Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Umsatzsteuerrückständen
Leitsatz (NV)
- Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass der Erlass von Steuerschulden dem Steuerpflichtigen und nicht seinen anderen Gläubigern zugute kommen muss.
- Die Ermessensentscheidung über den Erlass von Steuerschulden hängt von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab.
Normenkette
AO 1977 § 227
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat aufgrund von Grundstücksgeschäften erhebliche Verbindlichkeiten. Ihr Antrag auf Erlass von rund 21 000 DM Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1986 bis 1993 wurde rechtskräftig abgelehnt.
Einen erneuten Antrag, rückständige Umsatzsteuer für 1986 bis 1993 und die bis einschließlich des Voranmeldungszeitraums IV/1997 angefallenen Nebenleistungen von insgesamt 40 428,51 DM zu erlassen, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ab. Die Klägerin hatte angeboten, 10 000 DM zu zahlen, die ihr Arbeitgeber ihr als Darlehen zur Verfügung stellen wollte.
Das FA lehnte den Erlassantrag u.a. mit der Begründung ab, dass die Klägerin immer noch keine Steuererklärungen für 1996 und 1997 abgegeben habe. Den dagegen eingelegten Einspruch, den die Klägerin nicht begründet hatte, wies das FA zurück.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) legte dar, dass sich die Sachlage gegenüber der unanfechtbaren ersten Ablehnung des Erlassbegehrens nicht entscheidungserheblich geändert habe. Das FA habe den Antrag ermessensfehlerfrei auch mit der Begründung abgelehnt, dass ein Erlass den übrigen Gläubigern der Klägerin zugute kommen würde, selbst wenn sie auf die inzwischen aufgelaufenen Rückstände einen Teilbetrag entrichte.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Es sei klärungsbedürftig, ob ein Angebot zur Zahlung eines erheblichen Geldbetrages auf die Steuerrückstände einen Anspruch auf Erlass der gesamten Steuerrückstände begründe, wenngleich andere Gläubiger mit ihren Forderungen bestehen blieben. Außerdem sei die Frage zu klären, ob es willkürlich sei, wenn das FA einen Erlassantrag gegen Zahlung eines erheblichen Geldbetrages auf die Steuerschuld ablehne, obwohl es bei einer derartigen Ablehnung nicht mit anderen Zahlungen (gleich ob freiwillig oder erzwungen) rechnen könne.
Das FA hält die Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) liegen nicht vor.
Die Zulassung der Revision kommt nur wegen einer Rechtsfrage in Betracht, die im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Diese vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Grundsätze gelten auch nach der FGO-Novelle fort, soweit sie nicht systematisch der Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzuordnen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, und vom 26. Juli 2001 X B 26/01, BFH/NV 2002, 180, zu 1.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 21. März 2002 V B 87/01), wenn sich die Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut oder dem Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt oder wenn sie durch den BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Entscheidung erforderlich machen (Rechtsprechungsnachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28).
a) Die Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen über einen Antrag auf Erlass von Steuerschulden ermessensfehlerfrei entschieden werden kann, sind in der Rechtsprechung geklärt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 134/98, BFHE 196, 400, BStBl II 2002, 176).
Ob persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe eine Erlassentscheidung rechtfertigen, ist auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Beachtung der für den Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) entwickelten Grundsätze zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2001, 161, zum Erlass von Säumniszuschlägen).
b) Die als rechtsgrundsätzlich hervorgehobene Rechtsfrage, ob ein Erlass von Steuerschulden mit dem Hinweis auf andere erhebliche Verbindlichkeiten trotz einer Teilzahlung abgelehnt werden könne, ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt: Ein Erlass aus Billigkeitsgründen setzt ―neben der Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Antragstellers― voraus, dass der Erlass der Steuer dem Steuerpflichtigen und nicht einem Dritten (Gläubiger des Steuerpflichtigen) zugute kommt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1965 I 390/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1965, 483; Beschluss vom 26. Oktober 1999 V B 130/99, BFH/NV 2000, 411). Im Übrigen hängt die Ermessensentscheidung über den Erlass von Steuerschulden (§ 227 AO 1977) von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1997 V B 71/97, BFH/NV 1998, 877, und vom 9. Juli 1996 VII B 57/96, BFH/NV 1997, 84). Ob das FG im Streitfall das Gesetz und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zutreffend angewandt hat, betrifft nur das individuelle Interesse der Klägerin an einer richtigen Entscheidung, nicht aber das für die Revisionszulassung maßgebende Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Im Falle der Revisionszulassung könnte eine Klärung nur für die richtige Rechtsanwendung im Streitfall bedeutsam sein. Dies ist mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erreichbar (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 877; vom 5. August 1998 IV B 129/97, BFH/NV 1999, 285).
c) Das gilt auch für die von der Klägerin angeregte Prüfung, ob ihr Erlassantrag willkürlich abgelehnt worden sei; denn ob das FA noch mit anderen Zahlungen der Klägerin als den von ihr angebotenen Teilzahlungen rechnen kann, ist keine Frage von allgemeinem Interesse.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen