Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz für die Veräußerung von Computerprogrammen, Büchern und Schallplatten - Veräußerung von Handbüchern zur Software als unselbständige Nebenleistung
Leitsatz (amtlich)
Die Veräußerung von Standardsoftware durch einen Händler ist keine Einräumung, Übertragung oder Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben.
Orientierungssatz
1. In der entgeltlichen Veräußerung eines Buches oder einer Schallplatte durch einen Händler liegt keine Einräumung oder Übertragung von Rechten aus dem Urheberrechtsgesetz.
2. Die mit der Veräußerung von Standardsoftware einhergehende Veräußerung des dazugehörigen Handbuchs ist eine unselbständige Nebenleistung zur Verschaffung der Software. Die Besteuerung der Veräußerung der Software mit dem Regelsteuersatz entspricht dem Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 12 Abs. 3 Buchst. a UAbs. 3 Anh H; UrhG §§ 69a, 69e; UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vertreibt sog. "C Kits" für verschiedene PC-Betriebssysteme (DOS, Windows, Macintosh). Nach der Sachverhaltsdarstellung des Finanzgerichts (FG) bestehen diese als einheitliches Paket an die Nutzer entgeltlich abgegebenen "Kits" aus einem auf einem Medium bzw. Datenträger (Diskette) gespeicherten Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms (Software) und einem Benutzerhandbuch (Ringordner). Software und Benutzerhandbuch werden von der amerikanischen Muttergesellschaft hergestellt und über die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben. Die Software hat die Bezeichnung "C Manager".
Hierbei handelt es sich um ein benutzerfreundliches Anwendungsprogramm, das es dem Anwender ermöglicht, im Rahmen seiner Mitgliedschaft die möglichen Funktionen des von der Muttergesellschaft der Klägerin etablierten Netzwerks zu nutzen. So kann der Benutzer damit z.B.
-
sich automatisch in das Netzwerk einwählen, als
berechtigter Nutzer identifizieren, mit jeder beliebigen
Informationsquelle (Datenbank) verbinden lassen und mit
der entsprechenden Datenbank kommunizieren, z.B.
Suchabfragen durchführen, Datenbestände von dort auf
seinen Computer kopieren oder Daten einspeisen,
- ohne mit dem Netzwerk in Verbindung zu stehen,
elektronische Nachrichten, Fax- oder Telexnachrichten
erfassen, um sie anläßlich der nächsten
Verbindungsaufnahme an andere Teilnehmer (auch an
Mitglieder anderer Computernetzwerke) bzw. jeden
beliebigen Fax- oder Telexanschluß auf der Welt zu
übermitteln,
- in Verbindung mit dem Netzwerk stehend über die Tastatur
mit den anderen Teilnehmern unmittelbar kommunizieren und
gewünschtenfalls diese Kommunikation auf Datenträger
aufzeichnen.
Das Benutzerhandbuch beschreibt die Fähigkeiten des Programms
und seine Nutzungsmöglichkeiten, führt in die Anwendung des
Programms ein und bietet einen Überblick über den Einsatz des
Programms bei der Nutzung bestimmter Datenbanken, mit denen
Verbindung aufgenommen werden kann.
Software und Benutzerhandbuch wurden von der amerikanischen Muttergesellschaft geschaffen und in den USA auf Datenträger vervielfältigt. Das Programm wie auch das Benutzerhandbuch sind in den USA aufgrund Bundesrechts urheberrechtlich geschützt.
Die Klägerin sah in dem Vertrieb des Computerprogramms die Einräumung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993), und meldete die entsprechenden Umsätze für März und April 1994 (37 338 DM und 15 986 DM) mit einem Umsatzsteuersatz von 7 v.H. an.
Hiervon abweichend besteuerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsätze mit dem Regelsteuersatz (15 v.H.). Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 778 veröffentlicht ist, wies die gegen die Vorauszahlungsbescheide eingelegte Sprungklage ab; es sah in der Benutzung eines Computerprogramms keinen urheberrechtlich relevanten Vorgang.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt insbesondere Verletzung von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 und von §§ 69a, 69c und 69d des Urheberrechtsgesetzes (UrhG).
Während des Revisionsverfahrens erging der Jahressteuerbescheid für 1994, den die Klägerin gemäß §§ 68, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 1994 vom 19. April 1996 dahin zu ändern, daß der Vertrieb der Software "C Manager" ermäßigt besteuert wird.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Eine Zurückverweisung der Sache an das FG (vgl. § 127 FGO) ist nicht erforderlich, da Spruchreife vorliegt.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben.
1. Die Klägerin hat den Abnehmern der "C Kits" zusammen mit dem Eigentum an dem Datenträger, dem Handbuch sowie der Verpackung u.a. das Recht verschafft, die Software bestimmungsgemäß anzuwenden. Hierin ist keine Einräumung oder Übertragung von Rechten zu sehen, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben.
