Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung nach unbestimmten Rechtsbegriffen
Leitsatz (redaktionell)
Die Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Fallgruppen 1a der Vergütungsgruppen IIa, Ib, Ia BAT (Teil I) sind trotz der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe justitiabel. Das gilt sowohl für die Heraushebungsmerkmale der Schwierigkeit und Bedeutung als auch für die Heraushebung durch das Maß der mit der Tätigkeit verbundenen Verantwortung.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17, § 23 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 17.03.1982; Aktenzeichen 5 Sa 85/80) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.09.1980; Aktenzeichen 7 Ca 1/79) |
Tatbestand
Der Kläger, der der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) als Mitglied angehört, ist Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik. Er steht seit 1. Oktober 1974 in den Diensten des beklagten Landes und ist im Niedersächsischen V amt in der L stelle beschäftigt. Der Kläger erhält seit 1. Januar 1976 Vergütung nach VergGr. I b BAT.
Ihm obliegen nach einer insoweit unstreitigen Tätigkeitsbeschreibung folgende Aufgaben:
1. Planerische und gutachterliche Betreuung
- technischer, wirtschaftlicher und an-
wendungsbezogener Art - von technischen
Programmen, Ausschreibungen, Errichtungen,
Abnahmen und Betrieb von elektroakustischen
und fernsehtechnischen Aufnahme-, Wieder-
gabe- und Speicheranlagen bei Bauvorhaben
für das Land Niedersachsen sowie für Kommunal-
verwaltungen, Organisationen und Institutionen
der außerschulischen Bildung.
2. Mitwirkung in der Aus- und Weiterbildung von
Ausbildern.
Mit der Klage begehrt der Kläger von dem beklagten Land für die Zeit ab 1. Januar 1976 Vergütung nach VergGr. I a BAT. Hierzu hat er vorgetragen, seine Tätigkeit hebe sich durch das Maß der mit ihr verbundenen Verantwortung erheblich aus der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a heraus. Im Rahmen seiner planerischen und gutachterlichen Betreuung von elektroakustischen und fernsehtechnischen Anlagen sei sein Vorschlag gegenüber dem Träger des Bauvorhabens, eine bestimmte technische Anlage installieren zu lassen, lediglich auf äußere Plausibilität nachprüfbar. Zwar bleibe die eigentliche Entscheidung über das "Ob" des Einbaus der Anlage dem jeweiligen Träger im Lande Niedersachsen überlassen. Da einem Nichtfachingenieur im Einzelfall eine inhaltlich-materielle Überprüfung seines Vorschlags auf dem Gebiete der Elektroakustik und Fernsehtechnik aber überhaupt nicht möglich sei, bestehe auf seiten der Träger ein "sanfter Zwang", den Entscheidungsvorschlägen des Klägers "blind" zu folgen. So seien etwa die Planungen für entsprechende Anlagen beim Jugendzentrum der Stadt G und der Justizvollzugsanstalt C nach der gutachterlichen Stellungnahme des Klägers nicht nur geändert oder ergänzt, sondern vollständig neu gefaßt worden. Fehlplanungen des Klägers könnten zu erheblichen Fehlinvestitionen des Trägers der Bauvorhaben führen. Belange der Allgemeinheit würden insoweit berührt, als durch die von dem Kläger geplanten elektroakustischen und fernsehtechnischen Medien ein größeres Publikum erreicht werden solle.
Der Kläger hat demgemäß beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet
ist, dem Kläger ab 1. Januar 1976 Vergütung nach
der VergGr. I a BAT zu zahlen, sowie die Differenz-
beträge zwischen der VergGr. I b und I a ab dem
1. Januar 1976 mit 4 % zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, der Kläger sei zutreffend in die VergGr. I b BAT eingruppiert. Die in der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a geforderte besondere Schwierigkeit und Bedeutung des Aufgabenkreises umfasse bereits ein gewisses Maß an Verantwortung, das durch die Art der Tätigkeit des Klägers nicht in einem erheblichen Umfang überschritten werde. Der Kläger übe lediglich eine beratende und unterstützende Funktion aus, während die Entscheidungen von anderen Stellen getroffen würden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren unter Beschränkung des Klagezeitraums auf die Zeit bis 31. Dezember 1982 und unter Wegfall des Zinsanspruchs weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.
Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger könne das von ihm in Anspruch genommene Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a schon deshalb nicht erfüllen, weil die Anforderungen dieses Tätigkeitsmerkmals so unbestimmt seien, daß ihr Inhalt nicht mehr erkennbar und nachvollziehbar sei und dem Tätigkeitsmerkmal deshalb keine Rechtswirkung zukommen könne, kann der Senat nicht folgen. Die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. I a Fallgruppe 1 a des Teils I der Anlage 1 a zum BAT sind vielmehr justitiabel. Dieses Tätigkeitsmerkmal baut auf den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a und VergGr. II a BAT Fallgruppe 1 a auf. Folgende Tätigkeitsmerkmale sind damit in Betracht zu ziehen:
Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 1 a
------------------------------------
Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie
sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätig-
keiten ausüben.
Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 1 a
-----------------------------------
Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie
sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende
Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit
und Bedeutung aus der VergGr. II a Fallgruppe 1 a
heraushebt.
Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 1 a
-----------------------------------
Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher
Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie
sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende
Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit ver-
bundenen Verantwortung erheblich aus der Vergü-
tungsgruppe I b Fallgruppe 1 a heraushebt.
Da das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a auf den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a und der VergGr. II a BAT Fallgruppe 1 a aufbaut, ist im Einzelfall zunächst das Vorliegen der Merkmale der Ausgangsvergütungsgruppe und danach das Vorliegen der qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale der jeweils nächsthöheren Vergütungsgruppe zu prüfen (BAG 29, 364 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 29, 416 = AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 30, 229 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975, jeweils mit weiteren Nachweisen). Hierbei ist eine pauschale Überprüfung ausreichend, wenn der hierfür maßgebende Sachverhalt unstreitig ist und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit des Angestellten die Tätigkeitsmerkmale der entsprechenden Vergütungsgruppe als erfüllt ansieht (BAG 29, 364 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Das Tätigkeitsmerkmal der Ausgangsvergütungsgruppe II a BAT Fallgruppe 1 a setzt in der ersten - vorliegend allein in Betracht kommenden - Alternative voraus, daß der Angestellte erstens eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung besitzt und zweitens eine entsprechende Tätigkeit ausübt, worunter eine Tätigkeit zu verstehen ist, die den Einsatz des durch die einschlägige Hochschulbildung erworbenen Wissens und Könnens erfordert. Diese Anforderungen sind leicht nachvollziehbar und einer Subsumtion ohne weiteres zugänglich.
Gegenüber dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. II a BAT Fallgruppe 1 a fordert das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a eine zweifache Qualifizierung, und zwar einmal "durch besondere Schwierigkeit" und außerdem durch eine entsprechende "Bedeutung" der Tätigkeit. Mit diesen beiden Begriffen werden zwei voneinander abgrenzbare Qualifikationen jeweils anderer Art gefordert. Die Schwierigkeit der Tätigkeit betrifft Anforderungen an das fachliche Können des Angestellten, die Bedeutung der Tätigkeit betrifft ihre Auswirkung. Hierbei müssen sich nach der Senatsrechtsprechung besonders schwierige Tätigkeiten im Sinne der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a durch besonders herausgehobene und über die entsprechenden Erfordernisse der niedrigeren Fallgruppe herausragende fachliche Anforderungen hervorheben. Die Tätigkeit muß also höhere fachliche Anforderungen stellen, als sie normalerweise von einem Angestellten mit einschlägiger wissenschaftlicher Hochschulbildung gefordert werden können. Diese höheren fachlichen Anforderungen können zum Beispiel in der Breite des geforderten fachlichen Wissens und Könnens, in Spezialkenntnissen oder außergewöhnlicher Erfahrung liegen (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1982 - 4 AZR 466/79 -, AP Nr. 56 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Demgegenüber kann sich die besondere Bedeutung der Tätigkeit