Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrigierende Rückgruppierung
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen folgen soll, daß eine Vergütung nach einer tariflich nicht geschuldeten Vergütungsgruppe vereinbart worden ist.
Normenkette
BAT-O/VKA §§ 22-23; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. November 1998 – 6 Sa 624/97 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die am 30. Mai 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1991 als einzige Mitarbeiterin der Bücher- und Schriftensammlung in den Städtischen Kunstsammlungen C beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. In § 4 des Arbeitsvertrags vom 30. Oktober 1991 heißt es weiter:
„Die Eingruppierung erfolgt in die VergGr. IV b der Anlage 1 a/1 b zum BAT-O (§ 22 Abs. 3 BAT-O).
Es besteht Einvernehmen zwischen den Parteien darüber, daß für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 1992 eine fehlerhafte Eingruppierung keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründet und eine solche fehlerhafte Eingruppierung durch den Arbeitgeber jederzeit geändert werden kann.”
Die von der Klägerin am 20. Oktober 1994 unterzeichnete und von dem Leiter der Dienststelle als richtig bescheinigte Aufgabenbeschreibung, die die VergGr. V b BAT-O ausweist, benennt die folgenden, seit dem 24. August 1992 wahrgenommenen Aufgaben:
1. |
Bearbeitung, Erschließung und Kontrolle des Bestandes an Büchern, Katalogen, Periodika: |
50 |
% |
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Inventarisierung von Neueingängen |
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Erarbeitung von wissenschaftlichen, topografischen, Zeitschriften-Katalogen ua. |
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Erweiterung des Bestandes, entsprechend dem Profil der einzelnen Sammlungen (Graphik-Kabinett, Sammlung Malerei und Plastik, Textil- und Kunstgewerbesammlung) sowie hinsichtlich einschlägiger Problematik der Kunstwissenschaft, Kunstsoziologie, Museumspädagogik, Ästhetik uä. |
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– |
Bearbeitung des wissenschaftlichen Schriftenaustausches |
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2. |
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Wissenschaftliche Beratung und Ausleihe: |
15 |
% |
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Bereitstellung von Literatur für Mitarbeiter des Hauses und für fremde Fachbenutzer |
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Organisation der Fernleihe laut Bedarf der Mitarbeiter des Hauses |
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3. |
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Mitarbeit an der Lösung kunstsammlungspezifischer Aufgaben: |
15 |
% |
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– |
Bereitstellung von Literatur für die Erarbeitung von Ausstellungskonzeptionen |
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– |
Zuarbeit für wissenschaftliche Publikationen |
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Bearbeitung einer biographischen Datei für die Sammlung relevanter Künstler |
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– |
Erarbeitung von Bibliographien für die Veröffentlichungen |
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Zuarbeit für CIP-Dienst der Deutschen Bibliothek und VLB-Redaktion der Buchhändler-Vereinigung GmbH |
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4. |
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Dokumentation der Ausstellungstätigkeit der Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz (eigene und Fremdausstellungen) |
15 |
% |
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– |
Dokumentation des Ausstellungsgeschehens im europäischen Raum anhand der Fach- und Tagespresse |
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5. |
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Bearbeitung des die Bibliothek betreffenden Schriftwechsels |
3 |
% |
6. |
– |
Technische Betreuung des Buchbestandes und Einleitung konservatorischer Maßnahmen |
2 |
% |
Mit Schreiben vom 10. September 1996 teilte die beklagte Stadt der Klägerin mit, sie ab dem 1. Oktober 1996 nach der VergGr. V b BAT-O vergüten zu wollen.
