Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Wenn nach dem Gesellschaftsvertrag einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OHG beim Tode eines Gesellschafters der überlebende Gesellschafter das Geschäft mit Aktiven und Passiven übernimmt, so wächst mit dem Tode des Gesellschafters der Anteil des Erben am Gesellschaftsvermögen, also auch am Grundbesitz, dem überlebenden Gesellschafter zu. Der Vorgang unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG.
Auf die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG ist es ohne Einfluß, wann die Gesamthand selbst das Grundstück erworben hat.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 3 Ziff. 2; BGB § 738; GrEStG Abs. 3 Ziff. 2; GrEStG § 3 Ziff. 6, § 6 Abs. 2, 4
Tatbestand
Gesellschafter der Beschwerdegegnerin (Bgin.), einer OHG, waren ein Vater und sein Sohn. Die Bgin. ist im Jahre 1943 dadurch entstanden, daß der Sohn in das Geschäftsunternehmen des Vaters eintrat. In § 9 des Gesellschaftsvertrages ist für den Fall des Todes des Vaters bestimmt, daß der Sohn die Firma als Alleininhaber übernimmt und an die Erben des Vaters Kapitalanteil auszuzahlen hat.
Der Vater ist am 25. Januar 1949 gestorben und von seiner Witwe als Alleinerbin beerbt worden.
In dem vom Sohn übernommenen Gesellschaftsvermögen befand sich ein Grundstück, das die Gesellschaft am 1. September 1944 erworben hatte. Das Finanzamt erhob für diesen übergang des Grundstücks auf den Sohn Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 1 Ziff. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das Finanzgericht stellte die Bgin. von der Steuer frei, indem es den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Ziff. 2 GrEStG (Vereinigung aller Anteile) für gegeben und nach § 76 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung nicht das veranlagende Finanzamt als Belegenheits-Finanzamt, sondern das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, für zuständig erachtete.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Wie der Reichsfinanzhof in ständiger Rechtsprechung (zuletzt durch Urteil II 169/41 vom 11. März 1943, Slg. Bd. 53 S. 71, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1943 S. 347) entschieden hat, geht dann, wenn aus einer aus zwei Personen bestehenden OHG der eine Gesellschafter ausscheidet und der andere Gesellschafter das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernimmt, mit dem übergang des Vermögens der aufgelösten OHG auf den anderen Gesellschafter das Eigentum an den zum Vermögen der OHG gehörenden Grundstücken unmittelbar kraft Gesetzes im Wege der Zuwachsung nach dem entsprechend anzuwendenden § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. auch § 138 des Handelsgesetzbuchs) auf den anderen Gesellschafter über. Damit entsteht Steuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG. § 1 Abs. 3 GrEStG ist nicht anwendbar, weil bei der übertragung des Vermögens der OHG auf einen der bisherigen Gesellschafter allein die OHG untergeht und die Gesellschaftsanteile der OHG damit nicht in einer Hand vereinigt werden, sondern ebenfalls untergehen.
Das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. März 1943 und das ihm entsprechende Urteil des Senats II 68/51 S vom 4. Mai 1951 (Bundessteuerblatt III S. 116) betrafen Fälle, in denen die beiden Gesellschafter das Ausscheiden des einen Gesellschafters und die übernahme des Geschäftsvermögens durch den anderen Gesellschafter als sofort eintretende Maßnahmen vereinbarten. Nicht anders ist aber die Rechtslage im Streitfall, in dem für den (späteren) Todesfall des einen Gesellschafters (des Vaters) der übergang des Geschäftsvermögens auf den anderen Gesellschafter (den Sohn) vereinbart worden ist. So hat auch das Reichsgericht in dem gleichliegenden Fall des Urteils vom 7. März 1932 (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 136 S. 97) dahin erkannt, daß mit dem Tode des einen Gesellschafters dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen dem überlebenden Gesellschafter zugewachsen sei. Im gleichen Sinn hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 120/30 vom 30. April 1930 (Mrozek-Kartei GrEStG alt § 1 Abt. I Rechtsspruch 90) entschieden und es zutreffend als bedeutungslos betrachtet, daß die Vereinbarung der übernahme des Geschäfts durch den überlebenden Gesellschafter schon vor der Auflösung der Gesellschaft zustande gekommen sei; mit dem Tode des anderen Gesellschafters sei die Vereinbarung wirksam geworden und gemäß § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen, also auch am Grundbesitz, dem überlebenden Gesellschafter zugewachsen, ohne daß eine Auflassung erforderlich gewesen sei.
Hiernach kann auch der Einwand der Bgin. nicht durchgreifen, mit dem Tode des Vaters sei die OHG erloschen und deshalb jede Möglichkeit entfallen, daß die OHG einen Vermögenswert auf den Sohn übertragen konnte. Die Vereinbarung des übergangs des Gesellschaftsvermögens ist nämlich schon vorher getroffen worden. Der übergang vollzog sich in allen Fällen, den beiden erstgenannten und dem Streitfall, im Augenblick der Auflösung der Gesellschaft als übergang von seiten der Gesellschaft.