beispielsweise aus der Größe des Aufgabenkreises, der außerordentlichen Bedeutung der zu bearbeitenden Materie sowie den Auswirkungen der Tätigkeit für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1982 - 4 AZR 466/79 -, AP Nr. 56 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 29, 416 = AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Diese Auswirkungen der Tätigkeit müssen die Auswirkungen übersteigen, die normalerweise die Tätigkeit eines Angestellten mit einschlägiger wissenschaftlicher Hochschulbildung mit sich bringt. Hierbei erfordern beide Qualifikationsmerkmale (besondere Schwierigkeit und Bedeutung) eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung gegenüber den Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. II a BAT Fallgruppe 1 a (BAG Urteil vom 29. August 1979 - 4 AZR 851/77 -, unveröffentlicht, unter Bezugnahme auf das BAG Urteil vom 16. Mai 1979 - 4 AZR 680/77 -, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Damit sind auch die Anforderungen der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a ausreichend bestimmt, so daß im Einzelfall der maßgebende Sachverhalt unter sie subsumiert werden kann. Bei den tariflichen Rechtsbegriffen der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung handelt es sich zwar um unbestimmte Rechtsbegriffe. Deshalb kann der Senat diese unbestimmten Rechtsbegriffe auch nur durch weitere unbestimmte Begriffe abstrakt umschreiben. Diese Umschreibungen erleichtern aber die Subsumtion und eine möglichst gleichmäßige Anwendung der Rechtsbegriffe. Denn die Tatsachengerichte können unter Berücksichtigung der zur Erläuterung eines unbestimmten Rechtsbegriffes verwendeten weiteren unbestimmten Rechtsbegriffe die Gesichtspunkte heranziehen, die bei der Subsumtion jeweils beachtet werden müssen.
Wegen der Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe ist es allerdings unvermeidlich, den Tatsachengerichten einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Subsumtion einzuräumen. Dies kann dazu führen, daß gleichgelagerte Sachverhalte von den Instanzgerichten unterschiedlich entschieden werden, ohne daß das Revisionsgericht dies korrigieren kann. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind in der Rechtsordnung aber unverzichtbar, wenn unübersehbare Einzelfälle erfaßt werden sollen. Dies gilt zum Beispiel für den Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB, für weite Teile des Verwaltungsrechts, aber auch für die Tätigkeitsmerkmale der allgemeinen Fallgruppe des BAT. Im öffentlichen Dienst werden von den Arbeitnehmern unübersehbar vielfältige Tätigkeiten auf allen Lebensgebieten ausgeübt, die von den Tarifvertragsparteien in konkreten Tätigkeitsbeispielen nicht erschöpfend erfaßt werden könnten, zumal aufgrund der technischen Entwicklung und durch organisatorische Maßnahmen ständig neue Tätigkeitsbereiche entstehen. Da die Tarifvertragsparteien in der Vergütungsordnung des BAT aber grundsätzlich alle Angestelltentätigkeiten des öffentlichen Dienstes erfassen wollen, kann dies nur durch die Normierung allgemeiner Tätigkeitsmerkmale erreicht werden. Demgemäß hat der Senat den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zum BAT auch eine Auffangfunktion in Fällen zuerkannt, in denen die Tätigkeit eines Angestellten von der üblichen Tätigkeit eines Verwaltungsangestellten nicht unerheblich abweicht, ohne daß jene Tätigkeit in einem konkreten Tätigkeitsbeispiel erfaßt war (vgl. BAG 36, 245, 256 = AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Tarifvertragsparteien ist nur dann aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich, wenn sie eine willkürliche Subsumtion erlauben. Dies trifft jedoch für die hier in Frage stehenden Begriffe der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung nicht zu. So ist es den Gerichten verwehrt, fachliche Anforderungen einer Tätigkeit unter den Begriff der Bedeutung der Tätigkeit zu subsumieren oder Umstände, die die Auswirkungen einer Tätigkeit sowie die ungünstigen, belastenden oder in sonstiger Weise unangenehmen äußeren Bedingungen, unter denen die Arbeit geleistet werden muß, betreffen, für die Schwierigkeit der Tätigkeit heranzuziehen. Dies schließt es nicht aus, daß im Einzelfall aus der Schwierigkeit der Tätigkeit Rückschlüsse auch auf deren Bedeutung gezogen werden können (BAG Urteil vom 27. Februar 1980 - 4 AZR 229/78 -, unveröffentlicht, unter Bezugnahme auf BAG Urteil vom 16. Mai 1979 - 4 AZR 680/77 -, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dem Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanzen sind aber damit auch in der Revisionsinstanz überprüfbare Grenzen gesetzt.