Gegen diese Rückgruppierung wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage. Die Klägerin meint, ihr stehe die VergGr. IV b BAT-O zu. Es liege eine individuelle arbeitsvertragliche Vergütungszusage für die VergGr. IV b BAT-O vor, weil die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages von der fehlenden Ausbildung als Diplom-Bibliothekarin Kenntnis gehabt habe und trotzdem, und somit bewußt falsch, die Eingruppierung vorgenommen habe. Im übrigen erfülle sie alle tariflichen Voraussetzungen mit Ausnahme der Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin. Sie habe aber auf Grund ihrer Ausbildung als Diplom-Museologin, Diplom-Archäologin und Geschichtslehrerin eine höhere Qualifikation und müsse deshalb gleichgestellt werden. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß im Tarifvertrag keine Gleichstellung der sonstigen Angestellten vorgesehen sei, weil dieser Ausschluß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und deshalb unwirksam sei. Jedenfalls könne eine Rückgruppierung nicht erfolgen, weil es dazu einer Änderungskündigung bedürfe, weil ihr der Vertrauensschutz der Klägerin entgegenstehe und weil der Personalrat der Rückgruppierung nicht zugestimmt habe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr seit dem 1. Oktober 1996 Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Meinung vertreten, daß die Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages über die Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O nicht im Sinne eines eigenständigen, von den tariflichen Bestimmungen unabhängigen Anspruchs auf die Vergütung ausgelegt werden könne. Nach dem Tarifvertrag stehe der Klägerin nicht die begehrte Vergütung zu, weil sie kein Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b BAT-O erfülle. Unstreitig habe der Klägerin nicht die erforderliche Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken bzw. öffentlichen Bibliotheken (Diplom-Bibliothekarin), die für die einschlägigen speziellen Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages vom 15. Januar 1960 für die Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O erforderlich sei. Die entsprechenden tariflichen Bestimmungen verstießen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG. Der Rückgruppierung stehe kein Vertrauensschutz der Klägerin entgegen. Die von der Klägerin behauptete fehlende Beteiligung des Personalrats sei für die Frage, welche Vergütung der Klägerin tarifrechtlich zustehe, ohne Bedeutung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben, weil die Beklagte nach Treu und Glauben an der Rückgruppierung gehindert sei. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Die Revision führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Klägerin tarifrechtlich die begehrte VergGr. IV b BAT-O nicht zusteht. Die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit besteht zeitlich nicht mindestens zur Hälfte aus Arbeitsvorgängen, die die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von der Klägerin in Anspruch genommenen VergGr. IV b BAT-O erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O).
a) Auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung sind der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der VKA jeweils geltenden Fassung anwendbar. Für die Eingruppierung sind die speziellen – in dem Tarifvertrag vom 15. Januar 1960 vereinbarten – Tätigkeitsmerkmale maßgebend.
b) Diese lauten:
„Vergütungsgruppe IV b
Angestellte in wissenschaftlichen Bibliotheken mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) und entsprechender Tätigkeit,
- denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fachkraft der Vergütungsgruppe V b unterstellt ist, oder
- die an wissenschaftlichen Bibliotheken mit einem Buchbestand von mindestens 50.000 Bänden mit besonders schwierigen Fachaufgaben beschäftigt werden.
Angestellte an Behördenbüchereien mit abgeschlossener Fachausbildung entweder für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) oder für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit,
- denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fachkraft der Vergütungsgruppe V b unterstellt ist, oder
- als fachliche Leiter für Behördenbüchereien mit einem Buchbestand von mind. 40.000 Bänden.
Vergütungsgruppe V b
Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.”
c) Danach bedarf es für die von der Klägerin begehrte Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O in jedem Fall einer abgeschlossenen Fachausbildung als Diplombibliothekarin, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der von ihr betreuten Bibliothek um eine Behördenbücherei im Sinne des einen Tätigkeitsmerkmals oder um eine wissenschaftliche Bücherei im Sinne des anderen Tätigkeitsmerkmals handelt. Eine solche Ausbildung hat die Klägerin unstreitig nicht.
Die Klägerin kann sich, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend dargestellt hat, auch nicht auf die Gleichwertigkeit ihrer sonstigen Qualifikationen als Diplom-Museologin, Diplom-Archäologin und Geschichtslehrerin berufen, weil in der von ihr beanspruchten Vergütungsgruppe keine Gleichstellung der sonstigen Angestellten, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, enthalten ist.
d) Gegen die rechtliche Wirksamkeit dieser tariflichen Eingruppierungsregelungen, die eine bestimmte berufliche Ausbildung fordern, bestehen keine Bedenken. Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser nur den Handlungsspielraum des Arbeitgebers bindet und deshalb nicht einschlägig ist, wenn der Arbeitgeber nur einen für ihn verbindlichen Tarifvertrag vollzieht. Ein Verstoß der tariflichen Regelung selbst gegen den allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die berufliche Qualifikation als Differenzierungsmerkmal für tarifliche Vergütungsregelungen selbstverständlich zulässig ist(vgl. zur Frage der Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte den Hinweis des Senats im Urteil vom 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 70 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 40).
e) Die Grundsätze zur Darlegungslast des Arbeitgebers bei der korrigierenden Rückgruppierung stehen der von der beklagten Stadt vorgenommenen Rückgruppierung nicht entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat erkannt, daß der Arbeitgeber, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung der von ihm begehrten tariflichen Eingruppierung auf die vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergütungsgruppe beruft, die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe, dh. die fehlerhafte Bewertung der Tätigkeit im tarifvertraglichen Vergütungsgefüge, und die dieser korrigierten Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen und, so sie hinreichend bestritten werden, zu beweisen habe(BAG 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.] – im Anschluß an BAG 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP BMT-G II § 20 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 7; 8. Oktober 1997 – 4 AZR 167/96 – AP BAT § 23 b Nr. 2; 18. Februar 1998 – 4 AZR 581/96 – BAGE 88, 69). Weil vorliegend die Klägerin gar nicht behauptet, daß die ursprünglich mitgeteilte Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O zutreffend gewesen sei, kommt es auf diese Grundsätze zur Darlegungslast bei der korrigierenden Rückgruppierung nicht an.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB den Beklagten nicht daran hindern, sich auf das Fehlen der tariflichen Voraussetzungen für die bis dahin gewährte Vergütung zu berufen und die Klägerin zurückzugruppieren.
a) Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ua. darauf abgestellt, daß die Beklagte durch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages zu erkennen gegeben habe, sie habe die Eingruppierung der Klägerin bis zum Ende des Jahres 1992 überprüfen wollen. Außerdem habe die Beklagte auch die Tätigkeitsbeschreibung vom 20. Oktober 1994, die zutreffend die VergGr. V b BAT-O ausgewiesen habe, nicht sofort zum Anlaß für eine Korrektur der Eingruppierung genommen, sondern noch nahezu zwei Jahre verstreichen lassen. Deshalb habe die Klägerin darauf vertrauen können, daß die Beklagte von ihrem möglicherweise bestehenden Recht auf Rückgruppierung keinen Gebrauch machen werde. Dieses berechtigte Vertrauen der Klägerin überwiege in Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen der Beklagten. Dem kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
b) Dem Arbeitgeber kann es zwar unter besonderen Umständen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein, sich zur Begründung der Rückgruppierung auf eine fehlende tarifliche Voraussetzung für die bisher gewährte Vergütung zu berufen(so für den Fall der Verweigerung des Bewährungsaufstiegs Senat 17. August 1994 – 4 AZR 623/93 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 35; Senat 8. Oktober 1997 – 4 AZR 167/96 – AP BAT § 23 b Nr. 2).
c) Solche die Ausübung des Rückgruppierungsrechts hindernde Umstände sind vorliegend aber nicht gegeben. Soweit das Landesarbeitsgericht zur Begründung auf die Regelung in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages abstellt, wonach eine fehlerhafte Eingruppierung für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 1992 keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründe, verkennt es, daß diese vertragliche Regelung – wie unten darzulegen sein wird – vorrangig bedeutsam ist für die Frage, ob ein vertraglicher Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Vergütung besteht.
Auch der Umstand, daß die Tätigkeitsbeschreibung vom 20. Oktober 1994 die niedrigere Vergütungsgruppe ausweist, die Beklagte aber erst fast zwei Jahre später die Rückgruppierung vorgenommen hat, wird von dem Landesarbeitsgericht unzutreffend bewertet. Die Tatsache, daß in der von beiden Seiten unterschriebenen Aufgabenbeschreibung eine niedrigere als die tatsächlich gewährte Vergütung ausgewiesen ist, mindert den bis dahin ggf. entstandenen Vertrauenstatbestand, weil dadurch auch für die Klägerin erkennbar geworden ist, daß die Berechtigung der bisher der Vergütung zugrunde liegenden Vergütungsgruppe jedenfalls in Frage steht.
Somit beschränken sich die Gesichtspunkte, die gegen die Ausübung des Rechts zur Rückgruppierung sprechen, darauf, daß die fehlerhafte Eingruppierung bereits etwa vier Jahre bestanden hatte, bevor sie durch die tarifliche Bewertung im Rahmen der Aufgabenbeschreibung vom Oktober 1994 in Frage gestellt wurde, und daß es nahezu zwei weitere Jahre gedauert hat, bis die Rückgruppierung vollzogen wurde. Diese Umstände betreffen allerdings allein den Zeitablauf, der jedenfalls bei der hier vorliegenden Dauer für sich allein keinen hinreichenden Grund darstellt, um unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten die Möglichkeit der Rückgruppierung zu verwehren.
3. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die an sich vorrangige Frage, ob der Klägerin die bis zum 30. September 1996 gezahlte Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O arbeitsvertraglich zusteht, nicht konkret geprüft. Es hat lediglich im Rahmen der Erörterungen zu § 242 BGB die abstrakte Aussage getroffen, daß mit der Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag kein eigenständiger, von den zugrunde liegenden tarifrechtlichen Vorschriften abweichender arbeitsvertraglicher Vergütungsanspruch begründet werde. Das Vorbringen der Parteien erfordert es, die Frage einer vertraglichen Vereinbarung der VergGr. IV b BAT-O zu prüfen.
