Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung “mehrjährige Berufserfahrung”. Eingruppierung. mehrjährige Berufserfahrung. Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs nach einer bestimmten Vergütungsgruppe innerhalb einer tariflichen Ausschlussfrist. Verfall des Anspruchs auf Vergütung nach einer niedrigeren Vergütungsgruppe. mehrjährige Berufserfahrung als Eingruppierungsmerkmal für Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung
Orientierungssatz
- Macht ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe innerhalb einer tariflichen Ausschlussfrist gegenüber seinem Arbeitgeber geltend und verlangt er nicht zugleich hilfsweise Vergütung nach einer anderen, niedrigeren Vergütungsgruppe, beschränkt er grundsätzlich die Geltendmachung auf den Vergütungsanspruch nach der höheren Vergütungsgruppe.
- Setzt die Begründetheit des Anspruchs nach der höheren Vergütungsgruppe nicht denknotwendig die Erfüllung der Voraussetzungen der niedrigeren Vergütungsgruppe voraus und ist die höhere Vergütungsgruppe damit keine echte Aufbaufallgruppe, umfasst der Anspruch auf Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe nicht den Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren. In einem solchen Fall wahrt ein Arbeitnehmer mit der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs nach der höheren Vergütungsgruppe nicht eine tarifliche Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Vergütungsgruppe.
- Das Tarifmerkmal “mehrjährige Berufserfahrung” in Nr. 3.2 GTV, wonach ua. Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung mit überwiegend selbständiger Tätigkeit oder mehrjähriger Berufserfahrung in die Gehaltsgruppe III einzustufen sind, erfüllt nur eine mehrjährige Erfahrung des Angestellten in einem von ihm erlernten Beruf. Eine mehrjährige Erfahrung in einem vom Angestellten tatsächlichen ausgeübten, jedoch nicht erlernten Beruf ist keine Berufserfahrung im Tarifsinne.
Normenkette
BGB § 614 S. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 15.04.2004; Aktenzeichen 13 Sa 492/03) |
ArbG Oberhausen (Urteil vom 13.02.2003; Aktenzeichen 1 Ca 122/02) |
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. April 2004 – 13 Sa 492/03 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13. Februar 2003 – 1 Ca 122/02 – abgeändert.
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 28. November 2002 – 1 Ca 122/02 – wird aufgehoben, soweit festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin vom 1. Februar 2001 bis zum 30. September 2002 in die Gehaltsgruppe III der Gehaltstarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen einzugruppieren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
- Im Übrigen wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin ab dem 1. Februar 2001.
Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Sie ist seit dem 17. Mai 1997 bei der Beklagten im R… tätig. Die Beklagte wendet auf die Arbeitverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer die Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen an. Sie vergütet die Klägerin als gewerbliche Arbeitnehmerin und zahlt ihr einen Stundenlohn in Höhe der in den Lohntarifverträgen für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfallen vom 15. März 2000 und 6. April 2001 für den Revierwachdienst für die Lohngruppe 2.0.3 festgesetzten Mindeststundenlöhne.
Die Klägerin bat die Beklagte ohne Erfolg um ihre Übernahme ins Angestelltenverhältnis. Die Bestimmungen der Gehaltstarifverträge (GTV) für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2000, vom 6. April 2001 und vom 13. August 2003 zur Eingruppierung der Angestellten lauten – soweit für die Revision von Interesse – wie folgt:
“3. Gehaltsgruppen
In der Gehaltsgruppe gemäß 2. sind die Angestellten wie folgt einzustufen:
3.0. Gehaltsgruppe I
Angestellte ohne Ausbildung für einfache Tätigkeiten.
3.1. Gehaltsgruppe II
Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung und ferner Angestellte mit gleichwertigen Berufskenntnissen sowie Angestellte der Gehaltsgruppe I nach 6 Beschäftigungsjahren.