Gegenüber dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a stellt das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a eine weitere Steigerung dar. Die Tätigkeit muß sich durch das Maß der Verantwortung erheblich aus der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a herausheben. Damit fordern die Tarifvertragsparteien nach der Senatsrechtsprechung eine besonders weitreichende, hohe Verantwortung, die diejenige beträchtlich übersteigt, die begriffsnotwendig schon die Merkmale der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a fordern. Ihren Grund kann sie beispielsweise in den Auswirkungen der Tätigkeit im Behördenapparat, in leitenden Funktionen, aber auch in der Besonderheit oder außergewöhnlichen Schwierigkeit einzelner Aufgaben haben, soweit daraus bedeutsame Auswirkungen auf die Belange des Dienstherrn, die Allgemeinheit oder die Lebensverhältnisse Dritter folgen können (BAG Urteil vom 29. August 1979 - 4 AZR 851/77 -, unveröffentlicht, unter Bezugnahme auf BAG 29, 364 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es ist nicht zu verkennen, daß diese abstrakte Umschreibung des Begriffs der besonderen Verantwortung im Sinne der VergGr. I a BAT sich mit den tariflichen Begriffen der besonderen Schwierigkeit und besonderen Bedeutung überschneiden kann. Daraus kann aber nicht die vom Landesarbeitsgericht angenommene absolute Injustitiabilität des Begriffs der besonderen Verantwortung im Sinne der VergGr. I a BAT hergeleitet werden. Hierbei kann - noch über die Argumentation des Landesarbeitsgerichts hinausgehend - davon ausgegangen werden, daß mit jeder Tätigkeit eines Angestellten - auch nach VergGr. X BAT - eine gewisse Verantwortung notwendigerweise verbunden ist. Erledigt nämlich ein Angestellter die ihm übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß, führt dies im allgemeinen zu Störungen des Betriebsablaufs. Dies schließt es aber nicht aus, dennoch die besondere Verantwortung einer Tätigkeit als Anforderung einer bestimmten Vergütungsgruppe zu normieren. Damit wird nämlich abstrakt bestimmt, daß die Verantwortung dieser Vergütungsgruppe die Verantwortung übersteigen muß, die die Merkmale der nächstniedrigeren Vergütungsgruppe insgesamt fordern. Die besondere Verantwortung der Tätigkeit in diesem Sinne kann daher nur mit Umständen begründet werden, die nicht schon zur Begründung der Merkmale der niedrigeren Vergütungsgruppe herangezogen wurden und damit "verbraucht" sind.
