Verfahrensgang
LG Oldenburg (Beschluss vom 29.08.2003; Aktenzeichen 6 T 767/03) |
AG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 60 IN 47/99) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 22.068,45 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Die W. GmbH Co. KG (fortan: Schuldnerin) stellte am 19. Mai 1999 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 26. Mai 1999 bestellte das Amtsgericht – Insolvenzgericht – den weiteren Beteiligten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Der vorläufige Insolvenzverwalter führte das Unternehmen der Schuldnerin fort. Am 1. Juli 1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, seither ist der weitere Beteiligte Insolvenzverwalter.
Rz. 2
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der weitere Beteiligte beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 51.092,52 EUR festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat dem Antrag in Höhe von 29.024,07 EUR stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sein Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 64 Abs. 3 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO, § 4 InsO). Die vom Landgericht gebilligte Berechnung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht weicht von der – allerdings erst später ergangenen – Rechtsprechung des Senats ab.
Rz. 4
2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Rz. 5
a) Das Landgericht ist ebenso wie das Insolvenzgericht bei der Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters methodisch in der Weise vorgegangen, dass es zunächst eine (fiktive) Vergütung für einen endgültigen Insolvenzverwalter ermittelt hat. Dabei hat es dessen Grundvergütung um insgesamt 50 v.H. angehoben (30 v.H. für Betriebsfortführung sowie für die besondere Schwierigkeit mit dem kontaminierten Betriebsgrundstück; 10 v.H. für die Sanierungsbemühungen; 10 v.H. für die Lohnabrechnung im Hinblick auf die erhöhte Zahl der Mitarbeiter). Daraus hat es ausgehend von der im Antrag aufgeführten Berechnungsgrundlage in Höhe von 1.792.486,30 DM eine fiktive Vergütung des endgültigen Verwalters von 137.024,05 DM errechnet, wovon es dann dem weiteren Beteiligten 35 v.H. zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer zuerkannt hat.
Rz. 6
b) Demgegenüber hat der Senat mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 (IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 252 ff) einer anderen Berechnungsweise den Vorzug gegeben. Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist danach grundsätzlich in der Weise zu berechnen, dass besondere Umstände, welche die Tätigkeit erleichtern oder erschweren, unmittelbar den für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgeblichen Bruchteil (vgl. ferner BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625, 627; v. 12. Januar 2006 IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672, 673; v. 13. Juli 2006 IX ZB 108/04 z.V.b.) verringern oder erhöhen. Der Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit auf dieser Grundlage eine Neuberechnung der Vergütung des weiteren Beteiligten erfolgen kann.
Rz. 7
3. Für die erneute Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Rz. 8
a) Das Verschlechterungsverbot hindert das Insolvenzgericht und das an seine Stelle tretende Gericht der sofortigen Beschwerde nicht, bei der Feststellung der angemessenen Vergütung Zu- und Abschläge zum Nachteil des Beschwerdeführers anders zu bemessen, als dies bisher geschehen ist, soweit es den Vergütungssatz insgesamt gemessen an der Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht zu seinem Nachteil ändert (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Juni 2005 IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v. 12. Januar 2006, aaO S. 675; v. 13. Juli 2006 IX ZB 108/04 z.V.b.).
Rz. 9
b) Grundsätzlich kann sich der weitere Beteiligte für die von ihm geltend gemachten Tätigkeiten nur dann auf einen Erhöhungstatbestand berufen, wenn es sich hierbei um Maßnahmen gehandelt hat, die im Eröffnungsverfahren vorgenommen wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 IX ZB 256/04, NZI 2006, 284, 287, z.V.b. in BGHZ 165, 266). Gleiches gilt für entsprechende Umstände, die sich auf das Eröffnungsverfahren zu beziehen haben.
Rz. 10
c) Hinsichtlich der Sanierungsbemühungen kann zwar entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht darauf abgestellt werden, ob diese letztendlich sich als erfolgreich erwiesen haben, weil die Zu- und Abschläge des § 3 InsVV tätigkeitsbezogen sind (BGH, Beschl. v. 13. Juli 2006 IX ZB 104/05, ZInsO 2006, 811, 814). Aus dem bisherigen Vorbringen des weiteren Beteiligten ist aber nicht zu entnehmen, dass dieser Tätigkeitsaufwand eine Anhebung um mehr als 10 % erforderlich macht.
Rz. 11
d) Auch hinsichtlich der durch die Grundstückskontamination verbundenen Arbeitsbelastung kann nur auf das Tätigwerden im Eröffnungsverfahren abgestellt werden. Insoweit hat der weitere Beteiligte ebenfalls sein Tätigwerden im nachfolgenden Insolvenzverfahren unzulässigerweise miteinbezogen.
Rz. 12
e) Soweit bislang ein Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV für die überdurchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter [Normalfall: 20, hier: 52] gewährt wurde, wird anhand des Vorbringens des weiteren Beteiligten zu überprüfen sein, inwieweit eine deutlichere Anhebung in Betracht kommt. Jedenfalls sind Sozialplanverhandlungen mit mehr als 20 Betroffenen auch bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter als „zuschlagswürdig” nach § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV anzusehen, weil sie besonders arbeits- und kostenintensiv sind (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 aaO S. 253). Auch hier sind nur Tätigkeiten von Bedeutung, die im Verlauf des Eröffnungsverfahrens angefallen sind.
Rz. 13
f) Hinsichtlich des begehrten Zuschlags wegen der Befassung mit Gegenständen, die der Aussonderung unterliegen, wird das Beschwerdegericht anhand der neuen Senatsrechtsprechung (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 aaO; Beschl. v. 13. Juli 2006 aaO) zu prüfen haben, ob die geltend gemachten Tätigkeiten im Eröffnungsverfahren angefallen sind und als erhebliche Befassung angesehen werden können. Gleichzeitig wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass die in Betracht kommenden Gegenstände nicht, wie das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Insolvenzgericht und der Antragstellung angenommen haben, in die Berechnungsgrundlage miteinzubeziehen sind (Beschl. v. 14. Dezember 2005 aaO; Beschl. v. 13. Juli 2006 aaO).
Rz. 14
g) Soweit der weitere Beteiligte wegen der überdurchschnittlichen Zahl von Schuldnern und den gegen sie gerichteten Beitreibungsmaßnahmen eine weitere Anhebung von 25 % begehrt, ist aus dem bisherigen Vorbringen nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um im Eröffnungsverfahren getroffene Maßnahmen gehandelt hat. In seiner zum Abschluss des Eröffnungsverfahrens erstellten Stellungnahme vom 21. Juni 1999 an das Insolvenzgericht sind derartige Maßnahmen nicht erwähnt. Auch für Zustellungen, die grundsätzlich auch im Eröffnungsverfahren bei nicht unerheblichem Umfang zuschlagsfähig sein können (vgl. zum Insolvenzverfahren BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004 IX ZB 222/03, ZIP 2004, 1822), scheint ein Erhöhungstatbestand nicht vorzuliegen. Mit der Zustellung gemäß § 8 Abs. 3 InsO wurde der weitere Beteiligte erst im Eröffnungsbeschluss vom 1. Juli 1999 betraut. Dementsprechend hat er nach Aktenlage erst im Anschluss hieran Zustellungen veranlasst.
Fundstellen