Z. B.:
– Sachbearbeiter mit einfachen Tätigkeiten,
– Angestellte für schwierige Registraturtätigkeiten,
…
3.2. Gehaltsgruppe III
Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung mit überwiegend selbständiger Tätigkeit oder mehrjähriger Berufserfahrung oder Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppe I und II.
Z. B.:
– Buchhalter,
– Einsatzleiter des technischen Betriebsdienstes,
– Sachbearbeiter für schwierige Aufgaben,
– Stenotypistinnen und Phonotypistinnen, die in der Lage sind, die Korrespondenz nach stichwortartiger Anweisung zu erledigen,
– Operateure sowie
– Angestellte während der Ausbildung zur EDV-Programmierung
3.3. Gehaltsgruppe IV
Angestellte mit abgeschlossener Berufsbildung mit selbständiger Tätigkeit und besonderen Leistungen sowie Angestellte, die Vorgesetzte der Gehaltsgruppe III sind und ferner Angestellte der Gehaltsgruppe III nach sechsjähriger Beschäftigungszeit.
Z. B.:
– Abteilungsleiter
…
3.4. Gehaltsgruppe V
Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung für selbständige Tätigkeiten mit besonderen Leistungen, die sich durch langjährige Berufserfahrung und das Maß ihrer Verantwortung aus der Gehaltsgruppe IV herausheben.
…
3.5. Berufsjahre
Als Berufsjahre in der Gruppe zählen die Jahre der Beschäftigung des Angestellten in der jeweiligen Gehaltsgruppe dieses Tarifvertrages oder vergleichbarer Gehaltsgruppen anderer Tarifbereiche. Diese Bestimmung ist auch auf die vergleichbare Ausbildung sowie vergleichbare Tätigkeiten als gewerbliche Arbeitnehmer anzuwenden.”
Im Manteltarifvertrag vom 2. Februar 2000 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen heißt es:
“5. Zahlungsregelungen für Löhne/Gehälter und Leistungszuschlag
5.1 Als Lohn- und Gehaltsperiode gilt der Kalendermonat.
…
13. Erlöschen von Ansprüchen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis können rückwirkend nur für einen Zeitraum von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
…”
In ihrer Klageschrift vom 14. Januar 2002 hat die Klägerin beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin rückwirkend ab dem 1. Februar 2001 nach der Gehaltsgruppe IV des Gehaltstarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW zu vergüten.
Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 11. April 2002 nach diesem Klageantrag erkannt. In der mündlichen Verhandlung am 28. November 2002 hat die Klägerin erstmals folgenden Antrag gestellt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin rückwirkend ab 1. Februar 2001 gemäß Gehaltsgruppe III nach 2-jähriger Beschäftigung des Gehaltstarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW einzugruppieren.
Das Arbeitsgericht hat diesem geänderten Antrag mit “zweitem 1. Versäumnisurteil” vom 28. November 2002 stattgegeben und sein Versäumnisurteil vom 11. April 2002 aufgehoben. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 28. November 2002 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28. November 2002 wurden dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 9. Januar 2003 zugestellt.
Die Klägerin meint, sie erfülle jedenfalls die Tarifmerkmale der Gehaltsgruppe III GTV. Sie verfüge über eine abgeschlossene Berufsausbildung und übe ihre Angestelltentätigkeit überwiegend selbständig aus. Der Leiter des Besucherzentrums mit den museumspädagogischen Aktivitäten sei ihr gegenüber nicht weisungsbefugt. Ihr oblägen die Führung des Museumsshops und die Verantwortung für Kasse und Verkauf. Auch für die Organisation von zusätzlichen Veranstaltungen wie zB von Konzerten, Ausstellungen und Sternfahrten sei sie zuständig. Sie sei auch Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppen I und II. Zu ihren Aufgaben gehöre die Einteilung des Personals für alle Einrichtungen, die Erstellung von Dienstplänen und Stundennachweisen, die Ausübung der Personalkontrolle sowie die Einstellung von Aushilfskräften. Schließlich verfüge sie auch über eine mehrjährige Berufserfahrung iSd. Nr. 3.2. GTV. Dieses Tarifmerkmal setze nicht Berufserfahrung in einem erlernten Beruf voraus.
