Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung der Verletzung der Hinweispflicht; grundsätzliche Bedeutung bei doppelt begründetem FG-Urteil
Leitsatz (NV)
1. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde Verletzung der Hinweispflicht nach § 76 FGO gerügt, so muß angegeben werden, worauf das FG hätte hinweisen müssen bzw. welche Fragen das FG hätte stellen müssen, was darauf geantwortet worden wäre und wieso dieser Verfahrensfehler entscheidungserheblich war.
2. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt u. a. voraus, daß das Urteil auf der aufgeworfenen Rechtsfrage beruht. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn das FG seine Entscheidung noch auf einen weiteren Rechtsgrund gestützt hat.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rüge des Klägers und Beschwerdeführers (Klägers), das Finanzgericht (FG) habe seine auf § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beruhende Hinweispflicht verletzt, erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels.
Wird die Verletzung der Hinweispflicht gerügt, so muß angegeben werden, worauf das FG hätte hinweisen müssen bzw. welche Fragen das FG hätte stellen müssen, was darauf geantwortet worden wäre und wieso dieser Verfahrensfehler entscheidungserheblich war (Urteil des Bundes gerichtshofs -- BGH -- vom 31. Januar 1980 IX ZR 37/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1980, 515; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rz. 40). Bei gegebenem Anlaß ist darzulegen, daß auf die Rüge des Verfahrensmangels nicht verzichtet worden ist.
Der Kläger hat diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Im übrigen greift die Rüge auch der Sache nach nicht. Denn das FG hat durch seine Anordnung vom 24. März 1992 ausdrücklich Gelegenheit gegeben, zu dem neuen rechtlichen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Es brauchte nicht zuvor seine Rechtsauffassung zu diesem Punkt darzulegen. Mit seiner Anordnung brachte das FG erkennbar und hinreichend zum Ausdruck, daß es nach seiner Ansicht auf den rechtlichen Gesichtspunkt ankommen konnte.
2. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe die Bedeutung des Streitgegenstandes i. S. des § 65 FGO verkannt, rügt er keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler.
3. Mit der Behauptung, das FG sei dadurch, daß es keine Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand des § 370 der Abgabenordnung (AO 1977) getroffen habe, von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Dezember 1986 I B 49/86 (BFHE 148, 218, BStBl II 1988, 213) abgewichen, erhebt der Kläger keine zulässige Divergenzrüge. Bei einer auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Beschwerde muß der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze aus divergenzfähigen Entscheidungen so bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 9. Juni 1988 IV B 135/87, BFH/NV 1989, 700; ständige Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger keinen abstrakten Rechtssatz des FG dargelegt.
4. Die Auffassung des FG, im Falle des Bestehens einer Treuhandschaft liefere nicht der Treuhänder, sondern der Treu geber an den Abnehmer, weicht nicht i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem vom Kläger bezeichneten BFH-Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 139/76 (BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500) ab. Diese Entscheidung befaßt sich nur mit der Leistungsbeziehung bei einer Zwangsversteigerung.
5. Die Revision kann schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen werden.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheit lichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluß vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein.
Der Kläger hat die Rechtsfrage aufgeworfen, wer im Falle der Treuhandschaft als der Leistende anzusehen ist. Für diese von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage fehlt die erforderliche Klärbarkeit im angestrebten Revisionsverfahren. Insoweit genügt es nicht, daß eine Klärung theoretisch möglich ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., 3. Aufl., § 115 Rz. 11). Vielmehr muß die Klärung zu erwarten sein. Dies ist der Fall, wenn das Urteil auf der Rechtsfrage beruht, d. h., wenn die Rechtsfrage nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß das Urteil entfiele (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524, und vom 9. April 1990 III B 109/88, unter 2., BFH/NV 1990, 790).
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das FG hätte die Klage auch dann abgewiesen, wenn es die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage im Sinne der Rechtsauffassung des Klägers beantwortet hätte. Denn für den Fall, daß der Kläger nicht als Leistender anzusehen wäre, hat das FG seine Entscheidung darauf gestützt, daß der Kläger gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1973 in Anspruch genommen werden konnte.
6. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Ent lastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 419859 |
BFH/NV 1995, 603 |