Nach der Auffassung des Senats unterscheidet sich der Verkauf von Standardsoftware durch einen Händler --soweit es um die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 geht-- umsatzsteuerrechtlich nicht erheblich vom Verkauf eines Buches durch einen Buchhändler oder vom Verkauf einer Schallplatte durch einen Musikalienhändler. Der Erwerber des Buches oder der Schallplatte kann mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Vom Fall entgegenstehender Gesetze oder Rechte Dritter abgesehen, darf der Eigentümer eines Buches oder einer Schallplatte demnach sein Buch kopieren oder das auf der Schallplatte aufgenommene Werk auf einen anderen Tonträger übertragen. Die Befugnis des Eigentümers, mit dem Buch oder der Schallplatte nach Belieben zu verfahren, kann insbesondere durch das Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes beschränkt sein. In der entgeltlichen Veräußerung eines Buches oder einer Schallplatte durch einen Händler liegt jedoch keine Einräumung oder Übertragung von Rechten aus dem Urheberrechtsgesetz. Dies wird besonders bei der Lieferung von Büchern deutlich, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 i.V.m. Nr. 49 der Anlage und nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 ermäßigt besteuert wird.
Auch der Verkauf von Standardsoftware fällt nicht unter die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993.
Dabei kann dahinstehen, ob zivilrechtlich ein Sachkauf oder der Kauf eines immateriellen Wirtschaftsguts und umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt es nahe, den Verkauf von Standardsoftware ebenso zu beurteilen wie den Verkauf von Büchern und Schallplatten (BGH-Urteil vom 4. November 1987 VIII ZR 314/86, BGHZ 102, 135, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1988, 406 unter II. 1. bb). Der BGH hat dementsprechend auf Sachverhalte der vorliegenden Art einzelne für den Sachkauf geltende Vorschriften (§ 459 BGB, Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte) angewandt (Urteile in BGHZ 102, 135, NJW 1988, 406, und vom 18. Oktober 1989 VIII ZR 325/88, NJW 1990, 320). Selbst wenn zivilrechtlich kein Sachkauf vorläge, sondern im wesentlichen der Kauf eines immateriellen Wirtschaftsguts, das von der Vorschrift des § 903 BGB nicht unmittelbar erfaßt würde, handelte es sich dabei im Kern um die Befugnis, das auf dem Datenträger gespeicherte Computerprogramm anzuwenden, was im Urheberrechtsgesetz allenfalls am Rande geregelt ist.
Die bestimmungsgemäße Anwendung von urheberrechtlich geschützter Software ist zwar zumindest mit einigen der in §§ 69d und 69e UrhG genannten Handlungen notwendig verbunden. Diese Handlungen dienen aber nur der Anwendung des Computerprogramms. Deshalb steht das Recht, die bezeichneten Handlungen vorzunehmen, jedem berechtigten Anwender kraft Gesetzes zu. Die Vorschriften der §§ 69a ff. UrhG grenzen die Rechte des Urhebers oder sonstigen Inhabers von Urheberrechten (Rechtsinhaber) von den Rechten des Anwenders ab. Selbst wenn die Rechte aus §§ 69d und 69e UrhG dem Käufer nicht originär zustünden, sondern zusammen mit dem Eigentum am Datenträger (oder einem sonstigen Benutzungsrecht an der Software) vom Veräußerer verschafft würden, könnte hierin allenfalls eine unselbständige Nebenleistung zur kaufweisen Veräußerung der Software --und nicht eine die Veräußerung prägende Rechtsübertragung-- gesehen werden. Der gegenteiligen im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. zuletzt Nieskens, Betriebs-Berater 1996, 2656) folgt der Senat nicht.
2. Die Veräußerung des Handbuchs ist eine unselbständige Nebenleistung zur Verschaffung der Software. Die Annahme des Vorliegens einer derartigen Nebenleistung setzt voraus, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und üblicherweise zusammen mit ihr vorkommt (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Dezember 1985 V R 15/80, BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499). Diese Voraussetzungen sind beim Verkauf von Standardsoftware mit Handbuch erfüllt.
3. Die Veräußerung der Software durch die Klägerin ist schließlich keine "Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben" i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993. Eine solche Wahrnehmung liegt nur vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung des Urhebers oder eines Inhabers von Urheberrechten zur Wahrung von dessen Rechten tätig wird (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 9. September 1965, BGBl I 1965, 1294). Der Handel mit Software ist somit selbst dann keine Wahrnehmung von Urheberrechten, wenn die Software urheberrechtlich geschützt ist.
4. Die Besteuerung der Veräußerung der Software mit dem Regelsteuersatz entspricht dem Gemeinschaftsrecht.
Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ist der ermäßigte Steuersatz nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar. Dort sind Computerprogramme der hier in Frage stehenden Art nicht aufgeführt.
Fundstellen
BFH/NV 1997, 280 |
BStBl II 1997, 372 |
BFHE 182, 423 |
BFHE 1997, 423 |
BB 1997, 1084-1085 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1997, 1015-1016 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 866-867 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 522 (Leitsatz) |
HFR 1997, 500-501 (Leitsatz) |
StE 1997, 303 (Kurzwiedergabe) |
WPg 1997, 436 (Leitsatz) |
StRK, R.1 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1997, 413-414 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0141336 |
SteuerBriefe 1997, 12 |
KFR, 1/97, S 241 (H 8/1997) (Leitsatz und Gründe) |
NWB 1997, 1535 |
UVR 1997, 247 (Leitsatz) |
UStR 1997, 229-230 (Leitsatz und Gründe) |
BFH/NV BFH/R 1997, 280-281 (Leitsatz und Gründe) |
CR 1997, 461-462 (Leitsatz und Gründe) |
ZIP 1997, 429-430 (Leitsatz und Gründe) |
ZUM 1997, 668-670 (Leitsatz und Gründe) |
NWB-DokSt 2000, 67 |
StSem 1998 |