Wenn das Landesarbeitsgericht hierzu beanstandet, es sei nicht einmal im Ansatz erkennbar, wie groß der Abstand zwischen den einzelnen Sprossen in der Leiter der mit einer Tätigkeit verbundenen Verantwortung eines Angestellten zu sein habe, ist ihm zwar zuzugeben, daß dieser Abstand sich nicht abstrakt näher bestimmen läßt. Dies liegt in der Natur des unbestimmten Rechtsbegriffs. Gleichwohl erlauben die aufeinander aufbauenden Rechtsbegriffe in den Vergütungsgruppen des BAT eine Abgrenzung, weil Umstände, die bei der Subsumtion zur Begründung der Merkmale der niedrigeren Vergütungsgruppe herangezogen wurden, nicht mehr für die zusätzliche Anforderung einer höheren Vergütungsgruppe verwertet werden dürfen. Hierbei ist einzuräumen, daß es oft im Ermessen der Tatsacheninstanz liegt, ob sie zum Beispiel mehrere Umstände, die die Auswirkungen der Tätigkeit eines Angestellten betreffen, insgesamt unter den Begriff der besonderen Bedeutung der Tätigkeit im Sinne der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a subsumiert und deshalb die Merkmale der VergGr. I a BAT verneint, oder ob sie bereits aus einem Teil dieser Umstände die besondere Bedeutung der Tätigkeit herleitet und mit den übrigen Umständen die besondere Verantwortung im Sinne der VergGr. I a BAT begründet. Damit ist aber nur der Beurteilungsspielraum gekennzeichnet, der den Tatsacheninstanzen bei der Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe zusteht. Die Grenzen dieses Beurteilungsspielraums sind jedoch erreicht, wenn Umstände verwertet werden, die mit dem im Einzelfall anzuwendenden abstrakten tariflichen Begriff unvereinbar sind (z.B. lästige äußere Bedingungen der Tätigkeit für den Begriff der Verantwortung) oder die bereits zur Begründung der Anforderungen einer niedrigeren Vergütungsgruppe herangezogen wurden. Diese Grenzen des Beurteilungsspielraums der Tatsacheninstanz reichen aus, um den tariflichen Begriff der besonderen Verantwortung im Sinne der VergGr. I a BAT als justitiabel anzusehen.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es hierbei unerheblich, daß die Merkmale der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 a gegenüber den Merkmalen der VergGr. I a BAT eine weitere Steigerung ("deutlich höher zu bewertende" Tätigkeit) vorsehen. Denn einmal ist bei der Bestimmung von Begriffen in tariflichen Tätigkeitsmerkmalen eine "Abgrenzung nach oben", d.h. zu Begriffen von Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Vergütungsgruppe, weder nach den Regelungen des BAT noch nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zwingend geboten (BAG Urteil vom 29. September 1982 - 4 AZR 1198/79 -, nicht veröffentlicht). Ferner erfordert das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. I BAT Fallgruppe 1 a nicht unbedingt eine weitere Steigerung der Verantwortung, sondern nur ganz allgemein eine deutlich höher zu bewertende Tätigkeit, was auch aus Umständen außerhalb des Verantwortungsbereichs gefolgert werden kann (vgl. BAG Urteil vom 23. Februar 1983 - 4 AZR 222/80 -, AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Schließlich ist es für die hier allein zu beurteilende Justitiabilität des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a unerheblich, ob Merkmale einer höheren Vergütungsgruppe justitiabel sind.
Da somit nach den dargestellten Grundsätzen die Anforderungen der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a und der Fallgruppen, auf denen diese Fallgruppe aufbaut (VergGr. II a Fallgruppe 1 a, I b Fallgruppe 1 a), justitiabel sind, wird das Landesarbeitsgericht die Tätigkeit des Klägers entsprechend zu bewerten haben. Hierbei kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob bei der von ihm auszuübenden Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der vom Kläger in Anspruch genommenen VergGr. I a BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Das Landesarbeitsgericht macht zu den Arbeitsvorgängen des Klägers keine Ausführungen. Dies hindert den Senat zwar nicht, selbst die vom Kläger zu erbringenden Arbeitsvorgänge festzulegen und rechtlich zu bewerten, da es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorgangs um einen von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff handelt (BAG 30, 229 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den Arbeitsergebnissen des Klägers, der Trennbarkeit und selbständigen tarifrechtlichen Bewertbarkeit seiner Aufgaben sowie zur Verwaltungsübung ist der Senat vorliegend jedoch nicht zur Festlegung der Arbeitsvorgänge des Klägers in der Lage. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zunächst unter Beachtung der Senatsrechtsprechung die Arbeitsvorgänge des Klägers festlegen müssen (vgl. hierzu BAG Urteil vom 19. Mai 1982 - 4 AZR 762/79 -, AP Nr. 61 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen).