a) Die Klägerin hat sich auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt unter Hinweis darauf berufen, daß die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages von der fehlenden Ausbildung als Diplombibliothekarin Kenntnis gehabt habe. Wenn der Arbeitgeber bewußt eine übertarifliche Vergütung mitgeteilt hat, kann das für eine arbeitsvertragliche Vereinbarung der Vergütungsgruppe unabhängig von der tariflichen Eingruppierung sprechen(Senat 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – zVv.). Insoweit könnte auch von Bedeutung sein, daß die Klägerin auf Grund ihrer Ausbildung als Diplom-Museologin, Diplom-Archäologin und Geschichtslehrerin besondere Qualifikationen besaß, die die Beklagte hätten veranlassen können, der Klägerin unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen die VergGr. IV b BAT-O zu gewähren.
b) Gegen die Notwendigkeit der Prüfung einer übertariflichen Vergütungsvereinbarung spricht auch nicht die Regelung in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine fehlerhafte Eingruppierung bis einschließlich dem 31. Dezember 1992 keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründet.
Zwar stimmt die in dem Vertragsformular enthaltene Regelung in § 4 Abs. 2 in der Formulierung weitgehend mit der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O, die bis zum 31. August 1995 gegolten hat, überein. Diese Übergangsvorschrift mit dem Wortlaut:
„Bis zum 31. Dezember 1992 begründen fehlerhafte Eingruppierungen keinen arbeitsvertraglichen Anspruch; zuviel gezahlte Bezüge werden nicht zurückgefordert….”
beinhaltet eine ausdrückliche Klarstellung für Eingruppierungen, die bis zum 31. Dezember 1992 vorgenommen worden sind und trägt damit dem Umstand Rechnung, daß im öffentlichen Dienst in den neuen Bundesländern eine Vielzahl von Eingruppierungen vorgenommen werden mußten, über deren Grundlagen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht noch besondere Unsicherheit bestand(BAG 8. August 1996 – 6 AZR 1035/94 – AP BAT-O § 11 Nr. 10). Sie stellt den Grundsatz klar, der Angabe der Vergütungsgruppe in Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst lasse sich ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Willenserklärung entnehmen, daß der öffentliche Arbeitgeber unabhängig von den tariflichen Bestimmungen die angegebene Vergütung zahlen will(ua. BAG 26. März 1997 – 4 AZR 489/95 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 223). Sie kombiniert das mit dem Ausschluß der Rückforderung von zuviel bezahlter Vergütung.
Daraus ergibt sich aber nicht ohne weiteres der Ausschluß der vertraglichen Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung. Auch wenn durch § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages lediglich die Regelung der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O wiederholt werden sollte, schließt das – umgekehrt – aber auch die Möglichkeit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung nicht aus. Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages stellt nicht ohne weiteres nur die sinngemäße Wiederholung der Übergangsregelung zu § 22 BAT-O dar. Denn dort heißt es im Anschluß an die im Vertrag ausgewiesene VergGr. IV b BAT-O ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Übergangsregelung zu § 22 BAT-O, es bestehe Einvernehmen zwischen den Parteien darüber, daß für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 1992 eine fehlerhafte Eingruppierung keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründe und eine solche fehlerhafte Eingruppierung durch den Arbeitgeber jederzeit geändert werden könne. Dem Wortlaut nach könnte diese Regelung deshalb auch bedeuten, daß die ausgewiesene Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O, falls sie fehlerhaft ist, nur bis zum 31. Dezember 1992 keinen arbeitsvertraglichen Anspruch begründe und somit nur bis dahin jederzeit geändert werden könne.
c) Die somit erforderliche Auslegung des Vertrages im Hinblick auf die vertragliche Vereinbarung der übertariflichen Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O kann der Senat als Revisionsgericht nicht selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht nicht alle dafür erforderlichen Feststellungen getroffen hat(vgl. schon BAG 28. Februar 1991 – 8 AZR 89/90 – BAGE 67, 279, 282). Das Landesarbeitsgericht wird somit unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und aller sonstigen für die Auslegung der Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages erheblichen Umstände bei der Vertragsanbahnung bzw. dem Vertragsabschluß entscheiden müssen, ob ein vertraglicher Anspruch auf die tariflich nicht geschuldete Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O begründet worden ist. Insoweit hat die Klägerin alle Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen folgen soll, daß die Beklagte der Klägerin arbeitsvertraglich die ihr tariflich nicht zustehende Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O zubilligen wollte.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Wolter, Fieberg, Kiefer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.05.2000 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584715 |
BB 2001, 788 |
DB 2001, 1207 |
ARST 2001, 162 |
FA 2001, 126 |
FA 2001, 178 |
NZA 2001, 1316 |
ZTR 2001, 315 |
AP, 0 |
NJ 2001, 331 |
PersR 2001, 265 |