Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Revisionsklägers durch Auslegung; Kostenpflicht des Prozeßvertreters bei Prozeßunfähigkeit des Revisionsklägers
Leitsatz (NV)
- Ergibt sich aus der Revisionsschrift nicht eindeutig, in wessen Namen die Revision eingelegt worden ist, so ist dies durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vor allem darauf abzustellen, wem gegenüber das erstinstanzliche Urteil ergangen ist und gegen wen die streitbefangenen Steuerbescheide gerichtet sind.
- Eine Revision, die im Namen einer nicht (mehr) prozeßfähigen Gesellschaft erhoben wird, ist unzulässig. Die durch sie entstehenden Kosten sind dem im Revisionsverfahren aufgetretenen Prozeßvertreter aufzuerlegen.
Normenkette
FGO § 58 Abs. 1, § 62 Abs. 3 S. 1, § 135 Abs. 2
Tatbestand
I. Die vorliegend zu beurteilende Revision richtet sich gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG), in dessen Verfahren die C-Ltd. als Klägerin bezeichnet worden war. Die Revision ist von Rechtsanwalt und Steuerberater D im Namen der C-Ltd. eingelegt worden. Mit dem Verfahren hat es folgende Bewandtnis:
Bei der C-Ltd. handelte es sich zumindest ursprünglich um eine Kapitalgesellschaft, die 1982 in Panama gegründet worden ist. An der Gründung war u.a. der in Deutschland wohnhafte S beteiligt. Ob S in der Folge Geschäftsführer der C-Ltd. war und wie lange seine Geschäftsführereigenschaft ggf. angedauert hat, ist zwischen ihm und den Finanzbehörden streitig. Im Jahr 1993 soll die C-Ltd. von ihrer damaligen Alleingesellschafterin, einer Schweizer Bank, aufgelöst worden sein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm an, daß S in den Streitjahren Geschäftsführer der C-Ltd. gewesen sei und daß sich deren Geschäftsleitung im Inland befunden habe. Er erließ deshalb im Jahr 1995 verschiedene an die C-Ltd. gerichtete Steuerbescheide. Diese Bescheide focht S im Namen der C-Ltd. mit Einspruch und Klage an, wobei er sich als "Vertreter" der S bezeichnete. Ein Prozeßbevollmächtigter trat für die C-Ltd. in dem so anhängig gewordenen Verfahren zunächst nicht auf.
Das FG beraumte eine mündliche Verhandlung an, zu der es für die Klägerseite den S lud. Zum Termin erschien für die Klägerin niemand. Daraufhin wies das FG die Klage ab, ohne die Revision zuzulassen. Im Rubrum seines Urteils ist als Klägerin die "C-Ltd., vertreten durch S", benannt.
Gegen dieses Urteil legte Rechtsanwalt und Steuerberater D Revision ein, wobei er eine von S unterzeichnete Prozeßvollmacht vorlegte. In der Revisionsschrift ist verschiedentlich die C-Ltd. als Klägerin, an anderen Stellen hingegen S als "Kläger dieses Verfahrens" bezeichnet. Im weiteren Verlauf hat D auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden klargestellt, daß die Revision namens der C-Ltd. eingelegt wurde. Zur Begründung des Rechtsmittels führte er folgendes aus:
Die C-Ltd. sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Vielmehr sei S steuerlich in Anspruch genommen worden. Eine Prozeßführungsvollmacht habe dem FG nicht vorgelegen. S habe einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt, den das FG jedoch zunächst nicht beschieden habe. Deshalb habe S eine mündliche Verhandlung beantragt, um seine Beschwer persönlich vorzutragen. An der Wahrnehmung des Termins sei er jedoch krankheitsbedingt gehindert gewesen. Er habe deshalb telefonisch eine Terminsverlegung beantragt; dabei sei ihm jedoch mitgeteilt worden, daß das Urteil des FG bereits verkündet sei.