Die Klägerin hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 28. November 2002 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 28. November 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klage sei nicht schlüssig. Die Klägerin habe die von ihr behaupteten Tätigkeiten weder detailliert beschrieben, noch dargelegt, mit welchen Zeitanteilen sie diese jeweils verrichte. Ihre Tätigkeit übe die Klägerin nicht überwiegend selbständig aus. Die Klägerin sei auch nicht Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppen I und II. Schließlich verfüge die Klägerin auch nicht über eine mehrjährige Berufserfahrung nach Nr. 3.2. GTV. Dieses Tarifmerkmal erfordere eine mehrjährige Erfahrung in einem vom Angestellten erlernten Beruf. Eine mehrjährige Erfahrung in dem von ihr erlernten Beruf einer Einzelhandelskauffrau besitze die Klägerin nicht.
Das Arbeitsgericht hat sein Versäumnisurteil vom 28. November 2002, mit dem es der geänderten Klage stattgegeben hat, aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe III GTV für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 30. September 2002 festgestellt haben will. Wegen der von der Klägerin ab dem 1. Oktober 2002 beanspruchten Vergütung nach dieser Gehaltsgruppe war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Klägerin habe ihren zunächst auf die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe IV GTV gerichteten Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28. November 2002 eingeschränkt, indem sie nur noch die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III GTV verlangt habe. Die geänderte Klage sei begründet. Die Klägerin verfüge über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Einzelhandelskauffrau und übe bereits seit 1997 eine Tätigkeit im Kassen- und Verkaufsbereich im Besucherzentrum aus. Damit sei ab dem 1. Februar 2001 das Tarifmerkmal der Gehaltsgruppe III GTV “abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung” erfüllt. Berufserfahrung im erlernten Beruf sei nach der tariflichen Regelung nicht erforderlich. Die abgeschlossene Berufsausbildung und die mehrjährige Berufserfahrung seien alternative Eingruppierungsmerkmale der Gehaltsgruppe III. Dies erweise sich auch an dem Tätigkeitsbeispiel “Buchhalter”. Buchhalter sei kein Ausbildungsberuf. Nach dem Willen der Tarifpartner müsse demnach alternativ nur ein Tarifmerkmal erfüllt sein.
II. Dem folgt der Senat nicht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.
1. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin einen Vergütungsanspruch nach der Gehaltsgruppe III für die Monate Februar 2001 bis September 2002 festgestellt haben will. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Gehalt nach der Gehaltsgruppe III für diesen Anspruchszeitraum ist gemäß Nr. 13 Satz 1 MTV verfallen.
a) Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28. November 2002 geänderte Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin Ansprüche auf Gehalt nach der Gehaltsgruppe III GTV ab dem 1. Februar 2001 festgestellt haben will. Dem Wortlaut nach bezieht sich dieser Antrag lediglich auf die Verpflichtung der Beklagten zur Eingruppierung der Klägerin in die Gehaltsgruppe III und nicht auf die Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung der Klägerin nach dieser Gehaltsgruppe. Allerdings beanspruchte die Klägerin vor der Antragsänderung ausdrücklich die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, sie nach der Gehaltsgruppe IV zu vergüten. Bei Berücksichtigung der Antragsbegründung verfolgt die Klägerin auch nach der Änderung des Antrags einen Vergütungsanspruch im Wege der Feststellungsklage weiter. Danach betrifft die Beschränkung des Antrags ausschließlich die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Gehaltszahlung nach der nächstniedrigeren Gehaltsgruppe III GTV. Die Beklagte hat die Antragsänderung auch so verstanden. Der geänderte Antrag ist deshalb so auszulegen, dass die Klägerin festgestellt haben will, dass die Beklagte sie ab dem 1. Februar 2001 nach der Gehaltsgruppe III GTV zu vergüten hat. Bei einem anderen Verständnis des Antrags wäre dieser nach § 256 Abs. 1 ZPO auch nicht zulässig. Ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO besteht nämlich nur, wenn sich hieraus konkrete Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (st. Rspr., vgl. BAG 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – BAGE 85, 347; 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1; 17. Oktober 2001 – 4 AZR 720/00 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 65). Wollte die Klägerin aus der begehrten Feststellung keinen Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe III GTV für die Vergangenheit ableiten, fehlte der Klage das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse.
