Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Sozialplanes
Leitsatz (amtlich)
Bestimmt ein Sozialplan, daß Arbeitnehmer, die infolge betriebsbedingter Kündigung ihren Arbeitsplatz verlieren, eine Abfindung erhalten, dann entsteht in der Regel ein solcher Anspruch nicht, falls der Arbeitnehmer aus überwiegend persönlichen Gründen dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB widersprochen hat und deshalb vom Betriebsveräußerer entlassen werden muß.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 2, § 112 Abs. 1; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Aktenzeichen 28 Ca 5831/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. November 1994 – 28 Ca 5831/94 – wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Der 1951 geborene Kläger war als Kraftfahrer seit dem 10. Mai 1973 zunächst beim VEB G. Berlin tätig, das im Wege des Betriebsüberganges auf die Berliner P. Brauerei GmbH übergegangen war. Die Beklagte trat im Wege eines Teilbetriebsüberganges gemäß § 613 a BGB mit Wirkung vom 1. März 1992 in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers ein.
Im Jahre 1993 plante die Beklagte mehrere Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen. Sie vereinbarte deshalb mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 26. April 1993 einen Sozialplan, in dem es unter Abschnitt V Ziff. 1 wie folgt heißt:
„Arbeitnehmer, die infolge betriebsbedingter Kündigung ihren Arbeitsplatz verlieren, erhalten eine Abfindung.”
Der Logistikbereich, in dem der Kläger beschäftigt war, sollte einem nicht dem Konzern angehörenden Unternehmen, der Firma B. Sp. GmbH Berlin, übertragen werden. Der Kläger erhielt deshalb von der Beklagten ein Schreiben vom 20. Dezember 1993, in dem es unter anderem heißt:
„Am 02.12.1993 wurden Sie über die beabsichtigte Ausgliederung eines Teiles der Abteilung Logistik informiert. Dabei handelt es sich um die Disposition und Auslieferung.
Die Verhandlungen mit der Firma B. sind erfolgreich gewesen. Somit erfolgt die Übernahme durch die Firma B. zum 01.02.1994. Diese Verlagerung erfolgt als Teilbetriebsübernahme gemäß § 613 a BGB.
Somit geht zum 01.02.1994 Ihr Arbeitsverhältnis auf die „B. Sp. GmbH Berlin” über.
Für den Fall, daß Ihre neuen vertraglichen Bezüge geringer sind als das bisherige Einkommen, erhalten Sie für ein Jahr den Differenzbetrag als Einmalzahlung von der Sp. M. GmbH.
Sie haben bis zum 15.01.1994 die Möglichkeit, sich zu einer Übernahme zu äußern.”
Nachdem der Kläger am 9. Januar 1994 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma B. Sp. GmbH widersprochen und die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 28. Januar 1991 zum 31. Juli 1994 eine fristgerechte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen hatte, hat der Kläger mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 18. Februar 1994 eingereichten Klage zunächst die Sozialwidrigkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht, später insoweit seine Kündigungsschutzklage zurückgenommen und nunmehr die Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, daß ihm der Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan zustehe. Er habe aus persönlichen Gründen dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen und in diesem Zusammenhang behauptet, dies habe er auch deshalb getan, weil die Arbeitsbedingungen bei der Firma B. ungünstiger für ihn gewesen wären.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.915,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. August 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, daß dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zustehe, was sich aus dem Sinn und Zweck der im Sozialplan enthaltenen Regelung hinsichtlich der Zahlung einer Abfindung ergebe. Wenn der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen habe, so habe er selbst die Existenz seines Arbeitsverhältnisses aufs Spiel gesetzt, zumal sein Arbeitsort, die von ihm zu führenden Kraftfahrzeuge, die zu bedienenden Kunden sowie die zu transportierenden Waren unverändert geblieben seien. Die Vergütung des Klägers hätte sich bei der Firma B. sogar verbessert. Auf jeden Fall sei dem Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 1993 zugesichert worden, daß er für den Fall, daß seine neuen vertraglichen Bezüge geringer seien als das bisherige Einkommen, er für ein Jahr den Differenzbetrag als Einmalzahlung von ihr, der Beklagten, erhalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 9. November 1994 verkündetes Urteil hat die Kammer 28 des Arbeitsgerichts Berlin der Klage stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 65.915,44 DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der genannten Entscheidung verwiesen.
Ge...