Bei der Frage, ob der Kläger die Anforderungen der VergGr. I a BAT Fallgruppe 1 a erfüllt, wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Ausgangsfallgruppen der VergGr. II a Fallgruppe 1 a und I b Fallgruppe 1 a gegeben sind. Hierbei kann sich das Landesarbeitsgericht insoweit mit einer pauschalen Überprüfung begnügen, weil die Tätigkeit des Klägers - abgesehen von Zeitanteilen, die bei der Festlegung der maßgebenden Arbeitsvorgänge zu berücksichtigen sind - unstreitig ist und das beklagte Land selbst für die Tätigkeit des Klägers die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. II a und I b BAT als erfüllt ansieht (vgl. BAG Urteil vom 5. September 1973 - 4 AZR 549/72 -, AP Nr. 3 zu § 24 BAT mit weiteren Nachweisen). Nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien dürfte unbedenklich zu bejahen sein, daß der Kläger eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung besitzt und eine entsprechende Tätigkeit ausübt.
Darauf aufbauend wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob sich die Tätigkeit des Klägers durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. II a Fallgruppe 1 a heraushebt. Hierzu enthält die vom Kläger zu den Gerichtsakten eingereichte Arbeitsplatzbeschreibung folgende Erläuterung: "Elektroakustik und Fernsehanlagentechnik zählen wegen ihrer hohen Komplexität und ständigen schnellen Weiterentwicklung zu den schwierigsten Gebieten der Ingenieurwissenschaften. Um dieses Fachgebiet zu beherrschen, sind Spezialkenntnisse erforderlich, über die nur wenige Fachleute in der Industrie und in wissenschaftlichen Instituten verfügen. Der Erhalt der Spezialkenntnisse erfordert eine ständige Weiterbildung. Aufgrund dieser Tatsachen und der Tatsache, daß der Stelleninhaber in einer zentralen Oberinstanz der Niedersächsischen Landesverwaltung als einziger dieses Spezialgebiet betreut und insoweit Fachaufsicht für die Bauämter und alle anderen oben genannten Nutzer im Lande Niedersachsen ist, hebt sich das Maß der besonderen Verantwortung und der Schwierigkeit und Bedeutung seiner Tätigkeit erheblich über das hohe Maß heraus, das normalerweise an einen diplomierten Fachingenieur zu stellen ist."
Diese Ausführungen genügen in ihrer Allgemeinheit auch im Rahmen einer pauschalen Überprüfung nicht, um für die Tätigkeit des Klägers eine besondere Schwierigkeit im tariflichen Sinne bejahen zu können. Denn aus seinem weiteren Sachvortrag ergibt sich nicht, inwiefern seine Tätigkeit solche Spezialkenntnisse erfordert, über die nur wenige Fachleute in der Industrie und in wissenschaftlichen Instituten verfügen sollen. Das Landesarbeitsgericht wird daher den Sachverhalt insoweit gemäß § 139 ZPO weiter aufzuklären und sodann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zu prüfen haben, ob sich die Tätigkeit des Klägers durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. II a BAT Fallgruppe 1 a heraushebt. Ist dies zu bejahen, wird das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe der angeführten Senatsrechtsprechung weiter zu prüfen haben, ob sich die Tätigkeit des Klägers durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a heraushebt, wobei es auch in seinem Beurteilungsspielraum liegt zu entscheiden, ob eine gegebenenfalls zu bejahende Heraushebung als erhebliche Steigerung gegenüber den Anforderungen der VergGr. I b BAT Fallgruppe 1 a anzusehen ist.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mit zu entscheiden haben.
Dr. Neumannn Dr. Feller Dr. Etzel
Dr. Kiefer Wax
Fundstellen
Haufe-Index 439047 |
AP Nr 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975 (LT1) |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst IIIA Entsch 275 (LT1) |
EzBAT §§ 22, 23 BAT B2, VergGr Ia Nr 2 (LT) |
PersV 1986, 428-431 (LT1) |
RiA 1985, 5-5 (T) |