Die vorstehenden Darlegungen ergeben für den Streitfall folgendes:
Da keine Vereinigung aller Gesellschaftsanteile stattgefunden hat, ist die Zuständigkeit des Finanzamts, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Bgin. befindet, nicht begründet. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.
Das Finanzamt hat die in Anspruch genommenen Befreiungsvorschriften mit Recht nicht angewendet.
Da das Grundstück von der OHG auf den Sohn übergegangen ist, kann § 3 Ziff. 2 GrEStG nicht Platz greifen. Auch das Reichsgericht hat in dem Urteil vom 7. März 1932 ausgesprochen, daß der übergang des Gesellschaftsvermögens nicht kraft Erbrechts (sondern durch Zuwachsung) eingetreten sei.
Eine OHG ist begrifflich mit niemandem verwandt. Deshalb scheidet die Anwendung des § 3 Ziff. 6 GrEStG aus.
Mit Rücksicht auf den übergang des Grundstücks von seiten der OHG hält das Finanzamt § 6 Abs. 2 GrEStG mit Recht grundsätzlich für anwendbar; es erachtet aber zu Unrecht die Anwendung des Abs. 2 durch Abs. 4 des § 6 für ausgeschlossen. Das Finanzamt begründet seine Auffassung unter Berufung auf Abschnitt II des Urteils des Reichsfinanzhofs vom 11. März 1943 damit, daß im Zeitpunkt des übergangs des Grundstücks auf den Sohn, d. h. am 25. Januar 1949, noch nicht fünf Jahre seit dem Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft (1. September 1944) verstrichen waren. Dem vermag der Senat nicht beizupflichten. § 6 Abs. 4 GrEStG beruht darauf, daß der übergang von Anteilen an einer Personengesellschaft der Grunderwerbsteuer nicht unterliegt und die änderung der Beteiligung zu Steuerumgehungen ausgenützt werden könnte; das Gesetz geht aber - wie auch die Begründung in Abs. 3 des Abschnitts "zu § 6" RStBl. 1940 S. 399) bemerkt - davon aus, daß für die änderung der Beteiligung in der Regel andere als steuerliche Gründe maßgebend sind, wenn die änderung beim übergang des Grundstücks bereits längere Zeit (mehr als fünf Jahre) zurückliegt. Es soll also, wenn der Anteilserwerb mehr als fünf Jahre zurückliegt, der gesetzgeberische Gedanke möglicher Steuerumgehung ausscheiden. Wird unter diesem Gesichtspunkt die Vergünstigung auch gewährt, wenn die Gesellschaft z. Zt. des längere Zeit zurückliegenden Anteilserwerbs das Grundstück bereits besaß, so ist die Vergünstigung noch mehr gerechtfertigt, wenn jemand eine Beteiligung an einer Gesellschaft erwarb, die noch kein Grundstück (oder jedenfalls noch nicht das später von dem Gesamthänder erworbene Grundstück) besaß. Es ist hiernach der Ausführung des Reichsfinanzhofs im Abschnitt II d des Urteils vom 11. März 1943 beizutreten, daß die Gesamthand in jedem Falle mindestens fünf Jahre bestanden haben muß, bevor ein Gesamthänder das Grundstück steuerlich begünstigt aus dem Gesamthandvermögen herausnehmen kann, nicht aber der weiteren Auffassung, daß die Gesamthand fünf Jahre bestanden haben muß, seitdem sie das Grundstück erworben hat.
Andererseits beruft sich die Bgin. zu Unrecht mit dem Ziele völliger Freistellung auf die Bemerkung 4 Abs. 4 zu § 6 GrEStG in dem Kommentar Boruttau-Klein und die dort bezeichnete Rechtsprechung. Danach (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II 97/41 vom 22. Januar 1943, Slg. Bd. 52 S. 327, Abschnitt II) soll, wie bereits erwähnt, § 6 Abs. 4 a. a. O. Steuerumgehungen vorbeugen, die mit Rücksicht darauf möglich sind, daß der übergang von Anteilen einer Gesamthand der Steuer nicht unterworfen ist. Eine solche Befürchtung der Steuerumgehung besteht jedoch dann nicht, wenn ein dem Erwerb von Anteilen an einer Gesamthand entsprechender Erwerb von Grundstücksbruchteilseigentum nach allgemeinen Steuerbefreiungsvorschriften von der Besteuerung ausgenommen ist. Unter diesen Voraussetzungen wäre also die Anwendung der Vergünstigungsvorschrift des § 6 Abs. 1 bis 3 durch § 6 Abs. 4 nicht ausgeschlossen. Vorliegend ist aber die Vergünstigung aus Abs. 2 durch Abs. 4 schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil der Sohn den Anteil an der Gesamthand nicht erst innerhalb der Fünfjahresfrist erworben hat.
Nach allem war die Steuer nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 GrEStG zu erheben. Zur Vornahme dieser Steuerberechnung wird die Sache unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen.
Den Wert des Streitgegenstandes wird das Finanzamt auch für die Berufungsinstanz auf den strittigen Steuerbetrag festzustellen haben, weil die Bgin. auch in der Berufungsinstanz Freistellung begehrt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 407804 |
BStBl III 1953, 372 |
BFHE 1954, 211 |
BFHE 58, 211 |
StRK, GrEStG:1 R 18 |