Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestanforderungen an eine Revisionsbegründung
Leitsatz (NV)
1. Wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt, muß die Revisionsbegründung erkennen lassen, daß der Revisionskläger sich mit dem Rechtsstandpunkt des FG auseinandergesetzt hat; die bloße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts sache genügt hierfür nicht.
2. Die Schlüssigkeit einer Sachaufklärungsrüge setzt u. a. voraus, daß die nicht berücksichtigten Tatsachen aus der Sicht des FG entscheidungserheblich waren.
Normenkette
FGO §§ 76, 120 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) insoweit statt, als es erhöhte Absetzungen nach § 14 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für die im Streitjahr von der Klägerin zur Ausstattung eines Hotels angeschafften Gemälde der Künstler A, B, C und D gewährte. Die Gemälde unterlägen zumindest einer wirtschaftlichen Abnutzung, weil die Künstler nach dem hierzu eingeholten Gutachten nicht "anerkannte Meister" seien. Das FG vertrat unter Hinweis auf das Urteil des FG Berlin vom 31. Mai 1979 IV 354/78 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1979, 480) und Äußerungen im Schrifttum die Auffassung, "anerkannter Meister" sei ein Künstler, dessen Gesamtwerk von einer Vielzahl kunstsachverständiger und kunst interessierter Personen als künstlerisch anerkannt, wenn auch nicht notwendig unumstritten sei und von dem angenommen werden könne, daß dieses Urteil auf absehbare Zeit Bestand haben werde; für diese Anerkennung des Künstlers seien als Indizien die Aufnahme von Werken des Künstlers in die Schausammlungen verschiedener bedeutender Museen und die einschlägige Fachliteratur, nicht aber der Preis seiner Kunstwerke maßgebend. Nach diesen Grundsätzen seien die erwähnten Künstler, wie der Sachverständige bestätigt habe, nicht als "anerkannte Meister" anzusehen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision trägt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) -- wörtlich übereinstimmend mit der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde -- vor: Es bestehe eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das FG sich zur Bestimmung des Begriffs "anerkannter Meister" auf das Urteil des FG Berlin in EFG 1979, 480 bezogen habe und eine Definition des Bundesfinanzhofs (BFH) noch ausstehe. Das Urteil beruhe auf einem "Verfahrensmangel" i. S. v. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO aufgrund mangelnder Sachaufklärung und Verletzung von § 76 FGO". Während der mündlichen Verhandlung sei dem FG eine von der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten Berlin erstellte Zusammenfassung der bisherigen künstlerischen Aktivitäten der Herren A, B, C, D und E übergeben worden. Das FG habe sich bei seiner Entscheidung ausschließlich auf das Gutachten bezogen. Es habe versäumt, die Zusammenstellung bei der Urteilsfindung mit zu berücksichtigen und weitere Beweismittel zu erheben, z. B. in Form ausführlicher und detaillierter Aufstellungen der gesamten künstlerischen Tätigkeiten der Künstler. Der Verstoß gegen § 76 FGO habe demnach das Urteil des FG "beeinflußt".
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).
Die Revision ist nicht ordnungsgemäß begründet.
1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, muß der Revisionskläger darlegen, weshalb er dem angefochtenen Urteil nicht zustimmen kann. Dazu bedarf es, wenn die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, wenigstens einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Vorentscheidung (z. B. Beschlüsse des BFH vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470 m. w. N.; vom 16. September 1987 IV R 63/85, BFH/NV 1988, 714, ebenfalls m. w. N.).
Daran fehlt es hier. Insbesondere können im Streitfall die Gründe nicht ausreichen, die das FA bereits mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde für die Zulassung der Revision angeführt hat. Diese Gründe sprechen weder für noch gegen die Richtigkeit des FG-Urteils. Daß das FA die entschiedene Rechtsfrage der höchstrichterlichen Klärung für bedürftig hält, berührt den vom FG in der Sache vertretenen Standpunkt nicht und macht die für die Revisionsbegründung verlangte Auseinandersetzung mit diesem Rechtsstandpunkt daher nicht überflüssig (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1988, 714). Unter diesen Umständen genügte die Begründung, die einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO) entsprach, nicht den Form erfordernissen einer Revision (vgl. BFH- Beschluß vom 23. August 1988 VII R 112, 113/87, BFH/NV 1989, 241 m. w. N.).
2. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO sind, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben.
Eine Verfahrensrüge genügt diesen Anforderungen nur, wenn der Revisionskläger schlüssig Tatsachen bezeichnet, aus denen sich ergibt, daß ein Verfahrensmangel vorliegt, und darlegt, daß das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl. Gräber /Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rdnr. 38 m. w. N.). Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweis antritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so ist genau anzugeben, welchen vorgetragenen Tatsachen das FG auch ohne Beweisantritt hätte nachgehen müssen, welche Beweismittel sich dem FG hätten aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus diesen Beweismitteln für den festgestellten Sachverhalt ergeben hätten und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Sachaufklärung beruhen kann (Gräber /Ruban, a. a. O., § 120 Rdnr. 40 m. w. N.); die Schlüssigkeit der Aufklärungsrüge setzt im übrigen voraus, daß die nicht berücksichtigten Tatsachen auch aus der Sicht des FG entscheidungs erheblich waren.
Im Streitfall wird die Verfahrensrüge diesen Anforderungen nicht gerecht. Das FG war -- ausgehend von seinem materiell- rechtlichen Standpunkt -- aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen nicht gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Das FA hat auch nicht dargelegt, welche Tatsachen sich bei der Erhebung weiterer Beweismittel ergeben hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 420315 |
BFH/NV 1995, 529 |