Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vorübergehender Verkehr ausländischer Anhänger)
Leitsatz (NV)
1. Keine grundsätzliche Bedeutung hat die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Frage der Dauer der Zulassung eines im Ausland stationierten ausländischen Anhängers zum vorübergehenden Verkehr.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Klärungsbedürftigkeit einer bereits höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage anerkannt werden kann.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; 24. AusnVO zur StVZO § 1
Tatbestand
Die Klägerin, ein inländisches Transportunternehmen, verwendete von November 1976 bis Ende Februar 1980 vier in Frankreich zugelassene und dort von ihr jeweils über ein Jahr hinaus gemietete Sattelanhänger ohne Inlandszulassung im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr hinter deutschen Zugmaschinen. Die vom Finanzamt - FA - wegen widerrechtlicher Benutzung gegen die Klägerin erlassenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide wurden für die Zeiträume nach dem jeweils ersten Jahr ab Beginn der Verwendung vom Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765) bestätigt. Die Fahrzeuge hätten nach dem ersten Grenzübertritt von Anfang an ihren regelmäßigen Standort im Inland gehabt. Die Auslegung der maßgebenden Verkehrsvorschriften - 24. Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (AusnVO) vom 9. September 1975 (BGBl I 1975, 2 508), §§ 1 und 5 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr vom 12. November 1934 (BGBl III Gliederungsnummer 9 232-4) - durch den Senat (Zulassung zum vorübergehenden Verkehr für - nur - ein Jahr, bei inländischer Standortbegründung beginnend mit dem dieser vorangegangenen Grenzübertritt) sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die tatsächliche Absicht des Verordnungsgebers unberücksichtigt geblieben wäre. Nach Wortlaut und Sinn der Vorschriften könne nicht davon ausgegangen werden, daß ausländische Anhänger auf Dauer zum Verkehr im Inland zugelassen werden sollten. Selbst wenn aber der Verordnungsgeber diese von der Klägerin behauptete Absicht gehabt haben sollte, müßte sie unbeachtet bleiben, weil sie im Wortlaut der AusnVO keinen Niederschlag gefunden habe. Der Grundsatz von Treu und Glauben stehe der Steuerfestsetzung nicht entgegen, weil das FA selbst keinen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Aus dem Verhalten anderer (Finanz-)Behörden könne nichts hergeleitet werden, was gerade das FA binden könnte.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil führt die Klägerin aus, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da die Auslegung der maßgebenden Verkehrsvorschriften auf dem Hintergrund der wirklichen Absicht des Gesetzgebers höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt sei und diese Frage in einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren von Bedeutung sei. In Wirklichkeit stehe der Wortlaut von § 1 AusnVO der von ihr - Klägerin - dargelegten wirklichen Absicht des Verordnungsgebers nicht entgegen. Gerade bei der am Wortlaut orientierten Auslegung finde die wirkliche Absicht des Gesetzgebers, für den Beginn der Jahresfrist auf den jeweiligen (letztmaligen) Grenzübertritt abzustellen, in den Rechtsnormen Niederschlag. Das FG habe den angebotenen Beweis über die entsprechende Absicht des Verordnungsgebers übergangen (,,Vernehmung des Bundesministers für Verkehr . . . Beiziehung seiner Akten . . ."). Die Streitsache habe auch unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben grundsätzliche Bedeutung. Entgegen der Auffassung des FG könne das Rechtsstaatsprinzip es im Einzelfall gebieten, Vertrauen zu gewähren, wenn der Bürger durch Anwendung einer verschärfenden Rechtsprechung oder verschärfender Verwaltungsvorschriften auf einen schon abgeschlossenen Sachverhalt beeinträchtigt werde. Dem Senat werde ausdrücklich die Frage vorgelegt, ob auch in einem solchen - hier vorliegenden - Fall entsprechende sachgerechte Anpassungsregelungen vorausgehen müßten (Hinweis auf einen im Einvernehmen mit den anderen obersten Finanzbehörden ergangenen Erlaß eines Landesfinanzministeriums). Sie - die Klägerin - habe auf die frühere Verwaltungspraxis und die genannte Verwaltungsvorschrift vertraut und ausländische Anhänger gemietet und eingesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) noch ist