Im weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens wies der Senatsvorsitzende D darauf hin, daß die vorgelegte Prozeßvollmacht ihn möglicherweise nicht zur Vertretung der C-Ltd. legitimiere. Zugleich forderte er ihn auf, eine ausreichende Vollmacht der C-Ltd. vorzulegen. Daraufhin erklärte D, er lege das Mandat der C-Ltd. nieder. Im Rahmen eines weiteren Schriftwechsels führte er aus, das FA gehe inzwischen gegen S persönlich vor, weswegen bei einem anderen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Rechtsstreit anhängig sei. Dort gehe es inhaltlich um dieselben Fragen wie im vorliegenden Revisionsverfahren. Der Sach- und Streitstand dieses Verfahrens habe sich deshalb nicht erledigt; vielmehr sei das Verfahren gegen die C-Ltd. auf S übergegangen.
D hat beantragt, das angefochtene Urteil ersatzlos aufzuheben, hilfsweise den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und deshalb gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluß zu verwerfen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Rechtsanwalt und Steuerberater D als vollmachtlosem Prozeßvertreter aufzuerlegen.
1. Im finanzgerichtlichen Verfahren muß derjenige, der als Prozeßvertreter eines anderen auftritt, seine Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachweisen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO). Diese Regelung gilt auch für das Verfahren vor dem BFH (§ 121 FGO). Wird die hiernach erforderliche Vollmachtsurkunde im Rechtsmittelverfahren nicht vorgelegt, so ist das Rechtsmittel unzulässig (BFH-Beschluß vom vom 26. Januar 1999 VII B 239/98, BFH/NV 1999, 823; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rz. 67, m.w.N.).
2. Die Vollmachtsurkunde i.S. des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO muß, um Wirkungen zu entfalten, vom Vollmachtgeber selbst oder von einer für ihn vertretungsberechtigten Person ausgestellt sein. Es genügt deshalb nicht, wenn die Vollmacht von einem Dritten erteilt ist, der seinerseits als vollmachtloser Vertreter des Beteiligten tätig wird. Das gleiche gilt, wenn die als Beteiligter bezeichnete Person nicht (mehr) existiert. Im letztgenannten Fall kommt hinzu, daß es dann auch an der Prozeßfähigkeit jener Person fehlt (§ 58 Abs. 1 FGO), was ebenfalls zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führt.
3. Im Streitfall hat Rechtsanwalt und Steuerberater D eine von S ausgestellte Vollmacht vorgelegt. Diese genügt jedoch den gesetzlichen Anforderungen nicht, da S im vorliegenden Verfahren weder selbst Beteiligter noch zum Auftreten für die C-Ltd. berechtigt ist:
a) S wäre im vorliegenden Verfahren nur dann selbst Beteiligter, wenn die Revision in seinem eigenen Namen eingelegt worden wäre (vgl. § 57 Nr. 1 i.V.m. § 121 FGO). Das ist indessen nicht der Fall. Zwar ist in der Revisionsschrift verschiedentlich S als "Kläger dieses Verfahrens" bezeichnet worden. Andererseits ist dort wiederholt die C-Ltd. als "Klägerin" benannt. Der Wortlaut der Revisionsschrift ist mithin in diesem Punkt nicht eindeutig. Ihre hiernach gebotene weitere Auslegung führt indessen dazu, daß die Revision als nicht im Namen des S, sondern für die C-Ltd. eingelegt anzusehen ist.
Dafür spricht zum einen, daß das angefochtene Urteil des FG ausweislich seines Rubrums in einem Rechtsstreit ergangen ist, in dem als Klägerin die C-Ltd. benannt war. Auch ging und geht es im vorliegenden Rechtsstreit um Steuerbescheide, die inhaltlich an diese Gesellschaft ―und nicht an S persönlich― gerichtet sind. Schließlich hat der Prozeßvertreter im Verlauf des Revisionsverfahrens klargestellt, daß die von ihm eingelegte Revision eine solche der Gesellschaft sein sollte, während S im Rahmen anderer Verfahren Rechtsschutz sucht. Unter diesen Umständen muß als Klägerin im Streitfall allein die C-Ltd. angesehen werden, weshalb S am Verfahren nicht beteiligt ist.
