Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
1 Allgemeines
Rz. 1
§ 6 GrEStG befreit in einem bestimmten Umfang die Überführung von Gesamthandseigentum in Bruchteilseigentum, Alleineigentum oder anderes Gesamthandseigentum. Die Vorschrift stellt damit das grunderwerbsteuerrechtliche Pendant zu § 5 GrEStG dar und regelt spiegelbildlich den Umkehrfall dieser Vorschrift. Ihr Anwendungsbereich ist durch den neuen § 24 vorläufig bis Ende 2026 verlängert worden, obwohl es zivilrechtlich seit 1.1.2024 wegen MoPeG kein Gesamthandsvermögen mehr gibt. Im Regelungsbereich des § 6 GrEStG werden Grundstücke nicht in Richtung einer Gesamthand i. S. d. § 24, sondern weg von ihr bewegt, und zwar in verschiedenen Fallkonstellationen:
Nach § 6 Abs. 1 und 2 GrEStG wird die Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer ihrer Gesamthänder (§ 6 Abs. 1 GrEStG) oder in das Alleineigentum eines Gesamthänders (§ 6 Abs. 2 GrEStG) von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, soweit der jeweilige Erwerber an der Gesamthand beteiligt ist. Damit entspricht § 6 Abs. 1 GrEStG der Vorschrift des § 5 Abs. 1 GrEStG und § 6 Abs. 2 GrEStG der Vorschrift des § 5 Abs. 2 GrEStG mit jeweils entgegengesetzter Übertragungsrichtung des Grundstücks. Mit diesen Bestimmungen des § 6 GrEStG soll insoweit keine Belastung mit Grunderwerbsteuer eintreten, als der Erwerber bereits vor dem Erwerbsvorgang im Rahmen seiner gesamthänderischen Berechtigung am Gesellschaftsvermögen und dementsprechend auch am Wert des erworbenen Grundstücks beteiligt war (vgl. BFH v. 23.1.1985, II R 35/82, BStBl II 1985, 336). Die Grunderwerbsteuer soll also nur in dem Umfang erhoben werden, als der Erwerber in eine (erweiterte) Berechtigung am Grundstück eintritt.
Nach der Systematik des GrEStG müsste eigentlich beim Erwerb des Grundstücks einer Gesamthand durch die an dieser Gesamthand Beteiligten in vollem Umfang Grunderwerbsteuer erhoben werden, weil die Gesamthand grunderwerbsteuerrechtlich ein selbstständiger Rechtsträger ist und daher in diesen Fällen der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Dies hätte nach der Neuregelung im Zivilrecht eigentlich dafür gesprochen, eine zeitlich unbefristete Befreiungsregelung in einem neuen § 4 Nr. 7 GrEStG vorzusehen; der Gesetzgeber hat sich anders entschieden. Die Erhebung der vollen Grunderwerbsteuer wurde bisher für nicht sachgerecht angesehen, weil eine solche Sachbehandlung der bisherigen besonderen Rechtsnatur des Gesamthandseigentums nicht gerecht geworden wäre.
Bei der Berechnung des Umfangs der nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG nicht zu erhebenden Grunderwerbsteuer ist eine Gesamtbetrachtung hinsichtlich des Grundstücksübergangs anzustellen. Eine Aufspaltung in bürgerlich-rechtliche Einzelvorgänge oder eine "Kompensation" zwischen den "Gesamthändern" kommt nicht in Betracht.
Beispiel 1 (zu § 6 Abs. 1 GrEStG):
A, B und C sind Gesellschafter einer OHG und an deren Gesellschaftsvermögen zu jeweils 1/3 beteiligt. Die OHG überträgt ein Grundstück zu je 1/3 Miteigentum an A, B und C.
Die Grundstücksübertragung ist in vollem Umfang nach § 6 Abs. 1 GrEStG begünstigt, weil der Miteigentumsanteil der Gesellschafter A, B und C von jeweils 1/3 ihrer Beteiligung an der OHG entspricht.
Beispiel 2 (zu § 6 Abs. 2 GrEStG):
Wie Beispiel 1, jedoch überträgt die OHG jedem ihrer drei Gesellschafter ein Grundstück zu Alleineigentum.
Bei den drei Erwerbsvorgängen bleibt die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu jeweils 1/3 unerhoben, weil die jetzigen Alleineigentümer A, B und C zuvor jeweils in dieser Höhe an den Grundstücken beteiligt waren.
§ 6 Abs. 3 GrEStG regelt den Fall eines Übergangs von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Hier findet eine Besteuerung insoweit nicht statt als an beiden Gesamthandsgemeinschaften identische Beteiligungsverhältnisse herrschen (z. B. bei einer Schwesterpersonengesellschaft). Diese Rechtsfolge ist die Konsequenz aus den tatsächlichen vermögensrechtlichen Gegebenheiten zwischen den am Übertragungsvorgang beteiligten und grunderwerbsteuerrechtlich selbstständigen Rechtsträgern und trägt dem Umstand Rechnung, dass eine entsprechende Befreiungswirkung auch bei einer Entnahme des Grundstücks aus der einen Gesamthand zu Miteigentum des Gesamthänders (begünstigt nach § 6 Abs. 1 GrEStG) und der anschließenden Einbringung des Grundstücks in die andere Gesamthand (begünstigt nach § 5 Abs. 1 GrEStG) eintreten würde.
§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG wurde zur Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen durch das Steueränderungsgesetz 2001 angefügt. Die für Erwerbsvorgänge nach dem 31.12.2001 geltende Vorschrift ist § 5 Abs. 3 GrEStG nachgebildet (zum zeitlichen Anwendungsbereich siehe § 23 GrEStG Rz. 13).
§ 6 Abs. 4 GrEStG ist ebenso wie § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG als Missbrauchverhinderungsvorschrift zu verstehen. Sie verhindert eine Anwendung der Begünstigungsnormen, indem – anders als bei § 5 Abs. 3 GrEStG – die Geltung der vorangehenden Absätze a priori ausgeschlossen ist, wenn eine der Tatbestandsalternativen vorliegt.
§ 6 GrEStG ist nur auf Grunds...