Leitsatz (amtlich)
Der Testamentsvollstrecker ist nicht befugt, den Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens einer OHG anzufechten, deren Gesellschafter der Erblasser war, wenn der Feststellungsbescheid nicht ihm, sondern den Erben bekanntgegeben wurde.
Normenkette
AO § 231; AO 1977 § 350; FGO § 40 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des 1972 verstorbenen W. W war Gesellschafter der X-OHG (OHG). Er wurde von seiner Ehefrau und seiner Tochter beerbt. Aufgrund des Gesellschaftsvertrags der OHG ist die Tochter des W in die Gesellschafterstellung ihres Vaters eingetreten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erließ aufgrund einer 1971 bei der OHG durchgeführten Betriebsprüfung Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der OHG zum 1. Januar 1964 bis einschließlich 1. Januar 1970. Diese Bescheide konnten dem für die Gesellschafter der OHG empfangsberechtigten W nicht mehr bekanntgegeben werden, weil er im Zeitpunkt der Absendung der Bescheide durch das FA schon verstorben war. Deshalb gab das FA die Feststellungsbescheide allen im Zeitpunkt der Zustellung vorhandenen Gesellschaftern der OHG bekannt. Gegen diese Bescheide legte der Kläger in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker Einspruch ein. Die Gesellschafter der OHG schlossen sich dem Einspruch nicht an. Sie wurden jedoch vom FA zum Einspruchsverfahren zugezogen.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Das FA wies die Klage als unzulässig ab. Es begründete seine Entscheidung damit, daß der Kläger nicht klagebefugt sei.
Die Revision des Klägers rügt, das FG habe verkannt, daß er aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers als Partei kraft Amtes im eigenen Namen die Rechte der Erben geltend machen könne. Der Testamentsvollstrecker sei durch einen Verwaltungsakt beschwert, wenn durch diesen die von ihm verwaltete Erbmasse beschwert werde. Dies sei immer der Fall, wenn der Erblasser beschwert wäre, falls er noch lebte. Das FG habe auch übersehen, daß es sich bei den Steuern, die aufgrund der Feststellungsbescheide zu entrichten seien, um solche handle, die auf die Zeit vor dem Erbfall entfielen und die damit die Erbmasse als Nachlaßschulden belastet hätten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das FG hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Befugnis, gegen einen Steuerbescheid Einspruch einzulegen, setzt nach § 231 der Reichsabgabenordnung - AO - (=§ 350 der Abgabenordnung - AO 1977 -) voraus, daß der Rechtsbehelfsführer durch den Verwaltungsakt beschwert wird. Diese Vorschrift entspricht vom Bereich der hier nicht interessierenden Ermessensentscheidungen der Verwaltung abgesehen, in seinem Inhalt dem § 40 Abs. 2 FGO. Danach ist klagebefugt, wer durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird. Entscheidende Voraussetzung für die Rechtsbehelfsbefugnis ist somit die Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Das wirtschaftliche Interesse am Wegfall der festgestellten Besteuerungsgrundlage oder der festgesetzten Steuer gibt dagegen allein keine Befugnis, einen Steuerbescheid anzufechten, der gegen einen anderen gerichtet ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 231 Anm. 2; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 231 AO Rdnr. 4).
2. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlaß zu verwalten und die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen (§§ 2203, 2205 BGB). Seine Verwaltungsbefugnis umfaßt auch die Pflicht, Nachlaßverbindlichkeiten zu berichtigen. Aus § 106 AO (entspricht § 34 AO 1977) ergibt sich, daß der Testamentsvollstrecker auch verpflichtet ist, Steuerschulden zu tilgen, die Nachlaßverbindlichkeiten sind. Wenngleich der Testamentsvollstrecker die Verwaltungsbefugnis kraft eigenen Rechts gemäß dem letzten Willen des Erblassers und entsprechend dem Gesetz selbständig ausübt, so wird doch dadurch der Nachlaß nicht zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit, sondern er steht dem Erben zu. Der Erbe tritt nach § 8 StAnpG (=§ 45 AO 1977) sachlich-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein (vgl. Entscheidung des BFH vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520). Dementsprechend ist der Verpflichtete aus dem Steuerschuldverhältnis der Erbe, so daß die Ansprüche hieraus, jedenfalls wenn der Erbe, wie im Streitfall bekannt ist, gegen ihn geltend zu machen sind (vgl. auch BFH-Entscheidung vom 7. Oktober 1970 I R 145/68, BFHE 100, 346, BStBl II 1971, 119). Dies gilt über den mit Urteil I R 145/68 entschiedenen Fall hinaus auch für Steuerschulden, die in der Person des Erblassers entstanden und damit Nachlaßverbindlichkeiten sind. Der Testamentsvollstrecker wird dadurch, daß diese Steuerschulden gegen den Erben festgesetzt werden, in seinen Rechten nicht verletzt; denn durch die Festsetzung von Steuern, die nicht den Nachlaß als solchen betreffen, sondern persönliche Schulden des Erben begründen, wird die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstrekkers nicht beeinträchtigt. Das Vorbringen des Klägers, aufgrund dieser Bescheide könnte der Anspruch der Erben auf Herausgabe des Nachlasses gepfändet werden, mag zwar seinen wirtschaftlichen Interessen widerstreiten, dagegen würde dadurch seine Rechtsstellung nicht geschmälert. Denn der Herausgabeanspruch der Erben besteht auch, ohne daß er gepfändet wird.
3. Konnte somit das FA die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der OHG auch für die Zeit vor dem Erbfall allein gegenüber den Erben vornehmen, ohne den Kläger in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker in das Verfahren mit einbeziehen zu müssen, so entspricht es, wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, der Rechtslage, daß der Kläger keine Befugnis hat, die den Erben zugestellten Bescheide anzugreifen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das FA die Feststellungsbescheide auch der Ehefrau des Erblassers als dessen Miterbin hätte zustellen müssen; denn aus einer unterlassenen Zustellung gegenüber einem Miterben kann der Kläger als Testamentsvollstrecker keine Rechte herleiten.
Damit war der Einspruch des Klägers gegen die der Tochter des Erblassers zugegangenen Feststellungsbescheide entgegen der Auffassung des FA unzulässig und nicht unbegründet. Der Zuziehung der Erben zum Einspruchsverfahren hätte es deshalb nicht bedurft, weil durch die Entscheidung über einen unzulässigen Rechtsbehelf keine sachlich-rechtliche Entscheidung getroffen wird, die Dritten gegenüber nur einheitlich ergehen könnte (vgl. § 241 Abs. 3 AO). Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, daß das FG die vom FA zum Vorverfahren zugezogenen Gesellschafter der OHG nicht weiterhin am Verfahren beteiligt hat.
Der Kläger konnte jedoch die gegen ihn ergangene Einspruchsentscheidung des FA anfechten. Seine Anfechtungsklage war entgegen der Auffassung des FG nicht unzulässig, denn es muß ihm die Möglichkeit zugestanden werden, die gegen ihn ergangene Verwaltungsentscheidung gerichtlich nachprüfen zu lassen. Entsprechend den obigen Ausführungen war seine Klage aber unbegründet. Dementsprechend war die Revision des Klägers mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, daß der von ihm eingelegte Einspruch unzulässig und die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage unbegründet waren.
Fundstellen
Haufe-Index 72755 |
BStBl II 1978, 383 |
BFHE 1978, 477 |
NJW 1978, 1456 |