Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 301
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Mit § 12 Abs 1 KStG ist erstmals ein allg Entstrickungstatbestand in das KStG eingefügt worden. § 12 Abs 1 KStG korrespondiert hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen mit § 4 Abs 1 S 3 EStG. Der sachliche Anwendungsbereich des § 12 Abs 1 KStG geht jedoch insoweit über den Anwendungsbereich des § 4 Abs 1 S 3 EStG hinaus, als dass § 12 Abs 1 KStG nicht das Vorliegen von Gewinn-Eink (s § 2 Abs 1 Nr 1 EStG) voraussetzt (s Tz 17, 20). AA s Pfirrmann (in Blümich, § 12 KStG Rn 36), der aus der Verwendung des Worts "Gewinn" auf das Vorhandensein von BV schließt. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass der Begriff "Gewinn" im EStG auch bei WG des PV verwendet wird (s § 17 Abs 1 und § 23 Abs 3 EStG).
Tz. 302
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Der Entstrickungstatbestand des § 12 Abs 1 S 1 KStG wird verwirklicht, wenn
- das Besteuerungsrecht der B-Rep
- hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung
- eines WG
- ausgeschlossen oder beschr wird.
Tz. 303
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Daneben erläutert § 12 Abs 1 S 2 KStG klarstellend den Hauptanwendungsfall des § 12 Abs 1 S 1 KStG. Ein Anwendungsfall des § 12 Abs 1 S 1 KStG liegt nach § 12 Abs 1 S 2 KStG insbes dann vor, wenn ein bisher einer inl BetrSt einer Kö, Pers-Vereinigung oder Vermögensmasse zuzuordnendes WG einer ausl BetrSt dieser Kö, Pers-Vereinigung oder Vermögensmasse zuzuordnen ist. Das Regelbsp selber lässt jedoch offen, ob es sich hierbei nun um einen Ausschluss oder eine Beschränkung des dt Besteuerungsrechts handeln soll.
Tz. 304
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Anders als seine Vorgängerfassungen (s Tz 15ff) wird mit dem neuen Entstrickungskonzept in § 12 Abs 1 KStG tatbestandlich nicht mehr auf die Verlegung des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung bzw die Auflösung oder Verlegung einer BetrSt – dh auf eine Handlung des Stpfl – abgestellt. Für die Anwendung des § 12 Abs 1 KStG "genügt", die bloße Änderung der stlichen Beurteilung eines Sachverhalts (Ausschluss oder Beschränkung des dt Besteuerungsrechts). Der Ausschluss oder die Beschränkung des dt Besteuerungsrechts kann – muss aber nicht – auf einer Handlung des Stpfl beruhen. Hierdurch sind von § 12 Abs 1 KStG sowohl die Fälle der aktiven St-Entstrickung als auch die Fälle der passiven St-Entstrickung (zum Begriff s Dziadkowski, StBP 1976, 78) erfasst. Die Fin-Verw hat sich mittlerweile zur Frage der passive Entstrickung positioniert und sieht die von den Entstrickungsvorschriften als erfasst an (s Schr d BMF v 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104). Diese Rechtsfrage hat das FG Köln bislang offengelassen (s Urt des FG Köln v 17.06.2021, IStR 2021, 818; Rev eingelegt, Az BFH: I R 32/21). Das FG Saarland hat in einem AdV-Verfahren bezogen auf die Änderung/Neueinfügung des AOA in § 1 Abs 4 bis 6 AStG ernstliche Zweifel in der passiven Entstrickung gesehen (s Beschl des FG Saar v 30.03.2021, IStR 2021, 634; Beschwerde eingelegt, Az BFH: I B 44/21 (AdV)).
Entgegen der bisherigen Rspr des BFH (s Urt des BFH v 16.12.1975, BStBl II 1976, 246) kann uE der Abschluss oder die Änderung eines DBA den Entstrickungstatbestand erfüllen, soweit dt Besteuerungsrechte ausgeschlossen oder eingeschr werden (s Tz 335ff). Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rspr zur Auff der Fin-Verw positioniert. Soweit eine Kö als MU an einer Pers-Ges beteiligt und § 4 Abs 1 S 3 EStG anzuwenden ist (s Tz 69ff), bedarf es zB – aufgr der insoweit gleichlautenden Tatbestandsvoraussetzungen – uE auch nicht mehr der für eine Entnahme notwendigen Entnahmehandlung.
Tz. 305
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Von § 12 Abs 1 KStG sind sowohl die Fälle der subjektbezogenen Entstrickung (zB bei Beendigung der unbeschr StPflicht durch Verlegung des Orts der Geschäftsleitung) als auch die Fälle der objektbezogenen Entstrickung (zB Überführung von WG ins Ausl) erfasst (zur Kategorisierung s Schaumburg, in Schaumburg, Internationales StR, 4. Aufl Rn 6.375ff).
Tz. 306
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Ausweislich der Ges-Begr sind von § 12 Abs 1 KStG jedoch ausschl betrieblich veranlasste Vorgänge erfasst. Durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorgänge fallen nicht unter § 12 Abs 1 KStG (s BT-Drs 16/2710, 30f). Demzufolge haben die Entstrickung nach § 12 Abs 1 KStG sowie die vGA (§ 8 Abs 3 S 2 KStG) bzw die verdeckte Einlage (s § 8 Abs 3 S 3 KStG) keine sich überschneidenden Anwendungsbereiche (s Tz 62ff).
Tz. 307
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Entspr der Ges-Begr sollen von § 12 Abs 1 KStG insbes folgende Sachverhaltsgestaltungen erfasst sein, in denen
- ein Rechtsträgerwechsel (durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge) stattfindet,
- Vermögen die betriebliche Sphäre verlässt,
- die StPflicht endet oder
- WG dem dt Besteuerungszugriff entzogen werden.
3.2.1 Vorliegen eines Besteuerungsrechts
Tz. 308
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Ausgangspunkt für die Anwendung des § 12 Abs 1 KStG bildet das Vorliegen eines dt Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines WG.
3.2.1.1 Persönliche Steuerpflicht
Tz. 309
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Der Umfang des dt Besteuerungsrechts wird grds durch die pers StPflicht be...