b) Gemäß Nr. 5.1 MTV gilt als Lohn- und Gehaltsperiode der Kalendermonat. Nach § 614 Satz 2 BGB ist die Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, wenn sie nach Zeitabschnitten bemessen ist. Vergütungsansprüche der Klägerin wegen der von ihr bis September 2002 geleisteten Dienste waren somit am 1. Oktober 2002 fällig. Weiter gehende Vergütungsansprüche für die Monate Februar 2001 bis September 2002 in Höhe der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Lohn und dem von ihr beanspruchten Gehalt nach der Gehaltsgruppe III GTV hat die Klägerin nicht vor der Zustellung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts vom 28. November 2002 und des Sitzungsprotokolls vom selben Tag am 9. Januar 2003 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren etwaige Ansprüche der Klägerin auf Gehalt nach der Gehaltsgruppe III, die bis zum 1. Oktober 2002 entstanden und fällig geworden sind, bereits gemäß Nr. 13 Satz 1 MTV verfallen. Nach dieser Tarifvorschrift können alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis rückwirkend nur für einen Zeitraum von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
c) Mit der Geltendmachung von Gehaltsansprüchen nach der Gehaltsgruppe IV GTV hat die Klägerin die tarifliche Verfallfrist für Gehaltsansprüche nach der Gehaltsgruppe III GTV nicht gewahrt.
aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer näher bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht (BAG 10. Dezember 1997 – 4 AZR 228/96 – AP BAT §§ 22, 23 Nr. 234). Dies setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird (BAG 22. April 2004 – 8 AZR 652/02 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28). Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Macht ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe innerhalb einer tariflichen Ausschlussfrist gegenüber seinem Arbeitgeber geltend und verlangt er nicht zugleich hilfsweise Vergütung nach einer anderen, niedrigeren Vergütungsgruppe, wahrt er die tarifliche Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Vergütungsgruppe nicht (vgl. BAG 13. November 1996 – 4 AZR 747/94 –, zu 3 der Gründe). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Begründetheit des Anspruchs nach der höheren Vergütungsgruppe nicht denknotwendig die Erfüllung der Voraussetzungen der niedrigeren Vergütungsgruppe voraussetzt, die höhere Vergütungsgruppe also keine echte Aufbaufallgruppe ist (vgl. BAG 16. April 1997 – 4 AZR 653/95 – AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 35). In einem solchen Fall kann der Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Vergütungsgruppe nicht als ein vom Anspruch auf Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe umfasster Teilanspruch angesehen werden. Vielmehr hat der Arbeitnehmer die Geltendmachung und den Streitgegenstand auf den Vergütungsanspruch nach der höheren Vergütungsgruppe beschränkt. Dies schließt nicht nur eine gerichtliche Überprüfung aus, ob dem Arbeitnehmer Vergütung nach einer niedrigeren Vergütungsgruppe zusteht (vgl. BAG 13. November 1996 – 4 AZR 747/94 –, zu 3 der Gründe), sondern auch die Annahme, dass die tarifliche Ausschlussfrist für den Vergütungsanspruch nach der niedrigeren Vergütungsgruppe gewahrt ist, wenn der Arbeitnehmer diesen Vergütungsanspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist hilfsweise erhoben hat.
bb) Die Gehaltsgruppe IV GTV ist keine echte Aufbaufallgruppe zur Gehaltsgruppe III GTV. Sie nimmt nicht auf alle alternativen Voraussetzungen der Gehaltsgruppe III GTV Bezug und setzt nicht denknotwendig die Erfüllung der Voraussetzungen dieser nächstniedrigeren Gehaltsgruppe voraus. In die Gehaltsgruppe IV GTV können auch Angestellte ohne mehrjährige Berufserfahrung einzustufen sein oder Angestellte, die nicht Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppen I und II sind.
