Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahrelange Untätigkeit des FA im Einspruchsverfahren; keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei nicht mehr revisiblem Landesgrunderwerbsteuerrecht
Leitsatz (NV)
1. Jahrelange Untätigkeit des FA im Einspruchsverfahren führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Steuererhebung. Diese Frage ist durch Rechtsprechung geklärt. Gegenüber dem nicht auf eine Entscheidung drängenden Einspruchsführer liegt auch kein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte vor. Auch diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
2. Rechtsfragen im Zusammenhang mit nicht mehr revisiblem Grunderwerbsteuerrecht eines Landes sind im Revisionsverfahren nicht mehr klärungsfähig.
Normenkette
MRK; FGO § 46 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 160 Abs. 2 a. F
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 16. September 1980 erwarb die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung und einem Kellerraum. Nach dem Kaufvertrag wurden der Klägerin u. a. sich aus der Teilungserklärung ergebende Nutzungsrechte an bestimmten im Aufteilungsplan bezeichneten Kellerräumen mitübertragen.
Durch Bescheid vom 11. November 1980 gewährte das beklagte Finanzamt (FA) antragsgemäß vorläufige Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG), da die Klägerin erklärt hatte, daß die Eigentumswohnung binnen fünf Jahren nach Erwerb mindestens ein Jahr lang ununterbrochen von ihrem Ehegatten bewohnt werden sollte. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde ebenfalls am 11. November 1980 erteilt. Im Rahmen der Überprüfung des Erwerbsvorgangs stellte das FA fest, daß die erworbene Eigentumswohnung bewertungsrechtlich auf den 1. Januar 1982 als Mietwohngrundstück bewertet worden war, da sie zwei abgeschlossene Wohnungen umfaßte, die kein Zweifamilienhaus darstellten. Die eigentliche Eigentumswohnung wurde in der Zeit nach dem Erwerb vermietet. Die Räumlichkeiten im Keller waren für Wohnzwecke ausgebaut und vom Ehemann der Klägerin länger als ein Jahr für eigene Wohnzwecke genutzt worden.
Durch Bescheid vom 17. Dezember 1984 setzte das FA Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Durch Bescheid vom selben Tag setzte es Zinsen fest. In der Anlage zu dem Grunderwerbsteuerbescheid wies das FA darauf hin, die Nachversteuerung sei durchzuführen, da die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStEigWoG nicht dadurch erlangt werden könne, daß die gleichzeitig mit dem Sondereigentum an der Eigentumswohnung erworbenen Sondernutzungsrechte an bestimmten Kellerräumen der begünstigten Nutzung zugeführt würden.
Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch vom 31. Dezember 1984, eingegangen beim FA am 2. Januar 1985, machte die Klägerin geltend, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Eigentumswohnung mit zwei Wohneinheiten erworben zu haben. Da das FA innerhalb der folgenden Jahre nicht über den Einspruch entschied, machte die Klägerin mit Schreiben vom 18. Oktober 1991 weiterhin geltend, ebenso wie eine überlange Prozeßdauer stelle auch die Verfahrensdauer im behördlichen Vorverfahren einen Verstoß gegen die Menschenrechte dar.
Durch Einspruchsentscheidung vom 29. November 1991 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das FA habe zu Recht für den Erwerb der Wohnung und der zugehörigen Sondernutzungsrechte nach § 3 Abs. 1 GrEStEigWoG Grunderwerbsteuer nacherhoben, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllt habe. In Frage käme allenfalls eine Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG. Die Klägerin habe jedoch die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung nicht erfüllt, und zwar schon deshalb nicht, weil die Wohnfläche der vom Ehemann der Klägerin genutzten Wohnung erheblich geringer als die Wohnfläche der eigentlichen Eigentumswohnung sei. Der mit dem Erwerb der Eigentumswohnung verbundene Erwerb von Sondernutzungsrechten sei auch nicht insoweit von der Grunderwerbsteuer aus genommen, als die Gegenleistung möglicherweise auf den Erwerb der Sondernutzungsrechte entfalle. Die überlange Dauer des behördlichen Vorverfahrens führe allein noch nicht zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. September 1991 IV B 105/90, BStBl II 1992, 148). Die Revision hat das FG nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der grundsätzliche Bedeutung als Zulassungsgrund geltend gemacht wird. Zum einen mißt die Klägerin der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, ob die überlange Dauer des behördlichen Vorverfahrens zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids führt. Darüber hinaus habe die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, ob der auf den Erwerb des Sondernutzungsrechts entfallende Entgeltanteil steuerbar und steuerpflichtig nach dem auf den Streitfall anzuwendenden früheren Grunderwerbsteuergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (GrEStG NW) ist.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet, da die Rechtssache nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH- Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m. w. N.). Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
1. Es ist durch Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt, daß allein die Untätigkeit des FA im Einspruchsverfahren während eines Zeitraums, der größenordnungsmäßig der Zeit der Untätigkeit des FA im Streitfall entspricht, nicht zur Rechtswidrigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids bzw. der Steuererhebung führt (Senatsurteil vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12). Nach dieser Senatsentscheidung kann nicht angenommen werden, das FA habe einen geltend gemachten Grunderwerbsteueranspruch aufgegeben, wenn das FA nach Steuerfestsetzung im Einspruchsverfahren den Einspruch mehr als neun Jahre unbearbeitet läßt. Damit ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlich geklärt. Zwar setzt sich der Senat in der angezogenen Entscheidung nicht ausdrücklich auch mit der Frage auseinander, ob die von der Klägerin geltend gemachten Verstöße gegen das Grundgesetz (GG) bzw. gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte vorliegen können. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß derartige Verstöße im Streitfall offensichtlich nicht vorliegen. Die Klägerin hatte während der langen Dauer des Einspruchsverfahrens die Möglichkeit, unmittelbar Klage nach § 46 Abs. 1 FGO zu erheben. Darüber hinaus hat sie während der von ihr beanstandeten jahrelangen Dauer des Einspruchsverfahrens zunächst selbst nicht auf eine Entscheidung gedrungen. Bei dieser Rechts- und Sachlage kann im Verhalten des FA kein so schwerwiegender Fehler gesehen werden, der als Verstoß gegen das GG oder die Menschenrechtskonvention mit der Folge der Rechtswidrigkeit der Steuererhebung gewertet werden könnte.
2. Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Frage der grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung des Entgelts für die Übertragung des Sondernutzungsrechts ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Diese Frage ist nach dem inzwischen aufgehobenen GrEStG NW zu beurteilen. Das frühere GrEStG NW ist jedoch seit Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109) ab 1. Januar 1993 kein revisibles Recht mehr. Es unterliegt daher im Revisionsverfahren nicht mehr der Überprüfung durch den BFH (vgl. das Senatsurteil vom 26. April 1995 II R 6/94, BFHE 178, 222, BStBl II 195, 738). Die von der Klägerin herausgestellte Rechtsfrage kann daher vom BFH in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht mehr geklärt werden. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, daß die Rechtsfrage möglicherweise auch für das revisible bundesrechtliche Grunderwerbsteuergesetz 1983 von Bedeutung sein könnte. Im von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren ginge es insoweit ausschließlich um die Auslegung des nicht revisiblen GrEStG NW.
Fundstellen
Haufe-Index 420952 |
BFH/NV 1996, 262 |