Leitsatz (amtlich)
Ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung die Höhe des Verlusts streitig und ist davon auszugehen, daß der Verlustbetrag zum Ausgleich von nach höchsten Steuertarifsätzen zu bestehenden Einkünften dienen soll, so kann als Streitwert ein Betrag von 50 v. H. des streitigen Verlusts anzusetzen sein, auch wenn es nicht um den Verlust einer Abschreibungsgesellschaft geht (Anschluß an BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520).
Normenkette
GKG § 13
Verfahrensgang
Tatbestand
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Als Gesellschafter sind an ihr beteiligt eine Komplementär-GmbH mit einem Gewinn- und Verlustanteil von 12,5 v. H. und eine natürliche Person als Kommanditist mit einem Gewinn- und Verlustanteil von 87,5 v H.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte den Verlust der Klägerin für das Streitjahr 1956 mit Gewinnfeststellungsbescheid vom 17. Oktober 1972 auf 89 203 DM festgestellt.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Feststellung eines höheren Verlustes erreichen wollte, hatten keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision begehrte die Klägerin die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts (FG) und die Abänderung des angefochtenen Bescheids insoweit, "als die Anwendung des § 14 des Berlinhilfegesetzes (BHG) für den ... erworbenen Rohbau..." versagt wurde.
Auf die Revision hob der Senat das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung auf und stellte den Verlust - dem Antrag entsprechend - unter Abänderung des Bescheids vom 17. Oktober 1972 auf 309 711,68 DM fest (Urteil vom 19. Juli 1979 IV R 235/75, BFHE 128, 448, BStBl II 1980, 3).
Mit Schreiben vom 6. Februar 1980 beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Klagerin, den Streitwert für das Revisionsverfahren auf 94 033 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag auf Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht (§ 25 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -, § 9 Abs. 2 Satz 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGebO -) setzt ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1978 VII R 69/76, BFHE 125, 353, BStBl II 1978, 599). Ein solches Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen, wenn sich der Streitwert anhand der bisherigen Rechtsprechung nicht eindeutig genug feststellen läßt.
Bei Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids wird der Streitwert durch Anwendung eines bestimmten Vomhundertsatzes auf den streitigen Gewinn-(Verlust-)betrag ermittelt. Dabei ist grundsätzlich von einem Satz von 25 v. H. auszugehen. Je nach den mutmaßlichen Auswirkungen eines solchen Rechtsstreits auf die Einkommensbesteuerung der beteiligten Mitunternehmer können im Einzelfall aber auch andere Vomhundertsätze für die Streitwertermittlung maßgebend sein (BFH-Beschluß vom 23. Februar 1978 IV E 1/78, BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409). Geht man hiervon aus, dann läßt sich im vorliegenden Fall der Wert des Streitgegenstandes nicht ohne weiteres durch Anwendung der von der Rechtsprechung bisher entwickelten Regeln eindeutig ermitteln.
Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht ist deshalb gegeben.
2. Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist vor allem darin zu sehen, daß hier nicht um die Feststellung eines Gewinns, sondern um die Höhe eines Verlusts gestritten wird. Grundsätzlich ist zwar auch in solchen Fällen der Streitwert durch Anwendung des üblichen Pauschsatzes von 25 v. H. auf den streitigen Verlustbetrag zu ermitteln (BFH-Beschluß vom 21. Februar 1974 IV B 24/71, BFHE 112, 217, BStBl II 1974, 461). Sind allerdings Umstände erkennbar, die darauf schließen lassen, daß sich der Verlust in höherem Maße auf die Höhe der - für die Mitunternehmer festzusetzenden - Einkommensteuer auswirken wird, dann kann auch ein höherer Pauschsatz angemessen sein. So hat der erkennende Senat im Rahmen eines Streits um die Höhe des Verlusts bei einer sogenannten "Abschreibungsgesellschaft" einen Pauschsatz von 50 v. H. als angemessen betrachtet (BFH-Beschluß vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520).
Auch im Streitfall ist den im Feststellungsverfahren erkennbar gewordenen Umständen zu entnehmen, daß die Anwendung des üblichen Pauschsatzes von 25 v. H. angesichts der Höhe des von der Klägerin angestrebten Verlustbetrags den ,mutmaßlichen Auswirkungen des Verlusts bei der Veranlagung der Gesellschafter nicht gerecht wird. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um keine "Abschreibungsgesellschaft" mit einer Vielzahl von Kommanditisten, bei denen angenommen werden kann, daß sie jeweils nach Spitzensätzen besteuert werden. Es kann jedoch auch bei personenzahlmäßig kleinen Gesellschaften aus der Höhe des angestrebten Verlusts geschlossen werden, daß der im Gewinnfeststellungsverfahren ermittelte Verlust bei der Ermittlung des Einkommens der Mitunternehmer zum Ausgleich entsprechend hoher positiver Einkünfte dienen soll. Wenn im Rahmen eines Feststellungsverfahrens ein Verlust von mehr als 300 000 DM erstrebt wird, der nur zu 12,5 v. H. einer (der Körperschaftsteuer unterliegenden) GmbH, zu 87,5 v. H. aber einer natürlichen Person zuzurechnen ist, so kann - ebenso wie bei einer "Abschreibungsgesellschaft" - davon ausgegangen werden, daß der hohe Verlustbetrag bei der natürlichen Person zum Ausgleich von - nach höchsten Steuertarifsatzen zu besteuernden - Einkünften dient. Welche mutmaßlichen körperschaftsteuerrechtlichen Auswirkungen sich durch die Verlustzuweisung bei der GmbH ergeben, kann angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe des auf die GmbH entfallenden Verlustanteils bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt bleiben. Der pauschale Charakter der Streitwertbestimmung im Gewinn-(Verlust)feststellungsverfahren erfordert ein gesondertes Eingehen auf diesen Teil des Verlustes nicht. Der Senat hält unter den gegebenen Umständen einen pauschalen Satz von 50 v. H. für angemessen. Als Streitwert errechnet sich hieraus für den vorliegenden Fall ein Betrag von 50 v. H. von 220 508 DM = 110 254 DM. An den Antrag des Prozeßbevollmächtigten, als Streitwert lediglich einen Betrag von 94 033 DM festzusetzen, ist der Senat nicht gebunden.
Fundstellen
BStBl II 1981, 38 |
BFHE 1981, 288 |