2. Für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Klägerin sei bereits deshalb in die Gehaltsgruppe III GTV einzustufen, weil “abgeschlossene Berufsausbildung” und “mehrjährige Berufserfahrung” alternative Tatbestandsmerkmale seien und die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III nicht eine mehrjährige Erfahrung in einem vom Angestellten erlernten Beruf voraussetze. “Mehrjährige Berufserfahrung” iSd. Nr. 3.2. GTV bedeutet mehrjährige Erfahrung in dem vom Angestellten mit abgeschlossener Berufsausbildung erlernten Beruf. Dies ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 31. Juli 2002 – 10 AZR 578/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 mwN) den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (20. März 2002 – 10 AZR 518/01 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 34; 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11).
b) Nach Nr. 3.2. GTV sind in die Gehaltsgruppe III Angestellte mit abgeschlossener Berufsausbildung mit überwiegend selbständiger Tätigkeit oder mehrjähriger Berufserfahrung oder Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppe I und II einzustufen. Ist ein Angestellter nicht Vorgesetzter von Angestellten einer der beiden ersten Gehaltsgruppen und erfüllt er kein Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe III, setzt seine Einstufung in diese Gehaltsgruppe nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift voraus, dass er eine Berufsausbildung abgeschlossen hat und entweder seine Tätigkeit überwiegend selbständig ausübt oder über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügt. “Berufserfahrung” bedeutet Erfahrung im Beruf (Duden Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 2 Stichwort “Berufserfahrung”; Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. Stichwort “Berufserfahrung”). Aus dem Wort “Berufserfahrung” allein ergibt sich jedoch nicht, ob mehrjährige Erfahrung in einem vom Angestellten tatsächlich ausgeübten oder mehrjährige Erfahrung in dem von ihm erlernten Beruf vorliegen muss.
c) Allerdings spricht der Sach- und Satzzusammenhang mit dem Wort “Berufsausbildung” dafür, dass die Tarifvertragsparteien unter einer mehrjährigen Berufserfahrung eine mehrjährige Erfahrung in dem vom Angestellten erlernten Beruf verstanden haben. Nach ihrem im Wortlaut der Nr. 3.2. GTV deutlich zum Ausdruck kommenden Willen ist eine mehrjährige Berufserfahrung für die Einstufung in die Gehaltsgruppe III nur dann maßgebend, wenn der Angestellte eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist eine mehrjährige Erfahrung in einem Beruf für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III GTV ohne Bedeutung. Aus diesem Zusammenhang zwischen abgeschlossener Berufsausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung wird deutlich, dass nicht jede Erfahrung in einem Beruf, sondern nur die in einem vom Angestellten erlernten das Merkmal der Berufserfahrung erfüllen soll.