ein Verfahrensmangel gegeben, auf dem die Vorentscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Die im Streitfall maßgebende Rechtsfrage - Zulassung eines im Inland stationierten ausländischen Anhängers zum vorübergehenden Verkehr und dessen Dauer - ist nicht mehr klärungsbedürftig, nachdem sie vom Senat im Anschluß an die verkehrsrechtliche Rechtsprechung entschieden worden ist (vgl. außer der Senatsentscheidung in BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765, Urteile vom 10. Februar 1987 VII R 152/84, BFHE 149, 329, 331 f., BStBl II 1987, 510; vom 26. Juli 1988 VII R 81/85, BFH / NV 1989, 259, und vom 17. Januar 1989 VII R 47/86, nicht veröffentlicht). Die FG haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. Oktober 1987 III 258/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 207; FG Köln, Beschluß vom 22. Januar 1988 6 V 612/87, EFG 1988, 437; FG Hamburg, n. rkr. Urteil vom 19. März 1987 II 250/82, EFG 1987, 635). Gegenstimmen sind dem Senat nicht bekannt. Angesichts dessen könnte eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - Zulassungsvoraussetzung - nur angenommen werden, wenn neue Gesichtspunkte erkennbar wären, die eine erneute höchstrichterliche Entscheidung erforderlich machen (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 9, 62; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, Rdnr. 144). Solche Gründe bestehen nicht. Der Senat hat sich in seiner Grundsatzentscheidung in BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765 eingehend mit den maßgebenden Verkehrsvorschriften befaßt und sie, wie dies auch in der vorangegangenen verkehrsrechtlichen Rechtsprechung geschehen ist, unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien (,,Wille des Verordnungsgebers") ausgelegt, mit einem Ergebnis, das die Klägerin für unrichtig hält. Der Beschwerde sind keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die der Senat nicht bereits in Erwägung gezogen hätte. Die Klägerin versteht die Vorschriften nur in einem anderen Sinne als der Senat und deutet die mit ihnen verfolgte Absicht in einer ihr günstigen Weise (Jahresfrist beginnend ab jedesmaligem Grenzübertritt). Diese andere rechtliche Beurteilung durch die Klägerin macht die Frage aber nicht - wieder - klärungsbedürftig. Da Besonderheiten, die die Sache von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung behandelten Fällen unterscheiden, nicht ersichtlich sind, kann der Streitfall auch nicht zur Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung Anlaß geben (vgl. insoweit Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rdnr. 159).
Die Frage, ob allgemeine Verwaltungsanweisungen (z. B. Ministerialerlasse) eine Berufung auf Treu und Glauben rechtfertigen können, hat gleichfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist in ständiger Rechtsprechung entschieden, und zwar dahin, daß solchen Anweisungen nicht die gleiche Wirkung zukommt wie etwa verbindlichen Zusagen oder Auskünften für den Einzelfall im Rahmen eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde (z. B. Senat, Urteile vom 13. Mai 1987 VII R 37/84, BFHE 150, 108, 112, BStBl II 1987, 606, und vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, 297, mit Nachweisen). Der Fall einer rückwirkenden verschärfenden Rechtsprechung (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 1979 III R 16/78, BFHE 127, 476, 479, BStBl II 1979, 455) liegt nicht vor. Vielmehr ist in BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765 erstmals über den hier einschlägigen Problemkreis entschieden worden.
Auch eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt nicht in Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung insoweit den Anforderungen entspricht, die an die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung eines angebotenen Beweises zu stellen sind (zu ihnen Herrmann, a. a. O., Rdnr. 226). Selbst wenn ein - zulässig gerügter - Verfahrensfehler gegeben wäre, könnte die Vorentscheidung nicht auf ihm beruhen. Denn diese stellt - entscheidungserheblich - auf Wortlaut und Sinn der Verkehrsvorschriften ab, unter Ablehnung der Berücksichtigung eines etwa damit unvereinbaren Willens des Gesetzgebers (vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab Senat, Urteil vom 20. August 1985 VII R 182/82, BFHE 144, 465, 468, BStBl II 1985, 716).
Fundstellen
Haufe-Index 416525 |
BFH/NV 1990, 195 |