b) Eine Legitimation des S zur Vertretung der C-Ltd. wäre dann gegeben, wenn S im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung Geschäftsführer oder sonstiger gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft gewesen oder dies inzwischen geworden wäre. Davon kann indessen im Streitfall deshalb nicht ausgegangen werden, weil ein solches Vertretungsverhältnis in der Revisionsschrift gerade bestritten wird. Das Revisionsvorbringen zielt nämlich u.a. darauf ab, daß die C-Ltd. im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, weil "eine Prozeßvollmacht dem FG … nicht vorgelegen" habe. Da in der ersten Instanz S als Vertreter der C-Ltd. aufgetreten und behandelt worden ist, macht ein solcher Vortrag nur dann Sinn, wenn S einer solchen Vollmacht bedurfte. Dies wäre nicht der Fall, wenn er seinerzeit auch ohne besondere Bevollmächtigung ―etwa als gesetzlicher Vertreter― für die C-Ltd. hätte handeln können. Zudem ist in der Revisionsschrift ausgeführt, daß die C-Ltd. bereits im Jahr 1993 aufgelöst worden ist, was ebenfalls gegen eine fortbestehende Vertretereigenschaft des S spricht. Später hat der Prozeßvertreter hierzu sogar vorgetragen, die C-Ltd. sei "überhaupt nicht mehr existent", weshalb für sie keine Vollmacht habe ausgestellt werden können. Unter diesen Umständen muß dem Vorbringen der Revision im Ergebnis entnommen werden, daß S weder während des erstinstanzlichen Verfahrens Vertretungsorgan der C-Ltd. war noch in der Folge zu einem solchen geworden ist.
4. Vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe des Prozeßvertreters gewesen, auf die entsprechenden Hinweise des Senatsvorsitzenden hin entweder eine für die C-Ltd. geltende Vollmacht beizubringen oder zumindest darzulegen, weshalb die von S unterzeichnete Vollmachtsurkunde ein namens der C-Ltd. geführtes Revisionsverfahren abdecken soll. Beides ist nicht geschehen. Deshalb muß die ohne hinreichende Bevollmächtigung eingelegte Revision nunmehr als unzulässig verworfen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind dem Prozeßvertreter aufzuerlegen, der als vollmachtloser Vertreter das erfolglose Revisionsverfahren veranlaßt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 1996 V B 80/95, BFH/NV 1996, 846; in BFH/NV 1999, 823; Gräber/ Koch, a.a.O., Rz. 67, m.w.N.). Die erfolgte Mandatsniederlegung ändert hieran nichts (BFH-Beschluß vom 11. Juli 1975 III R 124/74, BFHE 116, 110, BStBl II 1975, 714; Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 67, m.w.N.).
Entgegen der Ansicht des Prozeßvertreters ist eine anderweitige Kostenentscheidung nicht deshalb veranlaßt, weil das Revisionsverfahren inzwischen auf S "übergegangen" ist. Denn bei dem von S geführten Verfahren, das möglicherweise gegen S ergangene Haftungsbescheide betrifft, handelt es sich nicht um eine Fortsetzung des hier anhängigen Revisionsverfahrens. Jener Rechtsstreit ist vielmehr von dem vorliegenden unabhängig und kann deshalb insbesondere die Rechtsfolgen der vollmachtlosen Prozeßvertretung nicht beeinflussen.
Schließlich vermag der Senat nicht dem Einwand des Prozeßvertreters zu folgen, daß dessen Belastung mit Verfahrenskosten deshalb unbillig sei, weil mangels Existenz der C-Ltd. eine Vollmachtserteilung von vorn herein unmöglich gewesen sei. Denn die Kostentragungspflicht knüpft an die Veranlassung des Rechtsstreits an (BFH-Beschluß vom 19. April 1968 III B 85/67, BFHE 92, 173, BStBl II 1968, 473), und diese liegt auch in Fällen der vorliegenden Art bei dem vollmachtlosen Vertreter. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, wem sonst die Kosten auferlegt werden sollten. Insbesondere wäre deren Abwälzung auf die C-Ltd. ungerechtfertigt, da diese ―unabhängig von der Frage ihrer zivilrechtlichen Existenz― an der Einleitung des Revisionsverfahrens nicht beteiligt war. Vielmehr muß hier der Grundsatz durchgreifen, daß das Vorliegen einer ordnungsmäßigen Bevollmächtigung in der Risikosphäre des Prozeßvertreters liegt. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann im Streitfall von einer Kostenentscheidung zu Lasten des vollmachtlosen Vertreters nicht abgesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 424812 |
BFH/NV 2000, 572 |