 1105, 1108).
Die Überlegungen zur Abwicklung nach Auflösung iSd. § 41 BGB gelten in gleicher Weise für die Abwicklung im Konkursverfahren, bei dem es sich nur um ein gesetzlich besonders geregeltes Liquidationsverfahren handelt(vgl. auch Löwisch/Rieble TVG § 2 Rn. 50). Gerade angesichts der vom Landesarbeitsgericht hervorgehobenen Möglichkeit einer Sanierung im Konkursverfahren besteht hier erst recht kein Anlaß, bereits mit Konkurseröffnung von einem Wegfall jeglicher anderweitiger Beendigungsmöglichkeit der abgeschlossenen Tarifverträge und dem daraus resultierenden Bedürfnis auszugehen, den Tarifverträgen ohne weiteres die Wirkung abzusprechen.
b) Diese Lösung vermeidet unbefriedigende Folgen, die mit einem automatischen Wegfall der normativen Wirkung wirksam abgeschlossener Tarifverträge verbunden wären. Die Auflösung des Vereins bzw. die Eröffnung des Konkursverfahrens führt auch sonst nicht zum Wegfall bestehender Rechtsverhältnisse, sondern zwingt zu deren Abwicklung(vgl. auch Däubler NZA 1996, 225, 233). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der beendete Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt. Der nur noch nachwirkende Tarifvertrag kann durch anderweitige Abmachungen ersetzt werden, er verliert also gerade seine zwingende normative Wirkung; die Nachwirkung bietet daher nur einen beschränkten Schutz.
Auch eine – nicht zu rechtfertigende – Differenzierung zwischen Verbands- und Firmentarifvertrag wird auf diese Weise vermieden. Für letzteren wird allgemein angenommen, daß er durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers/Tarifpartners noch nicht in seinem Bestand berührt wird(Löwisch/Rieble aaO § 2 Rn. 62; Koberski/Clasen/Menzel aaO § 2 Rn. 101; Kunze RdA 1976, 31, 33). Der nunmehr die Arbeitgeberfunktion ausübende Konkursverwalter ist weiterhin an ihn gebunden, er kann ihn ggf. kündigen. Es wäre nicht nachzuvollziehen, warum ein Firmentarifvertrag trotz Konkurseröffnung normativ weitergilt, wenn ein Verbandstarifvertrag automatisch enden würde.
Schließlich entspricht die Aufrechterhaltung der normativen Wirkung des Tarifvertrages auch dem in § 3 Abs. 3 TVG deutlich werdenden Rechtsgedanken. Danach bleibt eine einmal wirksam begründete Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. So bleibt der Arbeitgeber auch nach seinem Austritt aus dem Verband tarifgebunden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, daß Arbeitgeber nicht aus dem Verbandstarifvertrag fliehen(vgl. nur Löwisch/Rieble aaO § 3 Rn. 74; Oetker aaO § 3 Rn. 46). Der Fall der Verbandsauflösung wird zwar nicht von § 3 Abs. 3 TVG erfaßt(BAG 15. Oktober 1986 – 4 AZR 289/85 – BAGE 53, 179; für eine analoge Anwendung aber vor allem Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 78 und Rn. 1521 f.; derselbe NZA 1996, 225, 233; wohl auch Kempen/Zachert aaO § 3 Rn. 39; „hilfsweise” für den Fall der Ablehnung der „verbandsrechtlichen” Lösung auch Buchner RdA 1997, 259, 265, 266). Immerhin wird aus der Regelung der Wille des Gesetzgebers deutlich, daß ein einmal wirksam abgeschlossener Tarifvertrag möglichst seine normative Wirkung für den in ihm vorgesehenen Geltungszeitraum behalten soll. Die darin liegende Anerkennung der Autorität eines Tarifvertrages als normativer Regelung und die Unterbindung einer „Flucht” aus dem Tarifvertrag sind auch hier zu beachten. Wollte man die Bindung mit Auflösung oder Konkurseröffnung ohne weiteres entfallen lassen, könnte auf diese Weise ein Verbandstarifvertrag unterlaufen werden, indem die Mitglieder den Arbeitgeberverband auflösen oder durch entsprechende Vorgaben die Konkursreife herbeiführen.
5. Hat also die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des BVBG Bundesverband B e.V. nicht zur automatischen Beendigung des Manteltarifvertrages geführt, so gilt dieser fort. Es ist kein Beendigungstatbestand festzustellen. Der Tarifvertrag war nicht befristet, sondern unbefristet, kündbar frühestens zum 31. Dezember 1999. Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine Kündigung durch die Konkursverwalterin war im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nicht erfolgt, wie das Landesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt hat. Sie ist auch bisher nicht von den Beteiligten angezeigt. Die Eröffnung des Konkursverfahrens als solche kann nicht als Kündigungserklärung gewertet werden.
Damit besteht die Bindung der Arbeitgeberin an den Manteltarifvertrag über den 24. April 1998 hinaus fort und ist auch gegenüber den danach einzustellenden Arbeitnehmern zu beachten.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Rost, Gnade, Münzer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.06.2000 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547209 |
BAGE, 156 |
BB 2001, 210 |
DB 2000, 1413 |
DB 2001, 438 |
FA 2001, 32 |
KTS 2001, 363 |
NZA 2001, 334 |
ZIP 2001, 129 |
ZTR 2000, 410 |
AP, 0 |
AuA 2000, 385 |
AuA 2001, 377 |
DZWir 2001, 239 |
NZI 2001, 163 |
NZI 2001, 54 |
AuS 2000, 67 |