Rn 27a
Für die Prüfung, ob bei der Sozialauswahl Fehler unterlaufen sind, gilt ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab. Das Arbeitsgericht darf die soziale Auswahl – ähnlich wie im Rahmen von § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 – nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten der Arbeitnehmer nachprüfen (§ 126 Abs. 1 Satz 2). Anders als nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist ein schwerbehinderter Arbeitnehmer also nicht bereits aufgrund der Schwerbehinderung schutzwürdig. Denn die Schwerbehinderung darf im Rahmen von §§ 125, 126 nicht berücksichtigt werden. Auch wenn teilweise angenommen wird, der Gesetzgeber habe anlässlich der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG im Jahr 2003 lediglich vergessen, die Schwerbehinderung in §§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 126 Abs. 1 ebenfalls aufzunehmen, wird als Grund für ihre Nichterwähnung im Rahmen des § 126 überwiegend die intendierte Kündigungserleichterung angegeben. Verzichtet der Insolvenzverwalter auf das Verfahren nach § 126, ist eine etwaige Schwerbehinderung im Rahmen einer regulären Kündigungsschutzklage, soweit kein Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 vorliegt, gemäß § 1 Abs. 3 KSchG gleichwohl zugunsten eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Eine generelle Nichtbeachtung der Schwerbehinderungen bei Kündigungen in der Insolvenz besteht also nicht. Eine analoge Anwendung von § 126 auf andere Verfahrensarten kommt nicht in Betracht.
Rn 28
Bei der Bewertung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist bereits dann von einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl auszugehen, wenn dem Insolvenzverwalter bei ihrer Durchführung ein lediglich "leichter" bzw. "einfacher" Fehler unterlaufen ist. Die Privilegierung des § 125 Abs. 1 Nr. 2, wonach nur grobe Fehler einen Mangel der Sozialauswahl begründen, findet im Verfahren nach § 126 keine Anwendung. Abweichungen von der gebotenen Sozialauswahl können auch nicht mit der Erhaltung oder Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur begründet werden, weil eine dem § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 entsprechende Vorschrift in § 126 Abs. 1 Satz 2 fehlt. Allerdings führen Fehler bei der Sozialauswahl nur dann zu einer Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sie sich auf die Kündigung des Arbeitnehmers konkret ausgewirkt haben. Es genügt, wenn der Insolvenzverwalter eine vertretbare Auswahlentscheidung getroffen hat. Der Arbeitnehmer kann sich auf Fehler also nur dann berufen, wenn er bei ordnungsgemäßer Auswahlentscheidung nicht gekündigt worden wäre. Der Insolvenzverwalter kann sowohl bei unterlassener als auch bei nicht ordnungsgemäß durchgeführter Sozialauswahl im Prozess aufzeigen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer deshalb ausreichend berücksichtigt wurden, weil ihm selbst dann, wenn ein seitens des Arbeitnehmers gerügter Auswahlfehler unterblieben wäre, gekündigt worden wäre.
Rn 29
Für alle Fehler bei der Sozialauswahl tragen die Arbeitnehmer die Feststellungslast und damit das Risiko ihrer Nichterweislichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Arbeitnehmer bei Unkenntnis der für die Sozialauswahl rechtserheblichen Tatsachen zunächst pauschal die soziale Auswahl beanstanden und den Arbeitgeber auffordern kann, die Gründe mitzuteilen, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben. Der Arbeitgeber hat sodann die Gründe darzulegen, die ihn (subjektiv) zu der von ihm getroffenen Auswahl veranlasst haben. Dabei reicht es üblicherweise aus, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, welche anderen Arbeitnehmer er für vergleichbar hält und in die Sozialauswahl miteinbezogen hat. Diese abgestufte Darlegungslast gilt auch im Rahmen des Verfahrens nach § 126.