d) Dieses Auslegungsergebnis bestätigt der tarifliche Gesamtzusammenhang. Die Tarifvertragsparteien haben die Einstufung des Angestellten in die Gehaltsgruppe III mit dem Merkmal der Berufserfahrung in Nr. 3.2. und Nr. 3.4. GTV im Gegensatz zur Regelung in Nr. 3.1. und Nr. 3.3. GTV nicht an eine bestimmte Zahl von Beschäftigungsjahren oder eine bestimmte Beschäftigungszeit geknüpft. Sie haben bezüglich der von ihnen für die Einstufung in die Gehaltsgruppe III für erforderlich angesehenen mehrjährigen Erfahrung des Angestellten auch nicht auf Berufsjahre abgestellt, die sie in Nr. 3.5. Satz 1 GTV als Jahre der Beschäftigung des Angestellten in der jeweiligen Gehaltsgruppe des GTV oder vergleichbarer Gehaltsgruppen anderer Tarifbereiche definiert haben. Anders als bei der Steigerung des Anfangsgehalts nach zwei-, vier-, sechs- und achtjähriger Berufstätigkeit gemäß Nr. 2. GTV haben sie auch nicht die Dauer der Berufstätigkeit für maßgebend gehalten. Aus dieser Differenzierung zwischen Beschäftigungsjahren, Beschäftigungszeit, Berufsjahren, Berufstätigkeit und mehrjähriger (Nr. 3.2. GTV) oder langjähriger Berufserfahrung (Nr. 3.4. GTV) lässt sich entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine mehrjährige Ausübung eines nicht erlernten Berufs und die dabei gewonnene Erfahrung einer mehrjährigen Berufserfahrung des Angestellten in dem von ihm erlernten Beruf nicht gleichstellen wollten.
e) Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, das Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe III “Buchhalter” stehe der Annahme entgegen, mehrjährige Berufserfahrung setze mehrjährige Erfahrung im erlernten Beruf voraus, weil “Buchhalter” kein Ausbildungsberuf sei. Ungeachtet des Umstandes, dass als Buchhalter beschäftigte Angestellte in der Regel über eine für diese Tätigkeit qualifizierende Ausbildung verfügen, stand es den Tarifvertragsparteien frei, Angestellte mit bestimmten Tätigkeiten unabhängig davon in die Gehaltsgruppe III GTV einzustufen, ob sie diese Tätigkeit überwiegend selbständig iSd. Nr. 3.2. GTV ausüben oder mehrjährige Berufserfahrung in einem erlernten Beruf besitzen. Auch bei Angestellten als Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppen I und II haben sie auf die Erfüllung dieser Tarifmerkmale verzichtet.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auf Grund seiner Annahme, auf eine mehrjährige Berufserfahrung der Klägerin in dem von ihr erlernten Beruf einer Einzelhandelskauffrau komme es nicht an, nicht geprüft, ob die Klägerin über eine solche Erfahrung verfügt und ihre Behauptungen zutreffen, wonach sie ihre Tätigkeit überwiegend selbständig ausübt und Vorgesetzte von Angestellten der Gehaltsgruppen I und II ist. Dementsprechend fehlt es auch an entsprechenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Der Rechtsstreit war deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird, sofern nicht bereits alternative Merkmale für die Einstufung der Klägerin in die Gehaltsgruppe III GTV erfüllt sind, zu klären haben, ob die von der Klägerin bereits seit 1997 wahrgenommene Tätigkeit im Kassen- und Verkaufsbereich des Besucherzentrums eine mehrjährige Berufserfahrung in dem von ihr erlernten Beruf einer Einzelhandelskauffrau begründet hat. Die von der Klägerin bei der von ihr behaupteten Führung des Museumsshops verrichteten Tätigkeiten könnten dem Ausbildungsberufsbild einer Einzelhandelskauffrau nach § 3 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom 14. Januar 1987 (BGBl. I S. 153) und nach § 8 der Verordnung über die Berufsausbildung im Einzelhandel in den Ausbildungsberufen Verkäufer/Verkäuferin und Kaufmann im Einzelhandel/Kauffrau im Einzelhandel vom 16. Juli 2004 (BGBl. I S. 1806) entsprechen. Die Klägerin muss nach der Regelung in Nr. 3.2. GTV die mehrjährige Beruferfahrung in ihrem erlernten Beruf einer Einzelhandelskauffrau nicht in einem Einzelhandelsunternehmen erworben haben.
Unterschriften
Dr. Freitag, Brühler, Creutzfeldt, Thiel, Petri
Fundstellen
Haufe-Index 1446962 |
DB 2005, 2751 |